Frage an Lothar Binding von Jan D. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Binding!
Vielen Dank für die ausführliche Beantwortung meiner letzen Frage. Ich habe noch zwei weitere Fragen und würde mich freuen, wenn Sie sich wieder die Zeit nehmen könnten, sie zu beantworten. Vielen Dank im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen
Jan Driller
Die Fragen:
1. Wäre für Sie eine teilweise Lockerung des bisherigen Embryonenschutzgesetzes vorstellbar?
2. Wie stehen sie generell zur Forschung mit embryonalen Stammzellen?
Sehr geehrter Herr Driller,
vielen Dank für Ihre beiden Fragen, die sehr wichtige ethische und moralische Katgorien berühren. Sie stellen damit zentrale Fragen, die ich mir auch selbst immer wieder stelle. Wo kommen wir her? Wie weit dürfen wir in das "Schicksal" eingreifen? Ab wann ist ein Mensch ein Mensch? Dürfen Menschen über Leben und Tod entscheiden? Da in diesem Fragenkomplex auch im web Fragenkataloge angeboten werden, die mich schon erreichten, sende ich ihnen meine Antworten auf die bisher gestellten Fragen - Ihre beiden sind darunter. Ich zitiere zunächst jeweils die Fragen:
All diese Fragen kann jeder Mensch und somit auch jeder Abgeordnete nur für sich selbst beantworten. Deshalb hat die SPD-Bundestagsfraktion auch keine einheitliche Position bezüglich dieser Fragen erarbeitet. Ich schreibe Ihnen meinen "Zwischenstand" auf der Suche nach Antworten. Immer wenn ich glaube eine Antwort gefunden zu haben, kommen Selbstzweifel, ob ich nicht doch noch eine bessere Antwort finden sollte.
1. Käme für Sie eine Lockerung des Embryonenschutzgesetzes in Frage?
Nein. Den hohen Schutzstandard des Embryonenschutzgesetzes vom 13. Dezember 1990 möchte ich beibehalten. Dieses Gesetzt verbietet die Herstellung und Verwendung von Embryonen zu anderen Zwecken als dem, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Ich bin eher für eine Verschärfung: Eine im Embryonenschutzgesetz bestehende Lücke muss geschlossen werden: Der bislang zulässige Import von pluripotenten embryonalen Stammzellen, die im Ausland aus Embryonen gewonnen worden sind, muss verboten werden.
2. Wie stehen Sie zur embryonalen Stammzellenforschung? Ist der in Deutschland derzeit bestehende Kompromiss aller Parteien für Sie auch in Zukunft bindend?
In Übereinstimmung mit der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratische Juristinnen und Juristen spreche ich mich für ein grundsätzliches Verbot embryonaler Stammzellenforschung und jeglicher Form des Klonens aus. Der derzeit bestehende Kompromiss ist für mich bindend.
....oder könnten Sie sich eine Ausweitung der embryonalen Stammzellenforschung in Deutschland vorstellen?
Vorstellen kann ich sie mir schon. Doch eine Ausweitung halte ich für nicht notwendig. Bis auf weiteres muss jede Forschung und jede Manipulation an extrakorporal erzeugten Embryonen, die nicht deren Erhaltung dient, rechtswidrig und verboten bleiben.
Könnten Sie auch einem Verbot der embryonalen Stammzellenforschung und stattdessen einer Intensivierung der adulten Stammzellenforschung in Deutschland zustimmen?
Ja, das habe ich, wenngleich nur mündlich, auch in den Bundestagsgremien
vorgeschlagen.
Käme für Sie eine Einführung des therapeutischen Klonens in Deutschland in Frage?
Nein. Solange dem therapeutischen Klonen nicht feste Grenzen - und wer wollte das sicher stellen - gesetzt werden können, die auch auf keinen Fall überschritten werden dürfen, bin ich gegen die Einführung.
3. Sind Sie für die Einführung der sog. Präimplantationsdiagnostik, "PID"?
Nein. Die Begründung ist die selbe wie bei der vorherigen Frage. Solange die Risiken nicht genau abgeschätzt werden können, und vor allem keine festen Grenzen gesetzt sind, kommt für mich die Einführung der PID nicht in Frage. Dies ist jedoch nicht nur eine moralische Frage, sondern auch eine rechtliche. Der Bundesausschuss der ASJ stimmt der Auffassung der vom deutschen Bundestag eingesetzten Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin" zu, dass die sog. Präimplantationsdiagnostik, kurz PID, durch die geltende Rechtslage, insbesondere das Embryonenschutzgesetz, ESchG, untersagt ist. Denn die PID ist kein bloßes Instrument der Schwangerschaftsvorsorge im Rahmen der Fortpflanzung durch künstliche Befruchtung. Es ist vielmehr der entscheidende Schritt zum Einstieg in eine eugenische Auswahl von Embryonen und in einen entmoralisierten Umgang mit Embryonen, wie er für die Embryonenforschung im weiteren Sinne erforderlich ist - "designer-baby", Klonen von Embryonen.
4. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Nachbesserung der derzeitigen Abtreibungsregelung ist längst überfällig, da sie zu keiner echten Reduzierung der Abtreibungszahlen geführt hat. Werden Sie sich im Falle Ihrer Wahl für diese Nachbesserung einsetzen?
Jede Abtreibung ist eine zuviel. Die jetzige Beratungspflicht halte ich für notwendig, um Frauen bei ihrer schweren Gewissensentscheidung zu unterstützen. In der Beratung soll alles reflektiert werden, was der Frau die Annahme des Kindes erleichtern könnte.
5. Wie stehen Sie zu der de facto-Finanzierung der meisten Abtreibungen durch die Bundesländer- und dies angesichts leerer Kassen und angesichts der verheerenden demographischen Entwicklung unseres Landes?
Ich denke, dass im schweren Entscheidungsprozess der Frau das Geld kein entscheidungsrelevanter Parameter sein darf. Die demographische Entwicklung, die zweifelsohne besorgniserregend ist, darf kein Grund sein, Frauen zu der Entscheidung zu drängen, ein Kind zu behalten, das sie nicht großziehen können. Ebenso wenig wäre ich für die Förderung der Abtreibung bei Geburtenüberhang. Der gegenwärtigen demographischen Entwicklung können wir nur entgegenwirken, wenn wir die Chancen von Familien in unserer Gesellschaft verbessern. Dazu gehören die Verbesserung der Betreuungsangebote für Kinder, die Erhöhung des Kindergeldes, Ganztagsschulen, wie es die rot-grüne Bundesregierung bereits getan hat, aber viel wichtiger ist die "gesellschaftliche Akzeptanz", was immer das ist. Die gesellschaftliche Offenheit, Liebe, Zuneigung, Toleranz gegenüber Kindern. Kinder sind überall geliebt, gewollt, unsere Zukunft - allerdings nicht im Kindergarten in der Nachbarschaft, in der Gaststätte stören sie ja doch ein wenig, der Basketballkorb auf dem Marktplatz lockt zu viele Jugendliche an, mit den Kindern zu lesen und zu lernen haben wir wirklich leider zu wenig Zeit, weil wir ja noch die Alu-Felge kaufen gehen müssen und wie laut diese Kinder doch sind und so lebhaft...
Würden Sie einem Gesetz zur aktiven Euthanasie in unserem Lande zustimmen?
Mit Blick auf viele ungeklärte Fragen und für mich gegenwärtig nicht entscheidungsfähige Grenzziehungen kann ich diese Frage noch nicht beantworten.
Es gibt viele verschiedene Aspekte, die zu beachten sind: Ist Sterbehilfe mit der Würde des menschlichen Lebens vereinbar? Oder umgekehrt: ist es mit der Menschenwürde vereinbar einen Mensch gegen seinen Willen am Leben "zu halten"? Was ist menschenwürdiges Leben? Dürfen Angehörige entscheiden, falls der Patient nicht entscheidungsfähig ist? Muss der Arzt sich dem Willen des Patienten oder der Angehörigen beugen? Kann er lebensverlängernde Maßnahmen verweigern? Kann er einen Wunsch auf Nicht-Behandlung befolgen? Sollte er einem dazu nicht mehr fähigen Patienten beim Selbstmord helfen dürfen? Auf all diese Fragen muss ich erst für mich eine eindeutige Antwort finden - wenn es sie denn gibt.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen zufrieden stellend reflektiert habe. Für Ihr Interesse möchte ich Ihnen danken. Gerade diese Themen drohen in der derzeitigen Lage, in der sich alles nur um Wirtschaft, Geld und Skandal zu drehen scheint, unterzugehen.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding