Frage an Lothar Binding von Wiebke W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Binding,
warum werden bei Verbesserungen für "die Pflege", die Pflegenden Angehörigen gänzlich ignoriert und sich total auf die berufliche Pflege fokussiert?
Ca 80% der Pflege findet zu Hause statt.
Die von der Politik und von den Medien viel gelobten Verbesserungen betreffen nur einen Bruchteil der Millionen Pflegenden Angehörigen. So gut wie alle Maßnahmen sind für die zu Pflegenden - egal ob mit oder ohne Angehörige, natürlich können einige davon die Angehörigen entlasten. Wenn es denn genug Entlastungsmöglichkeiten gibt und wenn die von Herrn Spahn angedachte neue Pflegereform nicht durchkommt. Die sieht ja u.a. vor, die Budgets für Tagespflege und auch für die stundenweise Verhinderungspflege (die einzige Möglichkeit, die relativ unkompliziert genutzt werden kann und wird) weiter zu beschneiden.
Auch im Rahmen des Coronarettungsschirms wurden diejenigen, die zu Hause pflegen und keinem Brotjob mehr nachgehen können, gänzlich ignoriert. Für Pflegende Angehörige, die noch arbeiten gehen können, wurden ganze 10 Tage mehr frei zugesprochen, somit insgesamt 20 Tage (sofern ein Arbeitgeber da mitspielt, Theorie und Praxis). Mehr nicht.
Für Pflegende Angehörige gibt es:
1) Unter bestimmten Umständen Rentenpunkte, die werden aber gekürzt, wenn man Kombinationspflege macht/machen muss. Also Hilfe dazu holt, egal wie kurz und ob man mit anfasst, weil es nicht anders geht .
2) Arbeitslosenversicherung - für diejenigen, die AB 2017 pflegen.
Was also gedenken Sie und ihre Partei zukünftig für die Millionen Pflegende Angehörige, die den Staat durch ihre Arbeit zu Hause (und Pflege ist Arbeit, bei aller Liebe) den Staat rund 90 Mrd. Euro jährlich ersparen (*), zu machen?
MfG
(*) nachzulesen hier: https://pflege-dschungel.de/pflege-report-2020/
Sehr geehrte Frau Worm,
vielen Dank für Ihre Frage. Die Leistung und der Einsatz pflegender Angehöriger sind für unsere Gesellschaft unerlässlich. Aus diesem Grund konnten wir in den vergangenen Jahren auch einige Verbesserungen für diese erreichen. So wird bei der Hilfe zur Pflege nun auf das Einkommen der Angehörigen erst zurückgegriffen, wenn es 100.000 Euro im Jahr übersteigt. Pflegende Angehörige erhalten zudem mehr Unterstützung. So können sie inzwischen stationäre Reha-Leistungen in Anspruch nehmen, ohne vorher ambulante Leistungsangebote ausschöpfen zu müssen. Dabei übernehmen die Krankenkassen auch die Kosten für die vorübergehende Unterbringung der Personen, die die betroffenen Angehörigen pflegen.
Außerdem werden pflegende Angehörige seit Januar 2021 steuerlich entlastet: Der Pauschbetrag für die Pflege von Menschen wird mit den Pflegegraden vier und fünf von 924 Euro auf 1.800 Euro erhöht. Erstmals wird ein neuer Pauschbetrag für die Pflegegrade zwei und drei in Höhe von 600 Euro beziehungsweise 1.100 Euro eingeführt. Wer sich wegen der Corona-Pandemie verstärkt um pflegebedürftige Angehörige kümmert, erhält dabei akute Hilfe und flexible Unterstützungsangebote.
Im Zuge der Corona-Pandemie sind zudem weitere Änderungen erfolgt. So ist eine flexible Inanspruchnahme von Sachleistung im Wege der Kostenerstattung im Pflegegrad 2 bis 5 zur Vermeidung pflegerischer Versorgungsengpässe möglich. Es wurde ein Schutzschirm für Angebote zur Unterstützung im Alltag (Entlastungsbetrag €125) geschaffen, inkl. flexible Inanspruchnahme im Pflegegrad 1 und der Mitnahme nicht verbrauchter Beträge aus dem Vorjahr.
Das von Ihnen bereits angesprochene Pflegeunterstützungsgeld wurde von 10 auf 20 Arbeitstage verlängert - Arbeitstage, für die coronabedingtes Pflegeunterstützungsgeld in Anspruch genommen worden ist, werden auf die Arbeitstage nicht angerechnet, für die reguläres Pflegeunterstützungsgeld in Anspruch genommen werden kann.
Bundesgesundheitsminister Spahn hat leider einen Gesetzesentwurf in Arbeit, der Leistungskürzungen bei teilstationären Angeboten vorsieht. Die SPD-Bundestagsfraktion ist gegen Kürzungen bei den teilstationären Angeboten, denn gerade die Leistungen der Tagespflege, aber auch Verhinderungs- und Kurzzeitpflege haben sich in der Praxis bewährt und entlasten die pflegenden Angehörigen.
In jedem Fall wollen wir keine Regelungen, die die Pflegebedürftigen und ihre pflegenden Angehörigen gängeln oder einschränken. Uns ist es wichtig, dass Leistungen nicht gekürzt, sondern dass Bürokratie abgebaut und Leistungen flexibilisiert werden. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag ein Entlastungsbudget vorgesehen, das einen Teil bestehender Leistungen zusammenführen und flexibel nutzbar machen soll. Die von Spahn vorgesehene Umsetzung, die bestehende Leistungen kürzt und komplizierter anwendbar macht, ist genau das Gegenteil dessen, was wir von einem echten Entlastungsbudget erwarten. Die SPD-Fraktion ist gegen Kürzungen und für ein echtes Entlastungsbudget.
Wir fordern weiterhin eine bessere Berücksichtigung von Pflegezeiten bei der Rente, diese dürfen sich nicht mehr negativ auf die Rente auswirken.
Mit der Familienpflegezeit wollen wir pflegende Angehörige dabei unterstützen die Pflege mit Erwerbsarbeit zu kombinieren. Das bedeutet: 15 Monate Anspruch auf Unterstützung (Lohnersatz) bei einer Arbeitszeitreduzierung für jeden nahen Angehörigen ab Pflegegrad 2, auf mehrere Pflegepersonen aufteilbar mit einer Mindestarbeitszeit von 15 bis 20 Stunden.
Für eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist auch ein Ausbau der Kurzzeitpflegplätze dringend notwendig. Wenn pflegende Angehörige krank werden oder Urlaub haben und ihn auch nehmen müssen, brauchen sie ein zuverlässig und kurzfristig verfügbares Angebot für die Übernahme der Pflege ihrer Angehörigen. Um dieses Angebot sicherzustellen, müssen Kurzzeitpflegeplätze auskömmlich finanziert werden. Insgesamt setzen wir uns für einen weiteren Ausbau von ambulanten und teilstationären Angeboten und deren flexible Nutzung, einschließlich weiterer Vernetzung, ein. Vorhandene Ansprüche sollen flexibel genutzt und kombiniert werden können. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen können am besten einschätzen welche fachlichen Unterstützungsangebote ihnen helfen. Innovative Ansätze in der ambulanten Pflege, der teilstationären Pflege und der Vernetzung sollen gefördert und evaluiert werden.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding