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Frage von Roland W. •

Frage an Lothar Binding von Roland W. bezüglich Wirtschaft

sehr geehrter Hr. Binding

Es handelt sich um bereits bestehende Biogasanlagen, die bislang sinnvoll, erfolgreich und wirtschaftlich Strom produzieren. Die Anlagen wurden unter Einhaltung der vorgeschriebenen Gesetze entsprechend errichtet. Nun werden durch Inkrafttreten bzw. Änderung des Art.1§19 Abs.1 (Anlagenbegriff) und Art.1 § 66 Abs.1 (Bestandsschutz für Altanlagen) diese Anlagen nicht mehr sinnvoll und wirtschaftlich produzieren können.Erhebliche Umbaumaßnahmen wären die Folge.Es laufen derzeit Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht, dessen Entscheidung voraussichtlich im März 09 vorliegen wird.

Selbst die Bundesländer Schleswig-Holstein u. Niedersachsen haben im Bundesrat den Gesetzesantrag gestellt den § 19 Abs.1 EEG 2009 in die Übergangsregelung des § 66 EEG 2009 aufzunehmen. Nun meine Frage an Sie Hr.Binding. Warum wird innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion, unter Führung von Hr.Kelber in Zusammenarbeit mit dem Bundesministeruim f. Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Widerstand gegen diesen Gesetzesantrag organisiert? Warum werden Verluste von Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe, sowie Arbeitsplatzverluste in der Landwirtschaft und in der Biogasindustrie, in ohnehin schon struckturschwachen Gebieten, bewusst in Kauf genommen?

Ich bin schon seit vielen Jahren SPD Wähler. Die Entscheidungen der SPD in der Vergangenheit , und gegenwärtig, macht mich sehr nachdenklich ob ich wohl die richtige Partei meine Stimme gebe!!!

Ich bitte um Ihre Meinung bzw. Stellungsnahme.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Wagner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wagner,

für Ihr Schreiben zu Biogasanlagen danke ich Ihnen. Da die Schwerpunkte meiner parlamentarischen Arbeit in der Finanz- und in der Haushaltspolitik liegen und die laufenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eine eigene präzise Lageeinschätzung derzeit erschweren, stütze ich mich bei der Beantwortung Ihrer Frage auch auf Informationen der umweltpolitischen Experten der SPD-Bundestagsfraktion.

Eine Vorbemerkung: Die Haltung zum Gesetzesantrag des Bundesrats ist kein einseitiger "Widerstand" der SPD-Fraktion, sondern gemeinsame Rechtsauffassung der gesamten Bundesregierung - auch wenn Abgeordnete der Unionsfraktion in ihren Wahlkreisen gelegentlich einen anderen Eindruck erwecken. Der Bundesrat hat im November 2008 einen Änderungsantrag zum EEG beschlossen, der die Anwendung des § 19 EEG nur für Neuanlagen gelten lassen will. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme vom 30.01.2009 empfohlen, den Ausgang von Verfassungsbeschwerden und Anträgen auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung zur Geltung des § 19 EEG für bestehende Anlagen, die beim Bundesverfassungsgericht abhängig sind, abzuwarten. Die Zielsetzung lautet, die Förderung erneuerbarer Energien im Rahmen des EEG weiterzuentwickeln. Wir müssen dabei auch den Missbrauch der Förderinstrumente unterbinden, der durch missverständliche Formulierungen oder widersprüchliche Auslegungen des Gesetzes in der Förderpraxis entsteht.

Der § 19 EEG 2009 stellt vor diesem Hintergrund nach Rechtsauffassung der Bundesregierung und des Bundesumweltministeriums keine Neuregelung, sondern allein eine Klarstellung zur bisherigen Regelung im EEG 2004 dar. Um ein Anlagensplitting zu verhindern, fasste bisher § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 mehrere Anlage zur Erzeugung von Strom aus gleichartigen Erneuerbaren Energien, die mit gemeinsamen für den Betrieb technisch erforderlichen Einrichtungen oder baulichen Anlagen unmittelbar verbunden sind, zu einer Anlage zusammen.

Das EEG gewährt je nach Größe der Anlage unterschiedlich hohe Vergütungen und Boni. Strom aus kleineren Anlagen wird höher vergütet als Strom aus größeren Anlagen. Damit wird den spezifisch höheren Stromgestehungskosten kleinerer Anlagen Rechnung getragen. § 19 EEG 2009 soll verhindern, dass durch die Aufteilung von großen Stromerzeugungsanlagen in kleinere Einheiten die Leistungsschwellen umgangen werden, um insgesamt eine höhere Vergütung zu erzielen, die über die EEG-Umlage zulasten der Stromverbraucher geht.

Eine rechtsmissbräuchliche und damit rechtswidrige Umgehung der Leistungsklassen liegt auch dann vor, wenn zwar keine gemeinsamen für den Betrieb technisch erforderlichen Einrichtungen vorliegen oder die Module nicht mit baulichen Anlagen unmittelbar verbunden sind, aber ein Anlagenbetreiber, der die gesamtwirtschaftlichen Folgekosten bedenkt, statt vieler kleiner Module mehrere größere Module oder eine einzige Anlage errichtet hätte. Dem trägt der § 19 Abs. 1 EEG 2009 Rechnung, wenn nun Anlagen zusammengefasst werden, die sich "auf demselben Grundstück oder sonst in unmittelbarer räumlicher Nähe befinden". Aus diesem Grund wurde auch keine Regelung in den Übergangsbestimmungen des § 66 EEG 2009 getroffen.

Sie haben Ihre langjährige Verbundenheit mit der SPD und die Bedeutung sozialer Gerechtigkeit für Ihre Wahlentscheidung angesprochen. Umso mehr haben Sie sicher Verständnis für meine Auffassung, dass die Kosten des unsozialen Förderungsmissbrauchs nicht den Stromverbrauchern mit geringen Einkommen aufgebürdet werden dürfen - etwa Familien, Studenten oder Rentnern. Auch bei der Förderung umweltfreundlicher Energieerzeugung ist sozialpolitische Sensibilität gefordert.

Mit freundlichem Gruß, Lothar Binding