Frage an Manuel Sarrazin von Moritz S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Sarrazin,
Demokratie ist im anbetracht des Wandels in vielen nordafrikanischen Staaten derzeit ein wichtiges Thema. Daher wäre für mich von großem Interesse, wie sie zu Direkter Demokratie stehen und was sie von der Idee Volksentscheide auch auf Bundesebene zu halten.
Über eine Antwort wäre ich sehr erfreut.
Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen,
Moritz Spiegel
Sehr geehrter Herr Spiegel,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich stimme Ihnen zu, dass zurzeit aufgrund des "arabischen Frühlings" und seiner Folgen Demokratie ein wichtiges Thema ist. Auch das vergangene Jahr und die Diskussionen um Großprojekte wie Stuttgart 21 oder den Atomausstieg haben gezeigt, dass Bürgerinnen und Bürger in den politischen Pro-zess einbezogen werden möchten - und aus meiner Sicht auch sollen!
Den Wunsch der Bevölkerung nach mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten auch zwi-schen den Wahltagen nehmen wir Grüne sehr ernst. Wir bemühen uns deshalb schon seit Jahren um die Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene. Wir wollen, dass durch die Volksinitiative auch Gesetzesvorschläge von außen das Parlament erreichen. Wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger direkter in politische Entscheidungen einbezogen werden. Und wir wollen, dass die Bevölkerung in Deutschland die Möglichkeit bekommt, wichtige Sachfragen rechtlich bindend selbst zu entscheiden.
Es gibt bereits Erfahrungen mit direkter Demokratie aus den Bundesländern. Die guten Erfahrungen zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, die schlechten zeigen, an welchen Stellen Verfahren verbessert werden müssen.
Eine breite Basis durch alle politischen Lager setzt sich für den Ausbau direkter De-mokratie auf Bundesebene ein. Wir Grünen haben bereits zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Einführung von Volksinitiative, Volksbe-gehren und Volksentscheid in den Deutschen Bundestag eingebracht:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/006/1600680.pdf Jedoch blockierte die CDU/CSU die Gesetzesinitiative mit ihrer Veto-Macht.
Grundsätzlich sollen sich Volksentscheide auf alle Politikbereiche beziehen dürfen. Finanzwirksame Volksinitiativen sind aus unserer Sicht ausdrücklich zulässig. Ausnahmen sind lediglich das Haushaltsgesetz selbst, Abgabengesetze und die Wiedereinführung der Todesstrafe. Die Grundrechte und auch der Schutz von Minderheiten müssen geachtet werden, diese Voraussetzung ist für mich sehr wichtig bei der Frage der Einführung von bundesweiten Volksentscheiden.
Wir haben im Blick, dass organisierte und vor allem finanzstarke Interessengruppen versuchen können, direkte demokratische Prozesse zu dominieren. Direkte Beteiligungsformen erfordern deshalb ganz besonders, dass Politiker ihre Vorhaben den Bürgerinnen erklären und sie frühzeitig einbeziehen.
Auch bezogen auf europäische Themen will und muss die Bevölkerung mehr einbezogen werden. Die schwarz-gelbe Regierung hat bis heute keine öffentliche und tiefgreifende Debatte über die Zukunft der Europäischen Union gewagt. Da Sie, Herr Spiegel, an Beteiligungsmöglichkeiten interessiert scheinen, möchte ich Sie auf den Grünen Konvent zur Zukunft der Europäischen Union aufmerksam machen, der am 24.02.2012 in Berlin stattfinden wird. Schon vorher können Sie unter www.gruenes-blog.de/ZukunftderEU mitdiskutieren! Weitere Informationen zum Konvent finden Sie im Internet: http://www.gruene-bundestag.de/cms/termine/dok/400/400145.html Über Ihre Teilnahme würde ich mich freuen!
Ich hoffe, dass ich Ihre Frage hiermit beantworten konnte. Gerne können Sie mich wieder kontaktieren, wenn dies nicht der Fall sein sollte. Auf dieser Seite http://www.gruene.de/themen/buergerrechte-demokratie.html finden Sie außerdem aktuelle Informationen zu den Themen Demokratie und Bürgerrechte.
Mit freundlichen Grüßen,
Manuel Sarrazin