Frage an Lothar Binding von Jürgen B. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Binding,
Ihre Antwort an Herrn Richter vom 29.11.2007, so erfreulich viel Mühe Sie sich auch gegeben haben, hinterlässt doch leider einen schalen Nachgeschmack.
Wenn Sie von Verringerung der Benachteiligung finanziell schlecht gestellter Kinder durch Kindergeld sprechen, warum wollen Sie diese Benachteiligung nicht damit beseitigen? Das BVerfG hat doch bereits klargestellt, daß finanzielle Gründe in Zusammenhang mit Gleichstellung von Familien nicht vorgeschoben werden können: "Die Dringlichkeit einer Haushaltssanierung kommt als Rechtfertigung nicht in Betracht. Der Finanzbedarf des Staates ist nicht geeignet, eine verfassungswidrige Steuer zu rechtfertigen"
Der Staat hat nämlich nicht nur den Mindestbedarf der Kinder unbesteuert zu lassen, sondern er muss zudem diesen Bedarf bei allen Bürgern - also auch bei den Kindern - sicherstellen, wenn dies die Eltern nicht aus eigener Kraft bewerkstelligen können (BVerfGE 82, 60 (85) - Steuerfreies Existenzminimum).
Andererseits investieren Familien Milliarden über Ihre Kinder in das Sozialsystem, werden jedoch im Bereich der Sozialabgaben weiterhin geschröpft. Dort wäre ein weiterer Ansatzpunkt, das Existenzminimum der Kinder in den Taschen der Familien zu belassen.
Warum wird hier nichts unternommen? Ich höre z.Zt. nur Sparen Sparen Sparen, aber wer nichts in Kinder investiert, kann keine Zinsen erwarten.
Soweit mir bekannt ist, stehen Klagen kurz vor dem BVerfG die sich direkt mit Rentenbeiträgen von Eltern vieler Kinder befassen.
MfG
B.
Sehr geehrter Herr Bauke,
Sie schreiben: „Wenn Sie von Verringerung der Benachteiligung finanziell schlecht gestellter Kinder durch Kindergeld sprechen, warum wollen Sie diese Benachteiligung nicht damit beseitigen?“
Bitte lesen Sie nicht nur meine letzte Antwort im Dialog mit Herrn Richter, sondern auch die vorangegangenen. Dort finden Sie eine Graphik, die Ihnen schrittweise erläutert, warum Ihr Vorschlag in Form einer Frage fehl geht. Der Hintergrund besteht darin, dass nach den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts eben nicht alle Kinder in meinem Sinne gleich behandelt werden sollen, sondern Kinder reicherer Eltern besser gestellt werden als Kinder ärmerer Eltern. Das ergibt sich recht einfach aus der Vorschrift der kinderbezogenen Steuerfreistellung eines bestimmten Einkommenanteils. Ein mehr an Gerechtigkeit verdanken die Eltern und Kinder den Entscheidungen der SPD Fraktion, die den ärmeren Eltern Kindergeld in einer Höhe ermöglicht, die die vom Gericht als hinreichend angesehene übersteigt.
Sie schreiben weiter: „Das BVerfG hat doch bereits klargestellt, dass finanzielle Gründe in Zusammenhang mit Gleichstellung von Familien nicht vorgeschoben werden können: Die Dringlichkeit einer Haushaltssanierung kommt als Rechtfertigung nicht in Betracht. Der Finanzbedarf des Staates ist nicht geeignet, eine verfassungswidrige Steuer zu rechtfertigen“
Hier geht einiges durcheinander. Die Vorgaben vom BVerfG haben mit Gleichstellung nur wenig zu tun. Dann wäre vielleicht von degressiv gestaltetem Kindergeld die Rede – als Maßstab haben die Richter aber Steuerfreistellung gewählt. Die anderen von Ihnen unterstellten Argumente sind falsch und ich verwende sie nicht.
Sie schreiben: „Der Staat hat nämlich nicht nur den Mindestbedarf der Kinder unbesteuert zu lassen, sondern er muss zudem diesen Bedarf bei allen Bürgern - also auch bei den Kindern - sicherstellen, wenn dies die Eltern nicht aus eigener Kraft bewerkstelligen können (BVerfGE 82, 60 (85) - Steuerfreies Existenzminimum).“ Deshalb gibt es ja Kinderfreibeträge und Kindergeld und sehr viele Elemente zur Förderung von Kindern und Familien. Bitte schauen Sie sich die Website meiner Kollegin Nicolette Kressl an: http://www.kressl.de/berlin/familienpolitik_familie_neueakzente.php Dort finden Sie das gesamte Spektrum.
Was Sie mit der Formulierung „Andererseits investieren Familien Milliarden über Ihre Kinder in das Sozialsystem, werden jedoch im Bereich der Sozialabgaben weiterhin geschröpft“ meinen ist mir nicht klar.
Sie schreiben: „Ich höre z.Zt. nur Sparen Sparen Sparen…“ – dann schauen Sie sich bitte die jährlichen Staatsausgaben im dreistelligen Milliardenbereich einmal an und hören Sie auch jenen Politikern zu, die in Familien, die Bildung, das Verkehrssystem, etc. etc. investieren. Schauen Sie einfach in die Haushalte von Minister Steinbrück um sich ein eigenes Urteil über die Ausgaben und den Sparwillen zu verschaffen. Solche Unterlagen sind ja öffentlich und können so helfen das eigene Urteil zu schärfen.
Sie schreiben anschließend: „Soweit mir bekannt ist, stehen Klagen kurz vor dem BVerfG die sich direkt mit Rentenbeiträgen von Eltern vieler Kinder befassen.“
Es wäre gut, wenn die gesamte Förderlandschaft von Kindern und Familien in Kombination mit ihren Sozialabgaben einmal auch aus verfassungsrechtlicher Sicht in Blick genommen würden. Mir wäre dabei natürlich wichtig, dass die Richter den Gerechtigkeitsgedanken in den Mittelpunkt stellten.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Lothar Binding (Heidelberg)