Frage an Manfred Weretecki von Tristan H. bezüglich Wirtschaft
Verstehe ich Sie da richtig, dass sie eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik vertreten, die nach meinem Wissen bisher in keinem Land auch nur ansatzweise einen langfristigen Erfolg brachte? Rückblickend waren es doch nur die Amerikaner, die durch eine strikte angebotsorientierte Wirtschaftspolitik unter Clinton erstmals Schulden tilgen konnten.
Ich muss Ihnen leider völlig widersprechen im Punkt der Neuverschuldung. Es ist absolut nicht legitim sich zu Verschulden um eine kurzfristige wirtschaftliche Belebung zu forcieren, dieser Theoretische Ansatz funktioniert leider nur bei noch nicht verschuldeten Nationen. Schon damals wurden durch diese Art der Politik soziale Zugeständnisse gemacht, die zum damaligen Zeitpunkt völlig unfinanzierbar waren, hier wurde mit dem Geld der Kinder geplant und genau vor diesem Problem stehen wir heute. Ich brauche Ihnen wohl nicht vorrechen, wo die kommende Generation stehen wird, zumal ein Wirtschaftswunder, wie in der Vergangenheit, eine utopische Annahme wäre.
Sie propagieren die Arbeitslosigkeit als größtes gesellschaftliches Problem, diese Einschätzung teile ich so nicht uneingeschränkt. Das größte Problem des Landes wäre eine Aufkündigung der Staatsdarlehn. Dieses Szenario scheint zum heutigen Zeitpunkt zwar absurd, aber Schulden sind keineswegs virtuelle Werte, die sowieso nie zum Tragen kommen. Schon heute hätten wir ohne die Zinsbelastung einen Überschuss im Haushalt. Bei Ihrem Wahlprogramm rechne ich eher mit einer Verdopplung der Staatsschulden, als mit einer drastischen Verbesserung am Arbeitsmarkt.
Zudem ist eine Partei, die keine Regierungsambitionen vertritt und lieber Reden, als Handeln will, keine wählbare Alternative in der momentanen schwierigen Situation.
Ich würde mich freuen, wenn Sie zu meinen Bedenken Antworten würden.
Sehr geehrter Herr Holl
Zu Recht stellen Sie fest, dass die Arbeitslosigkeit das größte Problem ist. Eine der Ursachen der Arbeitslosigkeit ist die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik mit ihrer massiven Umverteilung von unten nach Oben. Hartz iV, die Steuerpolitik zu Gunsten der Vermögenden und Konzerne, die Reallohnverluste der letzten Jahre haben nicht nur die Armut vergrößert, sie sind auch wirtschaftspolitisch ein Desaster, weil sie die Binnennachfrage zerstört und die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen massiv reduziert haben, so dass das Geld für öffentliche Investitionen fehlt.
Deutschland ist Exportweltmeister, aber trägt die rote Laterne in der wirtschaftlichen Entwicklung Europas. Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik hat von Kohl angefangen bis hin zu Rot Grün versagt. Im wesentlichen brauchen wir daher Reformen, die die Binnennachfrage stärken und die Investitionskraft der öffentlichen Hand erhöhen. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte ist Ergebnis der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik. Wir setzen nicht auf langfristige Verschuldung, sondern eine Steuerpolitik, die die Haushalte langfristig konsolidiert. Nur kurzfristig soll daher Verschuldung als Anschub dienen, die dann aber bei wirtschaftlicher Erholung wieder abgebaut werden muss.
Tatsächlich haben Schweden und die anderen skandinavischen Länder einen konträren Weg eingeschlagen. Sie haben insbesondere durch den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge mit sozial geschützten Arbeitsverhältnissen einen nachfrageorientierten Weg eingeschlagen, sich nicht der Umverteilung zu Gunsten der Vermögenden und Konzerne angeschlossen und in Bildung und Wissenschaft investiert.
Sie haben damit nachweisbar in OECD Statistiken die niedrigsten Arbeitslosenquoten und trotzdem erfolgreich am globalen Wettbewerb teilgenommen.
Mit freundlichem Gruß Manfred Weretecki