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Lothar Binding
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Frage von Bernd R. •

Frage an Lothar Binding von Bernd R. bezüglich Senioren

Wen soll man noch wählen gehen und wie stellt sich die SPD zum Thema Rentenanpassungen?
Heute habe ich meinen 2008 Rentenbescheid erhalten. Gegenüber 2007 sind es netto 14 € mehr. Bei einer Preissteigerungsrate von nunmehr 3,3 % sind das effektiv wieder ein minus wie schon in den vergangenen Jahren.
Was kann ich machen außer die Reserven verbrauchen und dann auch zu den 60% "Handaufhalter" zu gehören ?
Das kanns ja wohl nicht sein.
Wie also ist ein Konzept der SPD für die Zukunft zu sehen?
Wen sollen wir wählen ?

Der Anti-Rauch-Einsatz von Ihnen verdient Lob und volle Zustimmung und Gottseidank hat er bis heute gehalten !
Er war lange überfällig! Applaus !!!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Rosenhauer,

vielen Dank für Ihre Fragen zu unserer Entscheidung die Renten
„außerplanmäßig“ zu erhöhen.

Die „reguläre“ Rentenanpassung läge nach geltendem Recht in diesem Jahr noch deutlich unter der Lohnentwicklung. Das hat vor allem mit der so genannten Riestertreppe in der Rentenanpassungsformel zu tun, also mit der Berücksichtigung der steigenden Aufwendungen der Beschäftigten für ihre notwendige zusätzliche Vorsorge.

Die gute Tendenz am Arbeitsmarkt und die positiven Wirtschaftsdaten schlagen sich bedauerlicherweise bislang noch nicht ausreichend in den Bruttolöhnen nieder, was für die Rentnerinnen und Rentnern zur Folge hat, dass die Renten nur mäßig steigen. Denn die Bruttolöhne sind ausschlaggebend für die Entwicklung der Zahlbeträge der Renten aus der gesetzlichen Altersvorsorge. Dies bedeutet, dass wenn die Bruttolöhne steigen, auch automatisch die Renten steigen. Steigen die Löhne nicht, so steigen auch die Renten nicht. In diesem Zusammenhang haben wir uns dafür entschieden, die Renten „außerplanmäßig“ zumindest etwas zu erhöhen. Ein Grund, warum ich für die Stärkung der Gewerkschaften bin, denn – das sehen wir seit mehr als zehn Jahren – ohne eine gute Arbeitnehmervertretung steigen die Löhne leider nicht in dem Maße wie geboten – die Schere zwischen arm und reich ist aber nur dann in den Griff zu bekommen, wenn die Lohnsumme am Bruttosozialprodukt einen angemessenen Teil ausmacht.

Die Stufen der Riestertreppe verlaufen bis 2011 gleichmäßig und berücksichtigen nicht die derzeit noch schwache Bruttolohnentwicklung. Sie dämpfen die Rentenanpassung um jeweils rund 0,65 Prozentpunkte. Bei schwacher Bruttolohnentwicklung wie im Moment sorgen sie dafür, dass Rentensteigerungen faktisch ausbleiben. Tatsächlich gab es sogar Rentenkürzungen, weil die Steigerungen oft die Inflationsrate nicht erreicht hat. Mit der beschlossenen Rentensteigerung um 1,1 Prozent, durchschnittlich 13 Euro, bei Ihnen 14 Euro, profitieren die Rentnerinnen und Rentner zumindest etwas stärker. Dies ist im Verhältnis zu den ausgebliebenen Erhöhungen und zu den gestiegenen Lebenshaltungskosten zwar nur eine geringe Steigerung, aber immerhin eine Steigerung.

Um Ihnen den Handlungsrahmen, in dem wir uns politisch bewegen, zu verdeutlichen, möchte ich im Folgenden auf das viel diskutierte Thema Altersvorsorge eingehen. Nachfolgender Text lehnt sich stark an meine Antworten an andere Bürger an, die sehr ähnliche Fragestellungen aufgeworfen haben. Bitte haben Sie Verständnis für die Länge meiner Ausführungen.

Noch Anfang der 90er Jahre wurden die Renten leichtfertig als sicher bezeichnet, wobei allerdings schon damals der Gedanke reifte, dass es mit diesem hohen Rentenniveau nicht weitergehen kann. Schon zu jener Zeit war klar, dass die wachsenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt und die stetig sinkenden Geburtenraten den Generationenvertrag der gesetzlichen Rentenversicherung ins Wanken bringen würden. Ebenso wie alle anderen Sozialversicherungszweige musste bzw. muss die Altersvorsorge an die wandelnden Verhältnisse angepasst und stetig weiterentwickelt werden.

Die Anpassung und Weiterentwicklung war und ist die eigentliche Herausforderung an die Politik. Durch die Tatsache, dass im gesetzlichen Rentensystem alle Generationen involviert sind, ist dies aber kein leichtes Unterfangen. Denn eine Stabilisierung des Systems, ist über eine Vielzahl von Ansatzpunkten zu erreichen.

• wir können die Beitragssätze erhöhen, was aber im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsplätze trotz hoher Produktivität schwierig, wenn nicht unmöglich ist;
• wir können die Rentenleistungen kürzen – aber das verbietet sich. Der ehemalige Arbeits- und Sozialminister Franz Müntefering hat extra ein Gesetz eingebracht, damit selbst dann, wenn die Löhne sinken, das Rentenniveau nicht abgesenkt werden darf, sondern höchstens auf Null gesetzt werden kann;
• wir können mehr Steuern in das Rentenversicherungssystem fließen lassen – was einem Umbau der gesetzlichen Alterssicherung gleichkäme und nicht von heute auf morgen möglich wäre,
• wir können das Rentenzugangsalter anheben,
• wir können die Produktivitätszuwächse neu verteilen, also die Gewinne stärker besteuern und den Lohnanteil erhöhen. Eine Steueranhebung würde uns schlecht bekommen, denn schon heute liegt Deutschland mit seinen Sätzen an der Spitze Europas.

Ein Entwurf der notwendigen Reformschritte bedarf folglich einer ganzheitlichen Betrachtungsweise. Um die gesetzliche Rentenversicherung zu stabilisieren war und ist es für uns unumgänglich gewesen, die unterschiedlichen Punkte gegeneinander abzuwägen und dementsprechende Einschnitte in den verschiedenen Bereichen in Kauf zu nehmen.

Die Riester-Reform von 2001 bildet hierbei die Grundlage für eine Vielzahl von aufeinander aufbauenden Reformen und brachte eine maßgebliche innovative Ergänzung in der gesetzlichen Alterssicherung. Mit dieser Neuordnung, die auf dem Altersvermögensgesetz beruht, wurde eine Kombination aus Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren eingeführt. Durch zahlreiche unterschiedliche Förderungen sollten die betriebliche und die private Altersvorsorge in ihrer Verbreitung gefördert und die Altersfinanzierung breiter gestreut werden. Zusätzlich kam es mit dem Altervermögensergänzungsgesetz zu einer Umstellung von Nettolohnanpassung zu modifizierten Bruttolohnanpassung. Das System wurde mit dieser Neuberechnung des Rentenniveaus zukunftsfähig ausgerichtet.

Im Jahr 2004 wurden weitere Gesetze erlassen, wie das Alterseinkünftegesetz und das RV-Nachhaltigkeitsgesetz. Mit ihnen wurde nicht nur der Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt, sondern auch die einheitlich geregelte nachgelagerte Besteuerung der Alterseinkünfte. Als weiterer Reformschritt wurde die Rente ab 67 Jahre beschlossen.

Heute können wir sagen, dass die gesetzliche Rentenversicherung auf einem soliden Fundament gebaut ist. Allerdings besteht die Altersvorsorge nicht mehr in der Form, wie unsere Eltern und Großeltern sie kennen bzw. kannten. Wir mussten uns von dem Gedanken verabschieden, dass die reine Ausrichtung auf die gesetzliche Rentenversicherung auch zukünftig noch ausreicht, einen sicheren finanziellen Lebensabend ermöglicht und uns wieder auf das ursprüngliche System der deutschen Alterssicherung berufen, dass eigentlich schon immer aus drei Säulen bestand. Die betriebliche und die private Altersvorsorge werden zukünftig einen Großteil der Altersfinanzierung ausmachen. Das dieser Wandel schon statt gefunden hat, lässt sich gut am Erfolg der staatlich geförderten Riester-Rente erkennen, von der insbesondere Familien profitieren.

Aber nicht nur die junge Generation muss sich auf die neuen Gegebenheiten einstellen, sondern auch Ihre Generation, die Altersbezüge in Anspruch nimmt, wie die zahlreichen Nullrunden, unter denen Sie möglicherweise bereits zu leiden hatten, zeigen.

Grundsätzlich haben die Reformen der Rentenversicherung beide Generationen in ihre Verantwortung genommen, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Die heutigen Arbeitnehmer haben einen klaren Vorteil, an den viele nicht denken: Sie haben noch die Möglichkeit, sich auf die veränderten Gegebenheiten vorzubereiten.

Des Weiteren muss auch gesehen werden, dass erst die Generation der 50er und 60er Jahre mit dem Pillenknick der 70er Jahre einen erheblichen Rückgang der Geburtenrate brachte und aus diesem Grund am meisten von den Kürzungen der gesetzlichen Rentenversicherung betroffen ist. Die ältere Generation, die heutigen Rentner, zu denen Sie gehören, waren in einer solchen Weise noch "produktiv", dass Sie die so genannte Babyboom-Generation hervorgebracht haben und damit die stärksten Jahrgänge der Nachkriegszeit. Aber auch die Generation der Zwanzig- bis Dreißigjährigen bekommt die geringeren Leistungen der ersten Säule zu spüren, die keine Schuld daran trägt, dass Sie solch eine kleine Kohorte darstellt. Dieses Beispiel veranschaulicht, dass es für jede Generation möglich ist, der anderen Vorwürfe zu machen. Fraglich ist nur, bringt es uns auch weiter? Häufig wird der Politik die Schuld zugeschoben. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass wir allen beschrieben und auch berechtigten Interessen gerecht werden müssen und auch wollen.

Das Problem liegt an den Eigenschaften oder am Generationenvertrag an sich. Beruht ein System auf einem solchen Vertrag, wird bei einer Änderung der Gegebenheiten sich eine Generation gegenüber einer anderen benachteiligt fühlen. Eine Folge daraus könnte ein vollständiger Umstieg auf ein Kapitaldeckungsverfahren sein. Der aber noch zu erheblich größeren Problemen führen würde als die Gerechtigkeitsdiskussionen im Umlageverfahren, wie das Beispiel Chile uns gut veranschaulicht. In Chile ist noch immer ein Drittel der Bevölkerung nicht abgesichert, was vermutlich auf die unzureichende staatliche Förderung zurückzuführen ist.

Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die heutigen Arbeitnehmer sich auch bezüglich des Renteneintrittsalters benachteiligt fühlen. Die Frühverrentungswellen der 80er und 90er Jahre, im Durchschnitt werden heute fast 17 Jahre lang Altersbezüge bezahlt, haben jedoch die Rentenkassen in erheblichem Maße belastet, dass es unabwendbar war die Möglichkeit abzuschaffen.

Hinzu kommt, dass die erfreulicherweise steigende Lebenserwartungen und der durchschnittlich spätere Eintritt in das Berufsleben noch weiter Druck auf das System ausübten. Die Rentenbezugszeiten wurden immer länger und werden dies auch weiterhin. Sinkende Einzahlungszeiträume stehen folglich steigenden Auszahlungszeiträumen gegenüber, die noch zusätzlich immer früher in Anspruch genommen wurden, dass dies auf Dauer nicht funktionieren kann, ist selbsterklärend. Die fehlenden Beitragseinnahmen führten in der gesetzlichen Rentenversicherung dazu, dass der Bundeszuschuss seit 1990 fast jährlich auf heute mehr als 80 Milliarden Euro erhöht wurde. Das bedeutet, dass der Staat ein Drittel zur Rentenkasse beisteuerte. Von der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung, je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer, sind wir folglich weit entfernt. Heute handelt es sich eher um eine Drittelparität: ein Drittel der Arbeitnehmer, ein Drittel der Arbeitgeber und ein Drittel Steuern aus dem Bundeszuschuss.

Der einzige Ansatzpunkt, um die allgemeine Belastung aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu reduzieren, war die Option, dass Renteneintrittsalter auf 67 Jahre zu erhöhen. Wobei weiterhin die Möglichkeit besteht früher in Rente zu gehen, allerdings nur mit erheblichen Abschlägen. Des Weiteren wird die Rente nur stufenweise auf 67 Jahre angehoben.

Die heutigen Arbeitnehmer sind auch durch die hohen Beitragssätze belastet. Aber auch hier darf hier nicht vergessen werden, dass nur die zahlreichen Reformen, diesen noch auf einem zumutbaren Niveau gehalten haben. Ohne die Gesetze der letzten Jahre wäre die heutige Belastung der Arbeitnehmer weit aus höher.

Hätten wir die Renten noch deutlicher erhöht, dann wäre die Belastung der zukünftigen Generationen enorm. Aus diesem Grund haben wir nur eine kleine Erhöhung zugelassen, die wenigstens einen Teil der Inflation ausgleicht. Uns ist sehr wohl bewusst, dass die Rentnerinnen und Rentner als auch die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler mit den steigenden Energiekosten finanziell zu kämpfen haben. Dennoch möchte ich um Ihr Verständnis für unsere Entscheidungen bitten.

Beide von mir angesprochenen Seiten haben mit steigenden Ausgaben zu kämpfen, wobei wir versuchen, so gerecht wie nur möglich bei Belastungen und Entlastungen vorzugehen. Der Dialog und die Solidarität zwischen den Generationen ist aber eine notwendige Bedingung, um die anstehenden Probleme zu lösen und für die heutigen Rentnerinnen und Rentner tragfähige Lösungen zu finden.

In der Hoffnung, Ihre Kritik konstruktiv aufgegriffen zu haben, und mit Dank für Ihre freundliche Zustimmung zum Thema Schutz vor Passivrauchen, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding