Manuel Höferlin
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FDP
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Frage von Alfons S. •

Frage an Manuel Höferlin von Alfons S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Höferlin,

bei der Bundestagswahl 2009 entfielen 2.606.902 Zweitstimmen (= 6,0 %) auf Parteien, die wegen der 5 %-Klausel keinen Sitz im Bundestag erhalten haben. Bei der Bundestagswahl 2005 waren es 1.857.610 Zweitstimmen (= 3,9 %). Bei der Europawahl 2009 entfielen sogar 2.840.893 Stimmen (= 10,78 %) auf Parteien, die 5 % nicht erreichten und deshalb bei der Sitzverteilung nicht berücksichtigt wurden.

Die 5 %-Klausel verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz. Sie wird aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für zulässig gehalten, um die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu sichern. Eine Zersplitterung der politischen Kräfte soll vermieden werden. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 29.09.1990 (BVerfGE 82,322) ausgeführt, dass auf besondere Umstände Rücksicht zu nehmen ist. Im Übrigen hat der Gesetzgeber einen Ermessensspielraum. Für einen Wähler ist es äußerst enttäuschend, wenn er eine gültige Stimme abgegeben hat und er sich von Abgeordneten vertreten lassen muss, die er absichtlich nicht gewählt hat.

Die Grenze von 5 % ist willkürlich. Gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, dass die Weimarer Republik nicht gescheitert wäre, wenn es diese Grenze gegeben hätte? Was halten Sie davon, die Grenze abzusenken auf 0,5 %, wie sie für die staatlichen Leistungen bei Bundestags- und Europawahlen gilt und dafür die Zulassungsvoraussetzungen für einen Wahlvorschlag leicht zu erhöhen? Seit dem Ende der Nazi-Diktatur dürfte sich die politische Bildung der Bürger stark verbessert haben oder welche Meinung haben Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen

Alfons Schwarzenböck

Manuel Höferlin
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schwarzenböck,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 05.02.2011.

Der Bundestag als demokratisch gewählte Volksvertretung setzt sich nach dem Grundsatz der Pluralität möglichst gemäß dem Rückhalt gesellschaftlicher Strömungen in der Bevölkerung zusammen. Auch die FDP unterstützt den freien Austausch von Meinungen und die Repräsentation der Meinungen im Parlament. Eine Hürde wie die Fünf-Prozent-Klausel stellt zweifellos eine rechtfertigungsbedürftige Einschränkung dieser Partizipationsmöglichkeiten dar.

Sie ist nicht etwa dadurch zu rechtfertigen, dass damit Randgruppierungen oder extremistische, aber nicht durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungsfeindlich erklärte Parteien ausgeschlossen werden sollen. Im Gegenteil: Der Rechtstaat muss sich auch Randmeinungen gegenüber behaupten. Natürlich kann das Scheitern der Weimarer Republik nicht monokausal auf das Fehlen einer derartigen Hürde zurückgeführt werden, aber die historischen Ereignisse wirken heute noch nach. Doch das ist nur ein Pfeiler bei der Argumentation für die 5%-Hürde, denn weit wichtiger ist das Argument der Machbarkeitserwägungen.

Für zahlreiche parlamentarische Mitwirkungshandlungen wird das Quorum von 5 v.H. der Abgeordneten benötigt. Würden diese Quoren beibehalten, so wären auch nach ihrem Einzug in den Bundestag kleine Parteien faktisch in ihrer Mitarbeit sehr stark eingeschränkt, da sie in diesen Entscheidungsprozessen schwer eine Mehrheit erwirken könnten. Eine Aufweichung dieses Kriteriums aber ließe befürchten, dass die parlamentarische Arbeit durch eine Vielzahl von Eingaben praktisch zum Stillstand käme oder stark verlangsamt würde.

Auch die Zusammensetzung von Ausschüssen und Gremien erfolgt gemäß dem „Prinzip der Spiegelbildlichkeit“ nach den Stärken der Fraktionen. In solchen Gremien wären kleine Fraktionen dann entweder gar nicht vertreten, oder aber stark überrepräsentiert, wobei jedenfalls eine Aufnahme mit Stimmrecht verfassungsrechtlich bedenklich erscheint, wie auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung BVerfGE 80, 188 (Rechtsstellung Fraktionsloser Abgeordneter des Bundestags) klärte.
Demokratische Parlamentsarbeit ist, auch das ist zu berücksichtigen, nicht auf das Gegeneinander der Parteien, sondern auch auf ihre Kompromissfähigkeit und den Dialog der Meinungen gerichtet. Allein praktisch wäre aber der Austausch und die Kompromissbildung zwischen einer stark erhöhten Zahl parlamentarischer Gruppierungen (bei der Bundestagswahl 2009 etwa hätten bei einer Absenkung der Hürde auf 0,5% neun Parteien den Einzug in den Bundestag geschafft, einige weitere wären nur knapp gescheitert) kaum zu bewerkstelligen.

Staatliche Leistungen im Sinne der Parteienfinanzierung werden dagegen schon bei einem viel geringeren Mindestmaß an Unterstützung durch die Bevölkerung gewährt. Dadurch wird die Möglichkeit zur Öffentlichkeitsarbeit der noch nicht breit etablierten gesellschaftlichen Strömungen gesichert.

Auch die FDP setzt sich, aktuell etwa in ihren Bestrebungen um eine sachgerechte Reform des Wahlrechts, für die Stärkung der Legitimation des Parlaments ein. Eine Absenkung der Fünf-Prozent-Klausel in dem von Ihnen vorgeschlagenen Maße halten wir jedoch nicht für gangbar.

Herzliche Grüße,
Manuel Höferlin MdB

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