Frage an Manuel Sarrazin von Ingo E. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Manuel Sarrazin,
gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie sich bei Fragen und Entscheidungen über den sog. Euro-Rettungsschirm, der ja faktisch (das wissen wir alle!) eine indirekte Zusage aller Steuerzahler der EU zur finanziellen "Hilfe", d.h. Re-finanzierung der meisten europäischen Banken, ist, dafür einsetzen, dass eben diese Zusage umgehend gestoppt wird ? Und das Sie bei zukünftigen Abstimmungen mit "Nein" stimmen werden ? Und gehe ich weiter richtig in der Annahme, dass Sie sich getreu Ihrem geleisteten Eid und Ihrer Aufgabe als Mandatsträger dafür einsetzen und zukünftig einsetzen werden, dass zum Wohle der überwiegend Abgaben leistenden Bürger unseren Landes diese von weiteren finanziellen Belastungen auf Dauer verschont werden ?
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Evard
Sehr geehrter Herr Evard,
vielen Dank für Ihre Frage. Der Bundestag wird sich im Herbst bei drei Entscheidungen in Bezug auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus positionieren müssen:
1) Die Ratifizierung der Änderung des Vertrags von Lissabon (Art. 136 Abs.3 AEUV) nach §2 Integrationsverantwortungsgesetz. Mit dieser Vertragsänderung werden die Euro-Staaten ermächtigt, einen Stabilitätsmechanismus für den Euro einzurichten.
2) Die Ratifizierung des Völkerrechtlichen Vertrags nach Art. 59 (2) GG. Dieser Vertrag regelt die Funktions- und Arbeitsweise der künftigen Euro-Rettungsschirm.
3) Das sog. „ESM-Gesetz“, welches die Beteiligungs- und Informationsrechte des Deutschen Bundestages in Bezug auf die Verfahren des ESM regeln wird.
Der Euro ist ein täglich sichtbares Zeichen der erfolgreichen europäischen Integration. Der Euro hat Deutschland im Binnenmarkt Wechselkurs- und Geldwertstabilität gebracht. Unzählige Arbeitsplätzen hängen in Deutschland vom Binnenmarkt ab. Um den Euro zu bewahren, brauchen wir den Europäischen Stabilitätsmechanismus. Mit ihm kann Euro-Staaten geholfen werden, die sich in einer Notlage befinden und am Markt keine bezahlbaren Kredite mehr bekommen. Gäbe es keinen Rettungsmechanismus, kann die Notlage eines Mitgliedstaates schnell zu einer Notlage der gesamten EU führen. Ein Auseinanderbrechen des Euro oder der Austritt mehrerer Staaten aus der Euro-Zone wäre wirtschaftlich und politisch für diese und insbesondere für Deutschland ein Desaster. In Zeiten der globalen Fragen und Krisen brauchen wir mehr EU, eine stärkere EU, die wir gemäß dem Green New Deal ausrichten wollen. Mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus müssen wir den Euro schützen.
Wie bereits beim derzeitigen Rettungsschirm (EFSF) der Fall, muss der Bundestag auch beim künftigen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Höhe und Art der zu übernehmenden Gewährleistungen durch Deutschland per Gesetz festlegen. Nur so ist der ESM kein „Fass ohne Boden“ und das Parlament bewahrt sich sein Haushaltrecht. Außerdem ist der Bundestag vor jeder Aktivierung, also der Übernahme von Kreditgarantien zu beteiligen und umfassend über die Aktivitäten des ESM zu unterrichten. Gleichzeitig bleibt zu beachten, dass der ESM funktionsfähig und glaubwürdig sein muss.
Der Europäische Stabilitätsmechanismus allein reicht aber nicht aus. Wir brauchen eine europäische Wirtschaftspolitik, die gemeinschaftlich organisiert ist und den Parlamenten eine starke Rolle zumisst. Wir brauchen einen intelligenten Stabilitäts- und Wachstumspakt und eine makroökonomische Überwachung, die Ungleichgewichte angeht und sowohl Defizit-Länder, aber auch die Überschussländer wie Deutschland zur Korrektur ihrer Wirtschaftspolitik verpflichtet. Eine nachhaltige europäische Wachstumsplanung muss endlich durchgesetzt werden. Die Ziele der EU 2020-Strategie sind der Anfang: höhere Investitionen in erneuerbare Energien, Klimaschutz, Bildung, Armutsbekämpfung und Forschung. Das Europäische Semester könnte den Rahmen für eine starke Koordinierung der nationalen Haushalts- und Wirtschaftspolitiken bilden.
Die grüne Bundestagsfraktion hat sich dafür eingesetzt.
Sehr gerne informieren wir sie im Herbst über die aktuellen Entwicklungen und die anstehenden Entscheidungsprozesse in unserer Fraktion und dem Deutschen Bundestag.
Mit freundlichen Grüßen,
Manuel Sarrazin