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Frage von Oliver A. •

Frage an Lothar Binding von Oliver A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Binding,

wie stehen Sie zu einer Volksbefragung in Deutschland zum weiteren Verbleib unseres Landes in der EU oder dem Austritt daraus?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ankert,

vielen Dank für Ihre kurze Frage. Ich gebe eine lange Antwort.

Hier zunächst die kurze Antwort auf Ihre Fragen. Ich bin für mehr direkte Demokratie und dafür in der EU zu sein und zu bleiben.

Sich für Volksinitiativen, Volksbegehren, Volksentscheide oder Referenden auszusprechen ist nur sinnvoll, wenn gleichzeitig sicher gestellt ist, dass das jeweilige Thema eine gute inhaltliche Vorbereitung in der Gesellschaft erfährt, um wenigstens ein wenig gegen falsche und halbe Informationen und daraus abgeleitete falsche Überlegungen gewappnet sein zu können. Ich habe sehr viele beinharte Meinungen und unverrückbare Fehlurteile über den EU-Verfassungsentwurf bzw, den Lisabonner Vertrag gehört – von Menschen, die die Texte nicht gelesen hatten und auch die Kernpunkte nicht nennen konnten.

Meine Antwort umfasst vier Teile:

1.Information über einige wichtige Inhalte im EU-Verfassungsentwurf
2.Meine Position zu Volksinitiativen, Volksbegehren, Volksentscheide oder Referenden
3.Den SPD Fraktions-Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid) Stand: 29.10.2004
4.Bemerkung zum Ergebnis des Bürgerentscheids über den Verkauf von 600 Wohnungen in Heidelberg am vergangenen Sonntag, den 13. Juli 2008

1. Information über einige wichtige Inhalte im EU-Verfassungsentwurf

EU-Verfassung – Ein Kompromiss
An der EU-Verfassung haben sozialdemokratische Politiker, aus dem Europäischen Parlament, den EU-Mitgliedstaaten und den Kandidatenländern, aktiv mitgewirkt. Sie trägt eine sozialdemokratische Handschrift! Wir sind von der Notwendigkeit dieser EU-Verfassung überzeugt, damit die Integration in der erweiterten EU insgesamt demokratischer, transparenter, bürgernäher und effizienter wird. Die EU-Verfassung ist nach unserer Auffassung auch von entscheidender Bedeutung, wenn es um die innere und äußere Handlungsfähigkeit der EU geht. Zur äußeren Handlungsfähigkeit zählt auch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik bzw. die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Auch in diesen Bereichen wird von einer großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürgern seit Jahren ein weitaus stärkeres Engagement der EU gefordert. Regelmäßige Umfragen belegen den Wunsch nach einer aktiveren Rolle der EU in der Außen- und Sicherheitspolitik. Dieser Wunsch verbindet sich zugleich mit der Sorge, ob es der EU und ihren Mitgliedstaaten gelingen wird, Antworten auf die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen zu finden. Gerade die grausamen Anschläge von Madrid vor einigen Jahren (2004), rufen schmerzhaft in Erinnerung, wie groß die Gefahren sind, denen Freiheit und Demokratie in Europa ausgesetzt sind. Wir müssen realistisch sein und zur Kenntnis nehmen, dass sich die sicherheitspolitische Lage nach dem Ende des Ost-West Konfliktes grundlegend gewandelt hat.

Zugleich muss Europa, muss die Europäische Union, bleiben, was sie in den vergangenen fünf Jahrzehnten stets war: eine Friedensmacht nach innen und außen. Es gibt kein erfolgreicheres Friedensprojekt in der jüngeren europäischen Geschichte. Frieden zu schaffen und zu bewahren ist der Kern des europäischen Integrationsprozesses! In diesem Sinne hat die EU bislang stets auch außen- und sicherheitspolitisch gewirkt. Es gibt keine Veranlassung, jetzt von diesem Kurs abzuweichen. Ganz im Gegenteil: Mit der EU-Verfassung wird das Friedensziel in besondere Weise betont und die Bedeutung der UN-Charta und ihrer Grundsätze für das außenpolitische Handeln der EU hervorgehoben – Artikel I-3, Abs. 1 und 4. Europas Politik wird Friedenspolitik bleiben!

Nachfolgend gehe ich auf einzelne Schwerpunkte ein – möchte aber vorausschicken, dass ich es darüber hinaus für wichtig halte, einzelne Artikel stets im Kontext anderer zentraler Elemente der EU-Verfassung zu interpretieren.

Keine Verpflichtung zur Aufrüstung!
Mit der allmählichen Verbesserung der militärischen Fähigkeiten der einzelnen Mitgliedsstaaten geht es nicht um Aufrüstung. Es geht um die angemessene Anpassung der Streitkräfte an eine neue internationale Sicherheitslage. „Fähigkeiten verbessern“, bedeutet unter anderem die EU und ihre Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, friedenserhaltende oder friedenschaffende Maßnahmen, z.B. auf Wunsch der Vereinten Nationen, in eigener Regie erfolgreich durchzuführen zu können. Dafür sind die Mittel und Konzepte aus der Zeit des Ost-West Konfliktes vollkommen ungeeignet. Das stellt hohe Anforderungen an die militärische wie soziale Kompetenz der Soldaten und erforderte eine moderne Ausrüstung, die sich ebenfalls an der neuen Sicherheitslage zu orientieren hat. Dafür muss und darf m.E. keinesfalls aufgerüstet, sondern gezielt umstrukturiert werden!

Keine Selbstermächtigung für weltweite Kampfeinsätze!
Die Verfassung ermöglicht der Europäischen Union Missionen zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit auf Grundlage der UN-Charta durchzuführen. Dabei gelten neben den Werten und Zielen der Europäischen Union, die Grundlagen, die in Artikel III-292 Absätze 1 und 2 der EU-Verfassung aufgeführt sind.

Dass in diesem Zusammenhang weder von einer Selbstermächtigung der EU für Militäreinsätze die Rede sein kann, noch eine solche vom europäischen Verfassungsgeber auch nur in Betracht gezogen wurde, zeigt sich am Einstimmigkeitszwang im Ministerrat und an den weiterhin selbstverständlich geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen der EU-Mitgliedstaaten mit Blick auf Militäreinsätze. In allen diesbezüglichen Fragen sind die nationalen Parlamente gemäß den jeweiligen verfassungsrechtlichen Bestimmungen der EU-Mitgliedstaaten einbezogen. Bei Entscheidungen über Militäreinsätze gilt in Deutschland weiterhin der Parlamentsvorbehalt!

Kein militarisiertes Kerneuropa!
Die Möglichkeit einer ständigen strukturierten Zusammenarbeit im Rahmen der EU hat zum Ziel, sowohl die jeweiligen militärischen Fähigkeiten der Mitgliedstaaten als auch ihre unterschiedlichen Interessen angemessen zu berücksichtigen. In erster Linie geht es darum, dass diejenigen EU-Mitgliedstaaten, die zu einem größeren Maß an Gemeinsamkeit und zu mehr Engagement in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bereit sind, nicht dauerhaft von einzelnen EU-Mitgliedstaaten daran gehindert werden dürfen. Auch ist den unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben der EU-Mitgliedstaaten, z.B. Irland oder Österreich, Rechnung zu tragen, ohne die EU auf diesem Gebiet insgesamt zu Handlungsunfähigkeit zu verurteilen.

Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit ist nicht exklusiv. Sie steht, gemäß EU-Verfassung, auch den anderen EU-Mitgliedstaaten offen, sofern sie bereit sind, bestimmten Anforderungen zu genügen. Von einem „militarisierten Kerneuropa“ kann auch vor dem Hintergrund der vorangegangenen Erläuterungen keine Rede sein.

EU-Kompetenzordnung
Zentrale parlamentarische Dimension bei Entscheidungen über EU-Militäreinsätze!
Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik gehören nicht zum Kompetenzkern der EU und ihrer Organe. In erster Linie bildet die EU einen Rahmen für die intensive Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet. Entsprechend entscheidet auf EU-Ebene ausschließlich der Ministerrat und zwar einstimmig, über mögliche militärische Einsätze. Weil es sich nicht um eine der originären EU-Kompetenzen handelt – Art. I-13 und I-14 EU-Verfassung – liegt der Schwerpunkt der parlamentarischen Kontrolle daher bei den nationalen Parlamenten. Sie müssen über das Handeln ihrer Regierungen im Ministerrat wachen. Zum Europäischen Parlament ist zu sagen, dass sich seine Rolle als parlamentarischer Kontrolleur auf europäischer Ebene mit der EU-Verfassung gegenüber den bisherigen Bestimmungen wesentlich verbessert hat.

Bezugnahme auf die UN-Charta ist umfassend und verbindlich!
Die EU-Verfassung bezieht sich auf die UN-Charta insgesamt. Diese ist gerade für das außen- und sicherheitspolitische Handeln der EU verbindlich. Das in der EU-Verfassung nicht explizit auf das Gewaltverbot der UN-Charta verwiesen wird, hat mehrere Gründe. Zum einen steht das Gewaltverbot auch in der UN-Charta nicht isoliert, sondern in einem breiteren Kontext des Völkerrechts und ist demgemäß auszulegen. Zum anderen könnte dadurch der Eindruck hervorgerufen werden, die EU bezöge sich nur auf einzelne Bestimmungen der UN-Charta.

Abstimmung aller Bürgerinnen und Bürgern über die EU-Verfassung
Für die Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge, dazu zählt auch der Vertrag über die Europäische Verfassung, sieht das Grundgesetz, nach derzeitigem Stand, ein parlamentarisches Verfahren vor. Für die Annahme der Europäischen Verfassung in Deutschland ist eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig. Dieses parlamentarische Verfahren ist Teil unserer bewährten Verfassungswirklichkeit und Staatspraxis.

Die Forderung, die Europäische Verfassung in Deutschland auf dem Wege eines Referendums zu ratifizieren bedeutet eine Änderung des Grundgesetzes. Die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit ist gegenwärtig weder in Bundestag noch Bundesrat in Sicht – dazu finden Sie unten eine ausführliche Darstellung.

Tatsächlich verdeckt die Debatte über ein Referendum zur Europäische Verfassung die von der SPD seit vielen Jahren vertretene Position, die plebiszitären Elemente im Grundgesetz insgesamt zu stärken und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Möglichkeiten zur direkten Demokratie zu verschaffen. Das entspricht auch dem Programm der Bundesregierung. Wir haben dazu entsprechende Initiativen eingebracht, die in der Vergangenheit bisher abgelehnt wurden.

Die SPD, wie ich auch, legt großen Wert auf die Verbesserung der Bürgerbeteiligung. Populistische Einzelfalllösungen, Beteiligung nach tagespolitischen Befindlichkeiten wirken dieser Zielrichtung entgegen: Wenn wir weiterhin am Ziel festhalten wollen, die direkte Demokratie in Deutschland zu stärken, dann dürfen wir uns nicht ausschließlich auf ein punktuelles Referendum zur Europäischen Verfassung konzentrieren. Das wäre verfassungsrechtlich höchst bedenklich und letztlich eine Täuschung der Bürgerinnen und Bürger. Denn ein wirklicher Zugewinn an direkter Demokratie wäre es keineswegs, wenn die Menschen nur in politisch wohl berechneten Einzelfällen die Gelegenheit zu einem Referendum hätten, während sie auf andere Entscheidungen, von denen sie viel stärker unmittelbar betroffen sind, weiterhin nur wenig direkten Einfluss ausüben könnten.

Direkte Demokratie beginnt in erster Linie vor Ort. Sie braucht kein Placebo durch ein EU-Referendum. Sie darf nicht auf singuläre Ereignisse beschränkt bleiben. Sie braucht Substanz.

2. Meine Position zu Volksbegehren, Volksentscheiden oder Referenden

Volksinitiativen, Volksbegehren, Volksentscheide, Referenden haben meine Unterstützung

Die Europäischen Verfassung bietet die Chance, die abstrakte Forderung nach direkter Demokratie an einem konkreten Projekt durchzusetzen: Meine Fraktion und natürlich ich auch sind dafür.  Dagegen sind CDU und CSU zerstritten, scheuen die parlamentarische Beratung und wollen plebiszitäre Elemente von Tagespolitik abhängig machen. CDU und CSU lehnen es bis heute ab, generell die Möglichkeit der direkten Demokratie im Grundgesetz zu verankern.

Ich möchte deshalb die wichtigsten Punkte der Argumentation nachfolgend nochmals kurz darlegen und Sie natürlich auch bitten sich bei den Kolleginnen und Kollegen im Bundestag für eine Änderung des Grundgesetzes einzusetzen, die heute noch mehr Demokratie ablehnen.

Nun zu einigen im Dialog mit meinen Kollegen Axel Schäfer und Michael Roth entstandenen Argumenten die mich veranlassten unseren Gesetzentwurf zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid, vgl. Anlage 1, zu unterzeichnen.

1.Die SPD tritt ein für mehr direkte Demokratie - so steht es im Berliner Grundsatzprogramm und in der Entscheidung der SPD-Fraktion vom 30.  August 2004. (Übrigens war das auch im Regierungsprogramm für die vorherige Legislaturperiode mit Bündnis 90 Die Grünen vereinbart)

2.Das Grundgesetz eröffnet Möglichkeiten für Abstimmungen (Artikel 20, 1) und Referenden (Artikel 146), die bisher nicht genutzt worden sind.  Auch enthält die künftige EU-Verfassung eine Möglichkeit, Gesetzgebungsverfahren durch 1 Million Unterschriften als Bürgerinitiative anzustoßen.

3.Alle unsere Nachbarn - Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Dänemark, Polen und Tschechien (außer Österreich) - sowie Großbritannien, Irland, Portugal und Spanien hatten die Möglichkeit ein Referendum zur EU-Verfassung durchführen.  Wir sind bis heute der einzige EU-Staat, der nicht die Möglichkeit besitzt, direkte Demokratie auf nationaler Ebene zu praktizieren.

4.Eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hat sich bisher in allen Umfragen für mehr direkte Demokratie und für ein Referendum über die EU-Verfassung ausgesprochen.  Auch findet unsere Politik für plebiszitäre Elemente im Grundgesetz bei zahlreichen Medien breite Unterstützung.

5.Unser Gesetzentwurf der maßgeblich von Hermann Bachmaier im Auftrag von Franz Müntefering erarbeitet wurde, verbindet die allgemeine Forderung nach Volksinitiativen-Volksbegehren-Volksentscheiden mit der besonderen Möglichkeit der Einleitung von Referenden durch Bundestag und Bundesrat. (Anlage 1).

6.Es war 1949 unmöglich, das Grundgesetz dem Volk zur Abstimmung vorzulegen.  Nach der deutschen Einheit 1990 war eine solche Abstimmung von der SPD beantragt, von CDU/CSU und FDP allerdings abgelehnt worden. 2004 gab es wieder einen Anlass für ein Verfassungs-Referendum: Europa.

3. SPD Fraktions-Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid) Stand.- 29.10.2004

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:

Artikel 1

Änderung des Grundgesetzes

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil 111, Gliederungsnummer 100-1 veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom .... (BGBl. 1 S. wird wie folgt geändert:

1. Artikel 76 Abs. 1 wird wie folgt gefasst:

"(1) Gesetzesvorlagen werden beim Bundestag durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages, durch den Bundesrat oder durch Volksinitiative eingebracht."

2. Artikel 77 Abs. 1 wird wie folgt gefasst:

"(1) Die vom Bundestag beschlossenen Bundesgesetze sind nach ihrer Annahme durch den Präsidenten des Bundestages unverzüglich dem Bundesrat zuzuleiten."

3. Nach Artikel 78 werden folgende Artikel eingefügt:

"Artikel 78a

(1) Durch Volksinitiative können vierhunderttausend Wahlberechtigte beim Bundestag eine mit Gründen versehene Gesetzesvorlage einbringen.  Die Vertrauensleute    der Volksinitiative haben das Recht auf Anhörung.

(2) Finanzwirksame Volksinitiativen sind zulässig.  Ausgeschlossen sind Volksinitiativen über das Haushaltsgesetz, über Abgabengesetze sowie über eine Wiedereinf´ührung der Todesstrafe.

Artikel 78b

(1) Die Vertrauensleute der Volksinitiative können ein Volksbegehren auf Durchführung eines Volksentscheids einleiten, wenn innerhalb von acht Monaten das beantragte Gesetz nicht zustande kommt.

(2) Hält die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Bundestages das beantragte Gesetz für verfassungswidrig, ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

(3) Das Volksbegehren ist zustande gekommen, wenn ihm fünf vom Hundert der Wahlberechtigten innerhalb von sechs Monaten zugestimmt hat.

Artikel 78c

(1) Ist das Volksbegehren erfolgreich, findet innerhalb von sechs Monaten ein Volksentscheid statt, es sei denn, das begehrte Gesetz ist zuvor zustande gekommen.

(2) Der Bundestag kann nach Maßgabe des Artikels 77 einen eigenen Gesetzentwurf mit zur Abstimmung stellen.

(3) Der Bundestag kann auf Antrag der Bundesregierung, des Bundesrates oder aus der Mitte des Bundestages beschließen, dass über ein Gesetz, für das eine verfassungsändernde Mehrheit erforderlich ist, ein Volksentscheid stattfindet. Der Beschluss bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.

(4) Ein Gesetz ist beschlossen, wenn die Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat, sofern diese Mehrheit mindestens fünfzehn vom Hundert der Wahlberechtigten umfasst.

(5) Ein das Grundgesetz änderndes Gesetz ist beschlossen, wenn zwei Drittel der Abstimmenden zugestimmt haben, sofern diese Mehrheit mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten umfasst.  Dies gilt nicht in den Fällen des Art. 23 Abs. 1 Satz 3.

(6) Gesetze, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, kommen zustande, wenn die Zahl der Bundesratsstimmen jener Länder, in denen eine zustimmende Mehrheit in der Abstimmung erreicht wurde, der im Bundesrat erforderlichen Mehrheit entspricht.

Artikel 78d

Das Nähere, auch die Information der Wahlberechtigten über Inhalte und Gründe der Gesetzentwürfe, regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf."

4. Artikel 79 Abs. 2 wird wie folgt gefasst:

"(2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates oder der Zustimmung durch Volksentscheid."

Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am .... Einsetzen (ersten Tag des ... auf die Verkündung folgenden Kalendermonats) in Kraft.

4. Bemerkung zum Ergebnis des Bürgerentscheids über den Verkauf von 600 Wohnungen in Heidelberg am vergangenen Sonntag, den 13. Juli 2008

Ein Bürgerentscheid wird in Baden-Württemberg entschieden, wenn 25% der Wahlberechtigten dafür oder dagegen sind. Ein absurd hohes Quorum. Ein Quorum zur Verhinderung von Bürgerbeteiligung. In Heidelberg war über den Erhalt von Wohnungen in städtischem Besitz zu entscheiden.

Für den Erhalt von Wohnungen in städtischem Besitz haben 18.476 Bürgerinnen und Bürger gestimmt.

Obwohl mit 18.476 Ja-Stimmen das „demokratisch fragwürdige Quorum“, wie der Mieterverein zu Recht schreibt, nicht erreicht wurde, ist die Abstimmung von großer Bedeutung. Zum Vergleich: Der Heidelberger Oberbürgermeister erreichte bei seiner Wahl "nur" 23.635 Stimmen

Für den Verkauf haben nur 3.977 Bürgerinnen und Bürger gestimmt.

Damit fällt die Entscheidung an den Gemeinderat zurück und es stellt sich die Frage, ob er sich nun am formal „gescheiterten“ Bürgerentscheid orientieren soll, oder daran, dass die überwältigende Mehrheit für den Erhalt der Wohnungen in städtischem Besitz gestimmt hat.

Ich habe es sehr bedauert, dass viele Bürgerinnen und Bürger ihre Chance zur Beteiligung nicht wahrgenommen haben und deshalb ein klares Ergebnis aus formalen Gründen an der willkürlichen Setzung eines Quorums beliebig interpretierbar ist.

Mit dieser Nachbetrachtung wolle ich andeuten, warum mir die Verknüpfung von Bürgerentscheid, Definition des Quorums und inhaltlicher Aufklärung/Schulung und Stärkung der fachlich begründbaren Urteilskraft so wichtig sind.

Ich hoffe sehr, dass ich Ihr Anliegen in der gebotenen Weise reflektieren konnte.
Viele Grüße
Ihr Lothar Binding