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Frage von Andreas J. •

Frage an Lothar Binding von Andreas J. bezüglich Finanzen

Guten Tag,
wegen ihrer Ausschussmitgliedschaften richte ich meine Fragen an Sie.

Da es hierzulande anscheinend noch nicht die Runde gemacht hat: wie gedenken Sie die Steuerzahler vor den Aktivitäten der internationalen Fianzpiraterie zu schützen?
Die S.E.C. ist den Betrügereien alter Bekannter von 2008 erneut auf die Schliche gekommen:

https://www.sec.gov/news/press-release/2021-29

Seit über einem Jahr ermittelt diese Behörde und hier schafft es dieses Thema nicht einmal in die Nachrichten?!

https://www.propublica.org/article/whistleblower-wall-street-has-engaged-in-widespread-manipulation-of-mortgage-funds

Anscheinend sind erhebliche Teile der sog. Fianzindustrie einmal mehr dabei kriminelle Energie an den Tag zu legen und Comercial Morgadge Backed Securities (CMBS) systematisch falsch zu bewerten.

https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3671162

Und ja die sog "Interessenskonflikte" entsprechen m.E. krimineller Energie! Werden beteiligte auf die Fahndungslisten von Interpol gesetzt? 2008 wieselten die sich aus der Schlinge und dichteten die durch sie selbst verursachten Schäden frech in "Staatsschuldenkrise" um! Noch so eine Sauerrei bin ich nicht geneigt hinzunehmen!
Angesichts des damals verursachten Schadens und der leidlich bekannten Inkompetenz seitens der Bundesbehörden überhaupt nur irgendwas halbwegs geregelt bekommen sehe ich mich als Bürger genötigt genau diesen Ton anzuschlagen.

Also: wie gedenken Sie die Steuerzahler vor den Aktivitäten der internationalen Fianzpiraterie zu schützen? Und nein das ist kein ausschliessliches US Problem. Was wir 2008 gelernt haben sollten, denn strukturell hat sich nichts wesentlich getan.
Sowas fehlt gerade noch...

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Janowitz,

vielen Dank für Ihre Frage. Die Banken- bzw. Finanzkrise von 2008, ausgelöst durch die Finanzierungskrise von Immobilien in den USA, hat zu einer gewaltigen Vernichtung von Wohlstand und Arbeitsplätzen gesorgt. Diejenigen die in den Banken, Finanzinstituten und Ratingagenturen arbeiteten, beraten haben und für diese Krise verantwortlich waren, kamen oft ungestraft davon. Programme, die ganz bestimmte Finanzprodukte in den Markt (der über 65jährigen) drücken sollen, dabei das Risiko Totalverlust verschwiegen, sind nicht akzeptabel. Ich kann gut nachvollziehen, dass Sie daher mögliche Frühwarnzeichen einer weiteren Bankenkrise in den USA aufmerksam beobachten. Vielen Dank für Ihre Hinweise.

Über die Ursachen der damaligen Krise habe ich eine Broschüre herausgeben, die zeigt, warum und wie die Krise nach Europa kam, besser: geholt wurde und welche Rolle Verbriefung, Tranchierung und die Herstellung toxischer Finanzprodukte dabei gespielt haben. Sie finden die Broschüre unter https://www.yumpu.com/de/document/read/19861968/-und-ganz-plotzlich-hatten-wir-eine-krise-lothar-binding

Sie haben sehr Recht, dass damals sehr eilfertig von in "Staatsschuldenkrise" gesprochen wurde. Und zwar in Bankenkreisen, auf dem Finanzmarkt… und dass obwohl unser Staat und auch der amerikanische Staat und einige mehr, den Privaten so massiv geholfen hatten. Verständlich – kann sich „der Staat“ erstens kaum gegen solche Vorwürfe verteidigen, zweitens ist das ein prima Ablenkungsmanöver. Allerdings haben sich an dieser Sprechweise auch viele Politiker beteiligt, die die jeweils andere Seite gern in schlechtes Licht taucht. Und schließlich kamen auch Staaten durch die Bankenkrise unter Druck… einige waren es schon zuvor.

Vorsichtiger gehe ich mit Ihrem pauschalen Behördenbashing um: „Angesichts des damals verursachten Schadens und der leidlich bekannten Inkompetenz seitens der Bundesbehörden überhaupt nur irgendwas halbwegs geregelt bekommen…“ In ultrakurzer Zeit wurden exorbitant große Summen aktiviert, in Europa wie in den USA … gefolgt von einer fast 10jährigen Hochkonjunkturphase. Ob sich ein Streit darüber lohnt, ob Privat oder Staat mehr geregelt bekommen hat, mag ich nicht beurteilen. Jedenfalls wäre ohne den Staat sehr viel mehr zusammengebrochen. Da können wir alle gut sehen, wie sehr wir uns brauchen, wenn es erst wird. In allen anderen Zeiten sind sich die Schönwettermanager selbst genug.

Sie haben mir drei Dokumente geschickt: Der Artikel auf ProPublica berichtet von einem Whistleblower, der Anfang 2020 berichtete, dass in den USA möglicherweise Hypotheken auf Geschäftsimmobilien systematisch von den großen Banken gefälscht würden. Es wird eine Parallele zur Immobilienkrise 2007/2008 in den USA gezogen, in der eine ähnliche Überbewertung und falsche Risikoeinschätzung von gebündelten Immobilienkrediten zu einem massiven Wertverfall führten, der die gesamte Weltwirtschaft in eine Abwärtsspirale zog. Diese Parallelität allerdings wäre noch genauer zu untersuchen. Die Ursachen der Krise aus 2008 (vielleicht abgesehen von Beratungsbetrug) würde ich nicht pauschal und a priori im betrügerischen Raum sehen. Die Ursachenbeschreibung finden Sie auch in „… und plötzlich hatten wir eine Krise“.

Weiterhin schickten Sie mir eine Pressemitteilung der SEC, der US-amerikanischen Börsenaufsicht, aus diesem Frühjahr, in der von einer Verurteilung einer mittelgroßen Rating Agentur für Täuschungen bei 31 Risikobewertungen berichtet wird.

Schließlich verlinken Sie einen wissenschaftlichen Artikel aus dem vergangenen Herbst, der noch nicht veröffentlicht und nicht „peer-reviewed“, also mit Vorsicht zu genießen ist. In diesem wird mit statistischen Methoden darauf hingewiesen, dass viele Kreditbündel der Großbanken tatsächlich systematisch überbewertet zu sein scheinen.

Solchen Hinweisen, sofern substantiiert, muss natürlich nachgegangen werden. Leider bleibt von der Substanz oft nicht viel übrig, weil sie auf Vermutungen und Befürchtungen gründet. Später, falls es irgendwann zu einer Krise oder einem Skandal kommen sollte… wird man schnell an die „damaligen Hinweise“ erinnert.

Natürlich sind die im Artikel angesprochenes großen Ratingagenturen ein Grundproblem, wie die Big Four Wirtschaftsprüfungsgesellschaften eine problematische Konzentration darstellen. Sie stehen in einem eindeutigen Interessenskonflikt, da sie zum einen Risiken korrekt bewerten sollen, auf der anderen Seite deren Großkunden (Banken … ) aber ein Interesse haben, dass ihre Produkte als möglichst sicher (also „gut“ und wertvoll, wir sagen: AAA, „Tripple A“) bewertet werden. Wenn eine Ratingagentur nun ehrlich und korrekt bewertet und einer Bank sagt, dass ihr Finanzprodukt toxisch ist, könnte dies die Beziehung zu Kundinnen und Kunden stören. Hier geht es nicht gleich darum zu betrügen und zu lügen, aber dass es hier um ein schwieriges Verhältnis geht, ist schnell zu sehn. An vergleichbarer Stelle fordert die SPD Fraktion schon lange die Trennung von Beratung und Prüfung. Hier würde das bedeuten, auf eine vom Kunden unabhängige Ratingagentur zu haben.

Aus anderen Gründen – aber auch in der Bankenkrise haben Ratingagenturen noch kurz vor dem Crash gute Noten ausgestellt… Keiner hat die Krise kommen sehen. Ich bedaure, dass die Versuche, eine europäische, gemeinnützige Ratingagentur zu gründen gescheitert sind. Trotzdem müssen wir uns weiter darum bemühen, dieses Problem zu lösen und das amerikanische Oligopol auf dem Ratingmarkt zu überwinden. Hierfür benötigen wir bevorzugt eine globale Lösung, am besten mit der USA.

Ob die von Ihnen gelieferten Hinweise aber ausreichen, um eine neue große amerikanische Immobilienkrise (und danach Finanzkrise) anzukündigen, da bin ich mir nicht sicher. Da Sie fragen, wie die Bundesregierung die Bevölkerung vor solchen Gefahren schützt, möchte ich auf eine Auswahl von Gesetzesänderung aufmerksam machen, die in letzter Zeit auf europäischer Ebene getroffen wurden und dieses Thema behandeln:

1. Die Basel II-Verbriefungsregelungen wurden überarbeitet und mit der Verordnung (EU) 2017/2401 in europäisches Recht überführt.

a. Bei der Berechnung der Eigenmittelanforderungen wurden Abhängigkeiten von externen Ratingagenturen abgebaut. Auch hohe Konzentrationen im verbrieften Portfolio (z.B. bei vielen CMBS) werden berücksichtigt, da hier nun höhere Eigenmittelanforderungen gelten. Dass führt dazu, dass Banken weniger anfällig sind, sollte es zu einer ähnlichen Immobilienkrise wie 2007/2008 kommen.

b. Eigenmittelanforderungen insgesamt wurden angehoben, auch für gut Positionen und Produkte mit gutem „Rating“.

2. Außerdem wurde mit der Verordnung (EU) 2017/2402 („VVO“) ein allgemeiner Verbriefungsrahmen für Kapitalmarktteilnehmende geschaffen. Zum Beispiel müssen institutionelle Investorinnen und Investoren besondere Sorgfaltspflichten („Due Diligence“) erfüllen, um nachzuweisen, dass sie entstehende Risiken von Verbriefungen korrekt bewerten (Artikel 5 VVO). Emittierende von Verbriefungen haben neue, umfassende Transparenzanforderungen zu erfüllen, um Risiken nachvollziehbar und einsehbar zu machen (Artikel 7 VVO). Diese müssen außerdem einen Teil des Risikos zurückhalten und somit selbst tragen, was den Anreiz mindert, falsch bewertete Papiere zu vertreiben (Artikel 6 VVO).

3. Es wurde außerdem eine neue „simple, transparent and standardised“ (einfach, transparent und standardisierte) „STS“ Verbriefung eingeführt. Nach der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 können solche Verbriefungen nicht durch Gewerbeimmobilien besichert werden (Artikel 20(13), 24(11) VVO). Das ist also ein Anreiz für Banken, sich nicht zu sehr auf Commercial Mortgage Backed-Securities (CMBS) zu verlassen.

Im Kontext Ihrer Frage finden Sie auch viele Informationen und Antworten unter folgenden Links:

https://www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Home/home.html

https://www.voeb.de/publikationen

https://www.bafin.de/DE/Startseite/startseite_node.html

https://www.bundesbank.de/de/

Ich hoffe, ich konnte Ihr umfassendes Anliegen korrekt einordnen und transparent machen, was wir unternommen haben und unternehmen, um Finanzkrisen möglichst zu verhindern. Leider wird es gleichwohl immer wieder Betrug geben, Kriminelle und auch Krisen – stets aus einer Richtung, aus der niemand damit gerechnet hat – außer denen die stets und ständig vor Krisen und den Gefahren der der Zukunft warnen… oft nutzlose Warnungen auf wackliger Grundlage und unsicheren Quellen, die nichts über Ursache, Richtung, Stärke oder Zeitpunkt sagen (können).

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding