Frage an Lukrezia Luise Jochimsen von Gebhard B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Jochimson,
Ihre pauschale Antwort, daß Sie den Text aller Strophen des Deutschlandliedes für fragwürdig halten, möchte ich hinterfragen. Können Sie diese Aussage bitte präzisieren, vor allem im Hinblick darauf, was Sie an den Strophen für fragwürdig halten.
Die Hymne ist eines der wichtigen und verbindenden Symbole einer Nation. Durch welchen Text, welche Melodie würden Sie denn das Lied der Deutschen ersetzt wissen wollen ?
Mit freundlichen Grüßen
v. Blücher
Sehr geehrter Herr von Blücher,
gerne vertiefe ich die Argumente und verweise auf die Neujahrsansprache des Bundespräsidenten Theodor Heuss vom 31. Dezember 1950. Er stellte eine neue Nationalhymne vor, die von meiner ganzen Familie, auch meiner Schulklasse, als wichtig und richtig betrachtet wurde..
"Ich glaube, selbst bei Leuten, denen meine Art fremd ist, nicht im Verdacht zu stehen, den Sinn geschichtlicher Zusammenhänge zu mißachten; ich lebe selber aus ihren Werten. Aber das ungeheure Schicksal, das die staatlichen Zusammenhänge zerschlug, die volklichen verwirrte, schuf einen Geschichtseinschnitt, der mit dem alten Sinn- und Wort-Vorrat nicht mehr umfaßt werden kann. Darüber sprach ich vor Monaten mit dem verehrungswürdigen Dichter Rudolf Alexander Schröder, und er begriff, was mich bewegte:
Ich will ganz einfach vorlesen, was das Echo dieses freundschaftlichen Männergespräches war:
Land des Glaubens, deutsches Land,
Land der Väter und der Erben,
uns im Leben und im Sterben
Haus und Herberg, Trost und Pfand,
sei den Toten zum Gedächtnis,
den Lebend´gen zum Vermächtnis,
freudig vor der Welt bekannt,
Land des Glaubens, deutsches Land
Land der Hoffnung, Heimatland,
ob die Wetter, ob die Wogen
über dich hinweggezogen,
ob die Feuer dich verbrannt,
du hast Hände, die da bauen,
du hast Herzen, die vertrauen,
Lieb und Treue halten stand,
Land der Hoffnung, Heimatland!
Land der Liebe, Vaterland,
heil´ger Grund, auf den sich gründet,
/was in Lieb und Leid verbündet
Herz mit Herzen, Hand mit Hand.
Frei, wie wir dir angehören
und uns dir zu eigen schwören,
schling um uns dein Friedensband,
Land der Liebe, Vaterland!
Die Strophen haben die Menschen, die sie kennen lernten, tief bewegt. Hermann Reutter schuf ihnen die Töne: als wir einen Knabenchor baten, uns das Lied vorzusingen, hat es alle gepackt, auch die Zögernden. Wer am Radio sitzt, wird es nachher hören, kunstvoller, wie man es eben am Radio gewöhnt ist. Indem ich das Lied als Ausklang dieser Ansprache wählte, habe ich nicht einfach die neue Nationalhymne als Amtsvorgang "dekretiert". Aber ich hoffe, daß Hunderttausende, daß Millionen spüren: hier haben die Empfindungen und Erfahrungen unseres Geschlechts eine symbolkräftige Form gefunden, unseres Geschlechts, das dem Gewesenen die erinnerungsstarke Ehrfurcht nicht versagt, aber die glaubende Hoffnung der einenden Liebe zum Vaterlande schenkt.
Wort und Ton sollen und wollen, sie werden Besitz und Bekenntnis der Nation werden!
Und auch dies mag gelten, daß der verpflichtende Sinn von Schröders letzten Zeilen, da das freie Menschentum seinen Lebenswert im Frieden bestätigt findet, in die Seelen klinge:
Frei, wie wir dir angehören
und uns dir zu eigen schwören,
schling um uns dein Friedensband,
Land der Liebe, Vaterland!"
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Lukrezia Jochimsen