Frage an Lothar Binding von Bernhard K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Bindig,
das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeigte, daß es noch viel in Sachen Nikotindrogen-Bekämpfung zu tun gibt. Auf die Landesregierungen ist hierbei ebenso kein Verlaß wie auf die Richter. Ausnahmslose Rauchverbote sind zwar verfassungskonform, doch solche gibt es kurioserweise nicht, obwohl doch angeblich der Gesundheitsschutz das Ziel der "Nichtraucherschutzgesetze" war.
Was werden Sie unternehmen? Kann man über den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz endlich ein einheitliches, ausnahmsloses Rauchverbot in öffentlichen Räumen erreichen?
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Kletzenbauer
Sehr geehrter Herr Kletzenbauer,
herzlichen Dank für Ihre Frage. Sie schreiben: „Kann man über den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz endlich ein einheitliches, ausnahmsloses Rauchverbot in öffentlichen Räumen erreichen?“ Ja. Sie deuten mit Ihrer Frage auf meine Lieblingslösung. Aber auch Lieblingslösungen von Problemen benötigen eine demokratische Mehrheit in den Entscheidungsgremien. Daran gilt es in der kommenden Zeit zu arbeiten.
Ich zitiere nachfolgend ein Interview, dass Dr. Michael Trauthig, Redaktion Innenpolitik der Stuttgarter Zeitung, gestern mit mir geführt hat. Dieses Interview reflektiert auch Ihre Fragen sehr gut.
Hier das zitierte Interview:
Vorbemerkung:
Der Bundestagsabgeordnete Lothar Binding hat mit einer Initiative im Bundestag einst die Nichtrauchergesetzgebung in Gang gebracht. Nun begrüßt er das Urteil des Verfassungsgerichts. In der Folge sollte es zu einem strikten Nichtraucherschutz kommen, sagt der SPD-Politiker im Gespräch mit Michael Trauthig.
Dr. Michael Trauthig
Jetzt darf in Kneipen wieder gequalmt werden. Ein schlechter Tag für Sie als Vorkämpfer des Nichtraucherschutzes?
Lothar Binding
Zunächst ist es ein guter Tag. Es war wichtig, dass sich das Verfassungsgericht überhaupt mit der Frage befasst und den Gesundheitsschutz grundsätzlich als Basis für die Gesetzgebung anerkannt hat. Das war bisher rechtlich umstritten. Insofern ist das Urteil für mein Anliegen eine große Hilfe.
Dr. Michael Trauthig
Einerseits und andererseits?
Lothar Binding
Tatsächlich gibt es den Wehrmutstropfen, dass nun eine Zwischenregelung greift, die das momentan erreichte Schutzniveau abgesenkt. Das liegt aber an den Ausnahmen, die bisher gemacht wurden etwa für Restaurants, die getrennte Raucherräume ausweisen konnten. Ich bin gleichwohl froh über den Richterspruch, denn er sagt klar, dass auf Ausnahmen zu verzichten ist, wenn der Gesundheitsschutz für die Gesetzgebung entscheidend ist. Das heißt, die Idee ist gut, die Ausnahmen sind schlecht.
Dr. Michael Trauthig
Haben die Länder Fehler gemacht?
Lothar Binding
Ja, aber in guter Absicht. Man hat versucht, einen Kompromiss zu finden. Das ist immer vernünftig. Deshalb mache ich niemandem einen Vorwurf.
Dr. Michael Trauthig
Welche Folgen erwarten Sie?
Lothar Binding
Der einfachste und klügste Weg wäre es, nun ein striktes Rauchverbot für alle Gaststätten zu erlassen. Wenn die Länder weniger strenge Vorschriften wollen, müssen sie Ausnahmen definieren, die folgerichtig und gleichheitsgerecht sind. Das waren die bisherigen Ländergesetze nicht. Deshalb wurden diese mit der Auflage versehen, sie bis zum 31.12.2009 zu ändern. Das ist eine sehr gute Basis für die künftige Gesetzgebung.
Dr. Michael Trauthig
Kommt jetzt ein bundesweites Gesetz?
Lothar Binding
Ich würde es begrüßen, wenn sich die Länder kurzfristig auf eine einheitliche Regelung verständigen. Wenn das nicht gelingt, sollte sich der Bund auf den Gesundheitsschutz berufen und dann ein völliges Rauchverbot erlassen.
Dr. Michael Trauthig
Das heißt, der Bund gibt die Linie vor?
Lothar Binding
Nicht der Bund, sondern Karlsruhe. Wie sollen denn verfassungsfeste Ausnahmen aussehen, die folgerichtig und gleichheitsgerecht sind? Solche vermag ich mir nicht vorzustellen. Wir wussten eigentlich von Anfang an, dass diese Sonderregelungen verfassungswidrig sind. Deshalb war ich auch nie ein Freund dieser Vorschriften. Es war klar, dass der so entstandene Flickenteppich in der Bundesrepublik keinen Bestand haben konnte. In anderen Ländern Europas ist das Rauchverbot auch deshalb akzeptiert worden, weil es solche Nischen nicht gibt.
Dr. Michael Trauthig
Das sehen die kleineren Wirte anders.
Lothar Binding
Ich habe mit der Berliner Wirtin, die in Karlsruhe geklagt hat, lange gesprochen. Sie hat dabei ebenfalls dafür plädiert, dass eine gesetzliche Regelung für alle gleich sein soll. Die Wirte, die jetzt die Sektkorken knallen lassen, freuen sich möglicherweise zu früh. Sie könnten einen Pyrrhussieg errungen haben. Allerdings wird ihnen so noch mal ein wenig Zeit gegeben, sich an die neuen Vorschriften zu gewöhnen.
Dr. Michael Trauthig
Wird der Streit über das Rauchverbot nun eine unendliche Geschichte?
Lothar Binding
Nein. Jetzt gibt es eine klare Frist. Es wird sich zeigen, ob der Bund oder die Länder am Ende eine verfassungsfeste Lösung finden.
Dr. Michael Trauthig
Sie können aber doch nicht erwarten, dass etwa die FDP in Baden-Württemberg das von Ihnen gewünschte Verbot mit trägt?
Lothar Binding
Die FDP macht eine ziemlich widersprüchliche Politik. Erst hat sie die Ausnahmen abgesegnet. Jetzt stellt sie offenbar die Berufsfreiheit in den Vordergrund. Doch unter diesem Stichwort ist eben nicht alles erlaubt.
Dr. Michael Trauthig
Die Existenzängste der betroffenen Kneipiers rühren Sie nicht?
Lothar Binding
Die nehme ich sehr ernst. Es hat sich aber in anderen europäischen Ländern gezeigt, dass die befürchteten Umsatzeinbußen gar nicht eintreten. Ich habe bei sehr vielen Gaststätten in Berlin versucht, die Rückgänge zu verifizieren. Immer fehlten die entsprechenden Belege. Der oft herangezogene Vergleich mit dem Fußballweltmeisterschaftsjahr hilft nicht weiter, weil es sich da um eine einmalige Situation handelte. Wer Statistiken anschaut, sieht, dass die Umsätze seit dem Jahr 2002 stetig zurückgegangen sind. Damals wurde der Euro eingeführt und viele Gaststätten hoben ihre Preise drastisch an, was Kunden abschreckte.
Dr. Michael Trauthig
Das Rauchverbot spielt keine Rolle?
Lothar Binding
Der Nichtraucherschutz ist jedenfalls nicht dafür verantwortlich, wenn die Wirte langfristig weniger Einnahmen haben. Dazu kommt ein weiteres Argument: die Leute können jeden Euro, den sie eine Zigarette kostet, nicht in einer Gaststätte ausgeben. Hier konkurrieren zwei wirtschaftliche Bereiche. Deshalb verstehe ich den Hotel- und Gaststättenverband nicht. Er macht sich zum Handlanger der Zigarettenindustrie, statt den Gast in den Mittelpunkt zu stellen.
Soweit das Interview.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding