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Lothar Binding
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Frage von Ralf G. •

Frage an Lothar Binding von Ralf G. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Binding,

erstmal möchte ich Ihnen ein großes Kompliment machen und mich recht herzlich als Bürger bei Ihnen bedanken, denn so wie ich das mitgekriegt habe sind Sie es ja gewesen, der das Thema Nichtraucherschutz vor einiger Zeit überhaupt mal wieder zum Thema gemacht hat, so dass sich zumindest ein bisschen was getan hat.
Leider wird das Rauchverbot aber in den Ländern zunehmend durchlöchert und - nicht nur in Bayern , auch hier in Hamburg - mit der Gründung so genannter "Raucherclubs" - systematisch umgangen.
Nun habe ich gelesen, dass Sie und andere Abgeordnete einen neuen Versuch starten wollen oder schon gestartet haben (?), ein bundesweit einheitliches konsequentes Gesetz auf den Weg zu bringen.
Ich finde das sehr sehr gut und auch längst überfällig, da es meines Erachtens unfassbar ist, wie die Minderheit der Raucher (zusammen mit der Tabaklobby und den Gastronomen) es immer noch schafft, die Mehrheit rücksichtslos weiter zu schädigen.
Ich wollte Sie nun fragen, wie realistisch es ist, dass diese Initiative Erfolg hat?
Gibt es im Bundestag ihrer Einschätzung nach inzwischen eine fraktionsübergreifende Mehrheit, die sich endlich mal durchsetzt gegen Lobbyinteressen und taktisches Lavieren (Länderkompetenz/Bundeskompetenz) und die Bürger wirksam und überall schützt vor Gesundheitsschädigung?
Oder ist es mehr gedacht als ein symbolischer Akt, um erneut Druck zu machen?

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Ich wünsche Ihnen viel viel Mut und Kraft und auch Glück für dieses Vorhaben und finde es einfach ermutigend, dass es noch Abgeordnete wie Sie gibt, denen es vorranging um die Sache und weniger um Parteitaktik geht. Und die sich dann auch für diese Sache wiederholt engagieren!! Weiter so

Ralf Gödde
Hamburg

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Gödde,

vielen Dank für Ihre Mail und Ihre positive Stellungnahme. Ich habe mich gefreut, dass Sie beide Aspekte erwähnen: was bisher gelungen ist und was noch zu tun ist. Oft wird leider sehr einseitig geurteilt.

Sie fragen nach den Erfolgschancen zur Verbesserung der Gesetzgebung, insbesondere einer einfachen bundeseinheitlichen Regelung. Die ehrliche Antwort: ich weiß es nicht. Und ich spekuliere auch nicht über die Zukunft, wenn ich nicht die alleinige Entscheidungskompetenz und Kompetenz habe. Aber ich habe eine Arbeitsrichtung auf in der Zukunft liegende Ziele.

Das von Ihnen gewünschte Ziel verfolgten auch wir von Anfang an in unserer Arbeit… bis wir auf große Hindernisse stießen. Im Kern wurde eine gute Regelung durch eine spezielle Auslegung unserer Verfassung vereitelt, weil Tabak/Nikotin, Gift und Lebensmittel und insbesondere der Gesundheitsschutz von bestimmten Juristen so interpretiert wird, dass sich nach der Verfassung sehr merkwürdige Zuständigkeiten ergeben. Diese Fragen habe ich an dieser Stelle auf einige andere Fragen schon etwas genauer erörtert. Ich möchte Sie bitten dort noch einmal nach zu schauen.

Nach meiner Auffassung ist der Bund für Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz und eben auch Gifte und Genussmittel zuständig – und ich weiß auch, dass Tabak bzw. Nicotin und Zigaretten mit Ihren von der Industrie hinzugefügten giftigen Bemischungen ein Gift sind und dass viele Raucher auch von „Genussmittel“ und viele Mediziner von Suchtmittel sprechen. Mit Blick auf die Artikel 70 bis 74 unseres Grundgesetzes, können Sie sich selbst ein Bild davon machen können, warum ich dieser Auffassung bin. Und nicht nur ich. Kürzlich hat Prof. Dr. Klaus Stern ein Rechtsgutachten veröffentlicht, das noch mal sehr deutlich zeigt, warum der Bund zuständig ist. Sie finden das Gutachten unter
http://www.tabakkontrolle.de/pdf/Stellungnahme_Stern_PK_Berlin_08.pdf

Dieses Gutachten ist der Auslöser für einige Parlamentarierinnen aus dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages (Dr. Carola Reimann und Dr. Margrit Spielmann)und mir, erneut über eine bundesweite konsistente Gesetzgebung nachzudenken.

Es ist sicher klug dabei zunächst auch die Umsetzungsergebnisse in den Ländern und die Vollzugskontrolle abzuwarten. In vielen Regionen sind die Bußgelder für eine Übergangszeit ausgesetzt… folglich rauchen einige Raucher in einigen Gaststätten gesetzeswidrig noch immer. Die Gastwirte lassen dies zu oder unterstützen das Rauchen durch die von Ihnen genannten Tricks wie z.B. „Raucherclubs“. Aber das sind die Ausnahmen und die meisten Wirte arbeiten korrekt und ihnen ist die Gesundheit ihrer Gäste und ihre eigene etwas Wert. Das ist vergleichbar mit der Sauberkeit der Toiletten, der Freundlichkeit des Gastwirts, der Qualität des Service und des Angebots etc. etc. Die meisten Wirte sind dort vorbildlich. Aber es gibt auch schwarze Schafe.

Wir rechnen damit, dass sich nach einer Übergangszeit der Vollzug deutlich verbessert. Gleichwohl denken wir parallel über weitere Schritte nach. Das ist schon deshalb not(!)wenig, weil es erschreckend viele Aktivitäten der Zigarettenlobby und der Tabakindustrie gibt. Im Moment sind mal wieder viele Truppen aktiv:

Erst in der vergangenen Woche hatte die Reemtsma in die Liberty Lounge eingeladen. Liberty: Freiheit auf gelbe Finger und Zähne, die Freiheit sein Krankheitsrisiko zu erhöhen, die Freiheit auf ein Krebsrisiko, die Freiheit sich süchtig zu Rauchen (man kann ja jeder(!)zeit wieder aufhören...), auch die Freiheit auf gelegentliches Abhusten - frei zu sein ist einfach ein schönes Gefühl. Freiheit und Zigarette...

Philip Morris hat in den "Wahlkreis" (Kneipe in Berlin) eingeladen zum Tischfußballturnier. Die perverse Kombination aus Begriffen wie Sport und Zigarette...

Und der neu gegründete vdc nun unter dem Namen DZV (Deutscher Zigarettenverband) unter der Geschäftsführung meiner früheren Kollegin der Grünen (Sie lesen richtig) Bundestagsfraktion Marianne Tritz konzentriert sich ganz auf den Jugendschutz und freut sich auf den Dialog mit mir - schreibt der Verband. Jugend und Zigarette... Die Zigaretteindustrie zielt auf Kinder und Jugendliche, weil die wenigsten Menschen in einem alter von über 20 Jahren noch anfangen zu Rauchen. Ohne die Verführung der Kinder und Jugendliche ginge es der Zigarettenindustrie schlecht.

In der Broschüre der Zigarettenindustrie "Genuss braucht Verantwortung - Ein Manifest" ist übrigens ein Wunder geschehen. Die dort brennenden Zigaretten rauchen nicht, kein Nebenstrom, nichts. Das sind echte Innovationen… unsichtbarer Rauch. Und was ich nicht sehe, kann mich auch nicht süchtig machen.

Alles sehr bekannt: Geld und Gesundheit spielen keine Rolle und die Kunden der Zigarettenindustrie werden mit werbepsychologischen Methoden dumm gehalten.

Wenn ich schon die Werbepsychologie bemühe: Schauen Sie sich mal auf

http://anti-smoking-ads.blogspot.com/ um. Dort finden Sie lustige, nachdenkliche und schockierende Sekundenfilme von Leuten, die frische Luft zu schätzen wissen und die Werbung der Zigarettenindustrie entlarven.

Zum Schluss noch einen Hinweis auf mein Buch „Kalter Rauch. Der Anfang vom Ende der Kippenrepublik“, Kempten: Orange Press, ISBN-13: 978-3-936086-31-7 – darin finden Sie viele Aspekte zu denen von Ihnen aufgeworfenen Fragen.

Jetzt habe ich mal wieder viel zu lang geantwortet – aber Ihre Fragen hatten mich inspiriert.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding