Frage an Lothar Riebsamen von Annette Schuster-Abd el B. bezüglich Familie
Mich würde interessieren, wie Sie sich persönlich für Familien stark machen, wie Sie die unwiderrufliche Gewähltheit/Immunität des ESM Schirms einschliesslich Haftung hierfür für Deutschland und weitere Verschuldungen gegenüber den folgenden Generationen rechtfertigen und wie Sie es mit der Mindestlohngrenze halten.Danke.
MFG
Annette Schuster Abd el Bary
Sehr geehrte Frau Schuster Abd el Bary,
ich danke Ihnen zunächst für Ihre Nachricht, in der Sie mich bitten mich zur Familienpolitik, zur Eurorettungspolitik und den Mindestlohn zu äußern.
Die seit 2010 anhaltende Krise ist in Ländern wie Griechenland, Spanien und Portugal eine Folge von (Staats- und Demokratie)versagen, verfehlter Wirtschaftspolitik und unzureichender Finanzmarktaufsicht zum einen sowie zum anderen der weltweiten Finanzmarktkrise, die sich nach der geplatzten Immobilienblase in den USA auch auf Europa ausgeweitet hat. Die Rettungspakete und die damit verbundenen Reformauflagen sind daher auch eine Chance für diese Staaten, da sie Korrekturen in den dortigen Finanzsektoren und Staatshaushalten erfordern und zu Verbesserungen der Strukturen auf dem Arbeitsmarkt und im öffentlichen Sektor führen. Die Länder der Euro-Zone werden durch die getroffenen Maßnahmen der Euro-Rettungspolitik gestärkt aus der Krise hervorgehen können.
Als Teil des Euro-Rettungsschirmes löste der ESM den provisorischen vorläufigen Stabilisierungsmechanismus EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) ab. Der ESM ist eine in Luxemburg ansässige, internationale Finanzinstitution der teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten. Ziel ist die Etablierung eines dauerhaften Mechanismus für Krisenfälle. Direktor ist derzeit der deutsche Volkswirt Klaus Regling.
Die Aufgabe des ESM ist es, überschuldeten Staaten finanziell unter die Arme zu greifen, indem sie Notfallkredite zu subventionierten Konditionen sowie Haftungsgarantien der Gemeinschaft der Euro-Staaten erhalten. Im Gegenzug müssen die Staaten, die durch den ESM unterstützt werden, wirtschaftspolitische Vorgaben erfüllen. Darunter fallen notwendige strukturelle Reformen, die auf die Probleme des jeweiligen Landes zugeschnitten sind und die die langfristige Schuldentragfähigkeit wiederherstellen. Dadurch können Spekulationen auf einen Staatsbankrott eingedämmt werden. Die Reformen werden die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und so langfristiges Wachstum und Arbeitsmärkte schaffen. Begründet wurde der ESM durch einen völkerrechtlichen Vertag der 17 Mitglieder der Euro-Zone im Januar 2012. Alle Unterzeichnerstaaten haben den Vertrag in ihren nationalen Parlamenten ratifiziert. Des Weiteren verabschiedeten die beteiligten Staaten eine gemeinsame interpretative Erklärung bezüglich einiger Artikel des Vertrags, um die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Auflagen völkerrechtlich sicherzustellen. Der ESM trat schließlich im September 2012 in Kraft.
Zur Sicherstellung der Finanzhilfekapazität des ESM wird dieser über ein Stammkapital von 700 Milliarden Euro verfügen. Dieses gezeichnete Stammkapital teilt sich auf in 80 Milliarden Euro einzuzahlendes Kapital, das gewissermaßen als Sicherungsreserve vorhanden sein muss, und weitere 620 Milliarden Euro abrufbares Kapital. Die Mitgliedstaaten finanzieren den ESM gemäß ihren Anteil an der EZB, wobei für neue Mitgliedstaaten zum Teil Übergangsvorschriften bestehen. Auf Deutschland entfällt ein Finanzierungsanteil von 27,15 % (EUR 22 Mrd. eingezahltes Kapital, EUR 168 Mrd. abrufbares Kapital). Im Gegensatz zum temporären Rettungsschirm EFSF stellt Deutschland für die Finanzierungsgeschäfte des ESM keine Gewährleistungen in Form von Garantien mehr zur Verfügung. Eine Zuordnung des Haftungsanteils Deutschlands an einzelnen Programmen erfolgt daher nicht mehr. Das maximale Haftungsrisiko Deutschlands beim ESM ist unter allen Umständen auf das in Anhang II des ESM-Vertrages genannte Kapital von insgesamt EUR 190 Mrd. Euro beschränkt.
Der ESM kann als eine Art "Vorläufer eines Europäischer Währungsfonds" gesehen werden. Er darf nur dann in Anspruch genommen werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Finanzstabilität der Euro-Zone unentbehrlich ist. Der ESM ist als Stabilitäts- und Schutzmechanismus für die gesamte Währungsgemeinschaft angelegt.
Im folgenden möchte ich auf die Familienpolitik der Union eingehen. CDU und CSU wollen Familien ermöglichen, so zu leben, wie sie leben wollen. Wir schreiben kein Familienmodell vor. CDU und CSU sehen einen ausgewogenen Maßnahmenmix aus Geld, Zeit und Infrastruktur als den richtigen Weg an, Familien zu unterstützen. Neben der bestehenden finanziellen Förderung sowie den steuerlichen Erleichterungen für Familien mit Kindern benötigen wir eine familienfreundliche Zeitpolitik, die Auszeiten zur Kindererziehung und zur Pflege von Angehörigen berücksichtigt. Wir wollen eine familiengerechte Arbeitswelt, keine an die Arbeitswelt angepassten Familien. Wir stehen daher weiter für den Ausbau von Kinderbetreuung über den vorschulischen Bereich hinaus bis zum 12. Lebensjahr im Rahmen von Ganztagsschulen. Wir fördern und unterstützen die Einrichtungen von Betriebs-Kitas sowie 24h-Kitas, die Eltern mit wechselnden Arbeitszeiten die Berufstätigkeit erleichtern. Auch arbeiten wir für die Verlängerung der Betreuungszeiten an den Tagesrandstunden.
Im Bereich der Kinderarmut verfolgen wir folgenden Lösungsansatz. Wir können Kinder dann am besten aus Armut herausholen, wenn wir ihre Eltern in Arbeit bringen. CDU und CSU setzen sich für eine gute Vereinbarkeit von Familie ein, indem wir die Kinderbetreuung weiter ausbauen (24h-Kitas, Betriebs-Kitas), flexible Arbeits- und Teilzeitmodelle befördern (u.a. vollzeitnahe Teilzeit) und den Wiedereinstieg nach einer familienbedingten Pause erleichtern.
Mit dem Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung (BEA) sowie den zusätzlichen Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket garantieren wir Bildung und Teilhabe für jedes Kind.
Die Einführung eines Mindestlohns wird in Deutschland derzeit heftig diskutiert. Meine Partei und ich vertreten hier eine klare Position. Wer hart arbeitet, muss ordentlich bezahlt werden. Deshalb haben CDU und CSU mit den Tarifpartnern Mindestlöhne in zahlreichen Branchen mit insgesamt vier Millionen Beschäftigten geschaffen und wollen für die Bereiche, in denen es keine Tarifverträge gibt, die Tarifpartner gesetzlich in die Pflicht nehmen. Sie sollen gemeinsam in einer Kommission einen tariflichen Mindestlohn festlegen, wobei die unterschiedlichen Situationen in den Regionen und Branchen berücksichtigt werden können. Eine Lohnfestsetzung durch die Politik lehnen wir ab. Aber es ist Sache der Politik, die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Menschen überall in Deutschland die Chance auf einen ordentlichen Lohn haben.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Riebsamen