Frage an Maaret Westphely von Marco N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie stehen Sie zum CETA, TTIP, TISA u.ä. Abkommen?
Insbesondere interessieren mich die folgenden Gesichtspunkte:
- Diese Abkommen werden geheim verhandelt. Dies untergräbt bereits die Möglichkeit der Meinungsbildung und damit letztlich die Handlungsfähigkeit in einer Demokratie. Sollten solche Geheimverhandlungen (insofern sie nicht kritische Bereiche wie Militär o.ä. betreffen) nicht allein aus diesem Grund unterbunden werden?
- In diesen Abkommen (über die ich eigentlich nichts wissen sollte) sind einige Punkte die Säulen unseres Rechtsstaates angreifen. Der Investitionsschutz könnte ja auch dazu benutzt werden gegen ein Gesetz das Fracking verbietet vorzugehen. Oder gegen jedes andere Gesetz, welches den Umweltschutz erhöhen oder die Gesundheit der Verbraucher schützen soll. Gegen diese Gesetze sollen die Unternehmen bei einem Schiedsgericht vorgehen können. Dies ist nicht Teil der Executive, Legislative oder Judikative. Sollte nicht jeder Versuch den Rechtsstaat auszuhöhlen unterbunden werden?
Sehr geehrter Herr Nowara,
Sie sprechen mit Ihren Fragen ganz zentrale Kritikpunkte der geplanten Abkommen an, die wir GRÜNE auch in Niedersachsen so einschätzen. Deshalb haben wir uns im Landtag entsprechend eingebracht und unterstützen im Übrigen den diesbezüglichen Beschluss des Deutschen Städtetages.
Grundsätzlich gilt für mich: Freihandel ja - aber nicht auf Kosten von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Denn freier Handel ist nicht per se schlecht - er kann einen Beitrag zur Völkerverständigung, zu Ausgleich und Frieden leisten. Er muss aber, wie Sie bereits anmerkten, grundsätzlich transparent sowie demokratisch und rechtsstaatlich legitimiert sein!
Die positiven Effekte von Handel stehen seit der intensiven und kritischen Diskussion über die drei Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA allerdings deutlich im Hintergrund - dabei ist auch der Binnenmarkt der Europäischen Union eine Freihandelszone. Hier lassen sich auch die positiven Auswirkungen einer nicht gänzlich anderen Freihandelszone am eigenen Alltag gut festmachen - so viel Gemeinsamkeit und Frieden wie heute gab es in Europa seit Jahrhunderten nicht!
Hauptsächlich geht es uns und Ihnen aktuell um die begründeten Sorgen, dass durch diese Freihandelsabkommen einseitig Unternehmensinteressen gestärkt, demokratisch legitimierte Regulierungsmöglichkeiten eingeschränkt und soziale, ökologische sowie Verbraucherstandards abgesenkt werden könnten.
Der Widerstand gegen CETA (Abkommen zwischen der EU und Kanada) und TTIP (EU/USA) fokussiert sich auf die sogenannten Investor-Staats-Schiedsverfahren (ISDS). Ausländische Unternehmen können so die ordentliche Gerichtsbarkeit umgehen und Änderungen demokratisch legitimierter Entscheidungen erzwingen oder vom Staat „Entschädigungszahlungen“ für entgangene, zukünftige Gewinne einklagen. Diese privaten Schiedsgerichte sind höchst intransparent, nicht am Gemeinwohl orientiert und eine Berufung ist nicht möglich.
Bereits seit Ende der 50er Jahre finden sich allerdings ähnliche Regelungen in über 130 von Deutschland abgeschlossenen Investitionsschutzabkommen. Ursprünglich ist es aber darum gegangen, Firmen in Ländern ohne rechtsstaatliche Prinzipien zu schützen. Heute scheint sich aber auch die Auslegung der Regeln zu ändern: Nur so ist zu erklären, dass in den letzten Jahrzehnten sowohl Anzahl als auch Klagesummen sprunghaft angestiegen sind. Der bekannteste Fall ist die Klage von Vattenfall auf Grundlage der europäischen Energiecharta gegen den Atomausstieg - Streitwert 4,7 Milliarden Euro. Auch die Klage von Veolia gegen Ägypten, weil dort der Mindestlohn (auf ca. 72 Euro im Monat) angehoben wurde, sorgte für Aufsehen. Da die Beteiligten bei CETA und TTIP demokratische Rechtsstaaten sind, wird die Anfangs genannte Berechtigung für private Schiedsverfahren völlig ad absurdum geführt!
Darum bin ich froh, dass es die Europäische Bürgerinitiative samt des durchgeführten Aktionstages „TTIP und CETA stoppen!“ gibt. Nachdem die EU-Kommission die Bürgerinitiative nicht zugelassen hat, entschied sich das Bündnis „Stop TTIP“ (aus fast 300 Organisationen), eigenständig Unterschriften zu sammeln und Klage gegen die Nicht-Zulassung einzureichen. Auch die Grünen in der Region Hannover haben den europaweiten Aktionstag vor Ort unterstützt. Inzwischen sind deutlich über 1 Millionen Stimmen gesammelt - ein großartiger Erfolg in so kurzer Zeit!
Trotz breiter Unterstützung werden wir weiter vehement gegen eine Aushöhlung unserer Ziele, wie solidarisches Wirtschaften, den Schutz kleinbäuerlicher und gemeinwohlorientierter Landwirtschaft, wirksamer Verbraucher-, Daten- und Rechtsschutz und öffentliche Daseinsvorsorge, angehen. Stimmen doch auch Sie unter www.stop-ttip.org ab!
Mit freundlichen Grüßen,
Maaret Westphely