Frage an Lothar Binding von Johannes H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Binding,
zwar liegt jetzt im Bundestag der Entwurf zum Lieferkettengesetz zur Debatte vor, alle die sich mit dem Thema befasst haben wissen aber, dass aus dem Entwurf kein starkes Lieferkettengesetz werden kann. Sind Sie bereit sich im BT dafür einzusetzen, dass die Vorlage verbessert wird um die folgenden Eckpunkte: Unternehmen dazu verpflichtet, proaktiv entlang ihrer gesamten Lieferkette Menschenrechts-Risiken zu analysieren, die Rechte von Betroffenen durch eine zivilrechtliche Haftungsregelung gestärkt werden, ein effektiver Schutz der Umwelt im Gesetz aufgenommen wird und alle großen Unternehmen ab 250 Mitarbeiter*innen erfasst werden?
Sehr geehrter Herr Hauber,
vielen Dank für Ihre Frage. Kürzlich habe ich der Werkstatt Ökonomie e.V. im WeltHaus Heidelberg, die sich sehr stark für ein gutes Lieferkettengesetz engagiert, auf die gleiche Frage geantwortet. Deshalb entsprechen sich einige Textpassagen.
Zunächst zitiere ich von der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: „Lieferkettengesetz kommt noch in dieser Legislaturperiode.
Wir konsumieren Obst aus Afrika oder Südamerika, Schokolade von der Elfenbeinküste und Kaffee aus Brasilien. Wir tragen Kleidung, die in Asien gefertigt wird, unser Handy besteht aus Einzelteilen, die in der ganzen Welt hergestellt werden – und zwar von Menschen, die mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen.
Unternehmen hier verdienen an dem, was in anderen Teilen des Globus erarbeitet wird. Darum stehen sie auch in der Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte entlang ihrer Lieferkette. (Es reicht künftig nicht mehr, nur bis zu den eigenen Werkstoren zu schauen, Unternehmen sollen dafür einstehen, dass es in ihrer gesamten Lieferkette nicht zu Menschenrechtsverletzungen bei der Herstellung ihrer Produkte kommt. Das wollen wir jetzt erstmals auch gesetzlich durchsetzen.
Das Lieferkettengesetz kommt – noch in dieser Legislaturperiode. Mit dem Gesetz wird erstmals die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten geregelt.“
Wie Sie vielleicht wissen, ist mir – und das gilt für alle „mir“ in der SPD Fraktion – dieses Vorhaben sehr wichtig und freut mich, denn mir ist der Schutz von Menschenrechten ebenso wichtig, wie der besondere Wert guter Arbeit.
Daher setzen wir uns (SPD Fraktion, Partei, Mitglieder…) für die Ächtung von Ausbeutung ein – und das weltweit. Wir begrüßen es deshalb sehr, dass der völkerrechtliche Rechtsrahmen in den letzten Jahren weiter vervollständigt werden konnte. Neben den zahlreichen, schon geltenden ILO-Konventionen gibt es seit 2011 die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Erstmals wird damit verbindlich definiert, dass es zur Unternehmensverantwortung gehört, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um menschenrechtliche Gefahren innerhalb der unternehmerischen Einflusssphäre zu vermeiden. Für uns ist daher klar: Die Sorgfaltspflicht der Unternehmen endet nicht am Werkstor. Vielmehr müssen deutsche Unternehmen weltweit dafür Verantwortung übernehmen, wenn es in ihren Lieferketten zu Menschenrechtsverletzungen kommt.
Auf Grund dieser Überzeugung haben wir das Lieferkettengesetz vor über drei Jahren in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt und wir sind deshalb sehr froh, dass es Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nach ziemlich zähem und langem Ringen gelungen ist, einen guten Gesetzentwurf vorzulegen. Gleichwohl fehlen noch Regelungen… obwohl wir und ich diese eine Sekunde nach der Mehrheitsfähigkeit, beschließen würden. Mir ist auch wichtig, dass es umfassende Pflichten im Sinne der UN-Leitprinzipien gibt, die die gesamte Lieferkette in den Blick nehmen. Gleichzeitig schaffen wir mit einer behördlichen Überwachung und einem durchaus hohen Bußgeldrahmen ein Regelwerk, das effektiv und durchsetzungsstark ist. Mit der neu eingeführten Prozessstandschaft für Organisationen erhalten von Menschenrechtsverletzung Betroffene darüber hinaus eine effektive und praktikable Möglichkeit, gegen zurechenbare und nicht abgestellte Verletzungen durch deutsche Unternehmen vor deutschen Gerichten vorzugehen. Damit schlagen wir ein neues Kapitel auf und werden insgesamt eines der effektivsten Lieferkettengesetze in Europa haben. Damit ist noch nicht alles geregelt, wir haben aber mit Blick auf die Koalitionspartner wirklich viel erreicht.
Es ist bekannt, dass wir uns bei den zivilrechtlichen Haftungsregelungen sowie beim Geltungsbereich entlang der gesamten Lieferkette substantiell weitergehende, eindeutigere Regelungen – wohl auch in Deinem Sinne – gewünscht hätten. Auch im Bereich des Umweltschutzes wollten wir stärkere und vor allem nachhaltigere Regelungen. Mit Wirtschaftsminister Altmaier war bisher aber nicht mehr möglich. Formal klingt das so: Die SPD Fraktion erklärt: „Wir werden die von ihnen vorgebrachten Punkte auch weiterhin im Rahmen unseres gemeinsamen Weges für ein umfassendes Lieferkettengesetz verfolgen.“
Gleichwohl möchte ich darauf hinweisen, dass der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form insbesondere auch im offiziellen Begründungsteil viele Durchsetzungsmöglichkeiten entlang der gesamten Lieferkette eröffnet. Mit diesem Gesetz können wir einen historischen Schritt von der freiwilligen zur rechtlich verbindlichen Einhaltung von Menschenrechten machen. Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Hungerlöhne und Ausbeutung müssen gestoppt werden und dürfen kein Wettbewerbsvorteil mehr sein. Und so erkennst Du meine Freude über das Erreichte und meinen Ärger über die fehlenden Teile. Ein Koalitionskompromissgefühl.
Ich bin recht zuversichtlich, dass uns gemeinsam ein noch besseres Lieferkettengesetz gelingen wird. Leider sind weniger als zwei Prozent aller Leute in Deutschland in Parteien, das ist bis tief im Parlament zu spüren.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding