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Mahmut Özdemir
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Frage von Marvin S. •

Frage an Mahmut Özdemir von Marvin S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Ich habe eine Frage, sind Sie für die Vorratsdatenspeicherung? Wenn ja würde ich gerne wissen aus welchen Gründen.

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Sehr geehrter Herr Schmidt,

für Ihre Zuschrift zum Thema Vorratsdatenspeicherung möchte ich Ihnen herzlich danken und diese wie folgt beantworten:

Dem ersten Vorstoß für eine Vorratsdatenspeicherung durch eine EU-Richtlinie und ein entsprechendes deutsches Gesetz erteilten das Bundesverfassungsgericht 2010 und der Europäische Gerichtshof 2014 eine klare Absage: Die Ausgestaltung der Speicherung genüge in vollem Umfang nicht den Maßstäben der deutschen und europäischen Grundrechte. Diese beiden Grundsatzurteile zum Grundrecht auf Datenschutz haben den Gesetzgebungsspielraum maßgeblich eingeschränkt. In der nachfolgenden juristischen Diskussion hat sich die Frage gestellt, ob man die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die anlasslose Speicherung überhaupt ausräumen kann oder die Speicherung auf Vorrat per se grundrechtswidrig ist.

Trotz dieser Bedenken und Schwierigkeiten möchte die Bundesregierung einen nationalen Alleingang zur Speicherung von Telekommunikationsdaten wagen. Sie fragen mit Recht: Warum?

Mit Blick auf die Terroranschläge in Paris, aber auch Madrid und London müssen wir bedenken, dass es weiterhin unsere Aufgabe ist, eine Antwort auf die drängenden Fragen der inneren Sicherheit im digitalen Zeitalter zu finden. Indes halten viele die innere Sicherheit für ein "Totschlagargument", das immer dann herzuhalten hat, wenn die Freiheit beschränkt werden soll. Dies ist meines Erachtens aber ein Missverständnis. Denn die Freiheit wird durch die Sicherheit bedingt und kann erst gewährleistet werden, wenn wir adäquate Maßnahmen eingerichtet haben, die es uns erlauben, Verbrechen im Vorbereitungsstadium aufzudecken, zu unterbinden und somit abzuschrecken. Gerade deshalb ist die VDS ein Instrument unter vielen, das rechtsstaatlich verantwortet werden kann.

Aus diesem Grunde halte ich die vom Bundesjustizministerium vorgelegten Eckpunkte für ein neues Gesetz zur Speicherung von Telekommunikationsdaten für einen gelungenen Drahtseilakt, der die Notwendigkeit der Verbrechensbekämpfung mit den hohen Datenschutzstandards in der EU und Deutschland in Einklang bringen kann und gerade dadurch aufzeigt, dass Freiheit und Sicherheit widerstreitenden, sich ausschließenden sind. Das Grundkonzept kombiniert zeitlich und inhaltlich eng beschränkte Speicherfristen mit sehr strengen Abrufregelungen.

Gespeichert werden sollen demnach nur wenige, im Telekommunikationsgesetz konkret zu bezeichnende Verkehrsdaten wie Rufnummern, Zeitpunkt und Dauer eines Anrufs, bei Mobilfunk die Standortdaten sowie die IP-Adressen. Nicht gespeichert werden sollen hingegen jegliche Kommunikationsinhalte und auch keine aufgerufenen Internetseiten. Darüber hinaus sind sämtliche Daten von E-Mail-Diensten von der Speicherung ausgenommen.

Für Standortdaten, die besonders sensible Daten darstellen, gilt eine kurze Speicherdauer von vier Wochen, für die restlichen Verkehrsdaten zweieinhalb Monate. Die Telekommunikationsanbieter werden zur regelmäßigen ausnahmslosen Löschung verpflichtet - unter Bußgeldandrohung, falls sie dieser Pflicht nicht nachkommen. Zudem wird es verboten sein, mit Hilfe der erhobenen Daten Persönlichkeits- und Bewegungsprofile anzulegen.

Der Abruf der Daten soll nur in Verbindung mit einem engen Straftatenkatalog und unter strengem Richtervorbehalt sowie weiterer enger Voraussetzungen möglich sein.

So hieß es auch schon im Koalitionsvertrag 2013: "Zugriff auf die gespeicherten Daten [wird] nur bei schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und Leben erfolgen."

Angesichts dieser wirklich engen Rahmenbedingungen kann meines Erachtens von einem Generalverdacht gegen die Bürgerinnen und Bürger keine Rede sein. Der Abruf der Daten wird nicht erfolgen können, ohne dass sich ein konkreter Tatverdacht in substanzieller Weise erhärtet hat. Mit der engmaschigen Ausgestaltung der Speicherung macht das Bundesjustizministerium zudem gerade ihr Anliegen deutlich, kein generalklauselartiges Gesetz zu schaffen, denn diesem hat die Rechtsprechung eine Absage erteilt. Die Eckpunkte des Bundesjustizministeriums zeugen hingegen von gesetzgeberischem Augenmaß und einer guten Verhältnismäßigkeit als Ergebnis einer ausführlichen Interessenabwägung.

Letztlich kann eine finale Stellungnahme nur erfolgen, wenn der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorliegt. Diesen werde ich diesen mit derselben kritischen Sorgfalt prüfen, die ich bei allen Gesetzesvorhaben anlege und meiner eigenen Einschätzung unter Berücksichtigung der Diskussion in der Partei und meinem Wahlkreis entsprechend abstimmen.

Mit freundlichen Grüßen,
Mahmut Özdemir, MdB

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