Frage an Manuel Sarrazin von Johann E. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Sarrazin,
ich habe einige Fragen an Sie, die einerseits Ihren Werdegang betreffen, andererseits im Zusammenhang mit der EFSF-Abstimmung vom 29.09.2011 im Bundestag stehen. Die beiden Fragen haben zwar nichts miteinander zu tun, ich stelle sie aber aus Effizienzgründen trotzdem zusammen.
Wie ich aus Ihrem Lebenslauf entnehmen konnte, haben Sie Geschichte, Polonistik ("die wissenschaftliche Beschäftigung mit der polnischen Sprache und polnischen Literatur") und Rechtswissenschaften studiert. Ich gehe einmal davon aus, dass Sie mindestens eines der Studiengebiete mit einem Abschluss beendet haben. Leider ist dazu in Ihrem Lebenslauf nichts vermerkt.
Aus diesem Lebenslauf geht aber hervor, dass Sie seit langem politisch engagiert sind und das offensichtlich hauptberuflich betreiben. Eine andere berufliche Tätigkeit ist jedenfalls nicht aufgeführt.
Könnte man Sie als Berufspolitiker bezeichnen? Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt nach Beendigung des Studiums 2005 bis zur Wahl in den Bundestag 2008 bestritten? Bezogen Sie Arbeitslosengeld II ?
Zur zweiten Frage: Ich habe Ihre Rede vom 21.09.2011 zur "Aktuellen Stunde: Geordnete Insolvenz" mitverfolgt. Ich habe verstanden, dass die Rot/Grüne Regierung mit "den Franzosen" 2004 Änderungen am Stabilitäts- und Wachstumspakt durchgeführt hat. Die aktuelle Regierung hat diese Änderungen, nach Ihrer Aussage, nicht rückgängig gemacht, weil "sie sinnvoll" sind. Können Sie mir die Änderungen, die 2004 gemacht wurden erläutern, und erklären, warum sie auch heute noch sinnvoll sind?
Also welche Änderungen wurden damals gemacht und warum sind diese in der heutigen Situation (mit ESFS und ESM) auch jetzt noch sinnvoll?
Vielen Dank im vorraus für Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
Johann Erler
Sehr geehrter Herr Erler,
tatsächlich studiere ich seit dem Jahr 2002 und bin auch heute noch aktiver Student.
Zu ihrer zweiten Frage: Der Kern der Auseinandersetzung galt der Frage, ob die starren Regelungen des alten Stabilitätspakts wirtschaftliche Entwicklung und notwendige Strukturreformen in Krisenzeiten hemmen. Deutschland war in den Jahren 2002 bis 2004 von einem deutlichen Einbruch der Konjunktur betroffen. Rot-Grün stand dem zunächst machtlos gegenüber, da die Eichelsche Sparschweinpolitik kontraktiv auf die Konjunktur wirkte. Dies führte schließlich zu dem "Bonmot" Schröders "Hans, lass mal gut sein.". Rot-Grün begann mit dem Umbau des Sozialstaats und entwickelte die Agenda 2010. Mit dieser waren jedoch erhebliche Einführungskosten verbunden. Systemwechsel kosten Geld. Die starren Regelungen zum Stabilitätspakt ließen solcherart Umsteuerung nicht zu. Daher plädierte Deutschland zusammen mit Frankreich für eine Ausnahme von diesen strengen Regelungen, wenn die Ausweitung des Defizits durch Strukturveränderungen entsteht, die dazu geeignet sind, mittelfristig einen stabileren Wachstumspfad und solidere Staatsfinanzen zu gewährleisten.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen hinreichend beantworten.
Mit freundlichen Grüßen,
Manuel Sarrazin