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Frage von David K. •

Frage an Lothar Binding von David K. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Binding.

Ich habe erfahren, dass ein Verbot von gewaltverherrlichenden Spielen geplant ist.
Ich sage ganz ehrlich, ich empfinde das als Schnellschuss. Man kann Spiele mit entpsrechendem Inhalt nicht für Gewalt von Jugendlichen verantwortlich machen. Sonst wäre in Deutschland Amokläufe an der Tagesordnung.
Zudem, werd definiert, wann ein Spiel gewaltverherrlichend ist und wann nicht.
Ich spiele selbst auch teilweise Spiele ohne Jugendfreigabe und bin auch kein Amokläufer. Dass Spiele ohne Jugendfreigabe nicht an Jugendliche und Kinder gehen sollten, steht für mich außer Frage. In dieser Hinsicht sollten einfach auch Eltern wesentlich mehr mit einbezogen werden sollen. Die Verhältnis der Medienkompetenz zwischen Kinder bzw. Jugendlichen und Eltern hat meiner Ansicht nach eine deutlich zu große Diskrepanz. Wie oft bekommt man mit, dass es die Eltern gar nicht interessiert, was Ihre Kindern spielen.
Mit einem solchen Verbot werden auch Erwachsene bei der Entscheidung, was sie am PC spielen wollen, entmündigt.
Ich erinnere nur daran, dass es bis heute keine genaue Definition für das Wort "Killerspiele" gibt. Und wenn ich bedenke, wie das Wort in der Politik umschrieben wird, weiß ich nur, dass es genug Spiele gibt, die auf PC bereits ab 12 oder 16 oder auf Konsolen teilweise noch früher freigegeben sind und entsprechend bereits von gesetzlicher Seite aus freigegeben sind! Daher ersuche ich Sie, einem solchen Verbot nicht ohne gründliche Überlegung zuzustimmen. Über eine Stellungnahme zu diesem Thema Ihrerseits würde ich mich freuen.

Mit freundlichen Grüßen
David Kloss

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Sehr geehrter Herr Kloss,

vielen Dank für Ihre Mail zum geplanten Verbot sog. gewaltverherrlichender Computerspiele.

Vorab eine kurze Feststellung: Wirksamer Jugendmedienschutz ist ein wichtiges Ziel einer verantwortungsvollen Jugend-, Familien und auch Medienpolitik. Oft entbrennt nach schrecklichen Ereignissen wie einem Amoklauf erneut eine politische Debatte über den schädlichen Einfluss dieser Art von Computerspielen, die eine sehr breite gesellschaftliche Betroffenheit widerspiegelt. Ich halte es allerdings nicht für sinnvoll, gerade im Umfeld solch emotionaler Ereignisse über dieses Thema zu sprechen, denn im Kern dieser Debatte sollte dabei die sachliche Auseinandersetzung stehen.

Bei der Diskussion über Computerspiele geht es meistens um mehrere Themenkomplexe: um das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in der Schule, um die (fehlende) Anerkennung und Förderung von Kindern und Jugendlichen, auch um Perspektivlosigkeit von Jugendlichen, um Prävention und Bekämpfung von Jugendgewalt, um die Hilflosigkeit von Eltern und Pädagogen, um Fragen von Medienkompetenz und Jugendmedienschutz sowie den Zusammenhang zwischen schlechten Schulleistungen und Medienkonsum.

Gewaltverherrlichende Computerspiele fallen unter das Verbot des § 131 StGB. Deswegen greift die Forderung bezüglich der Einführung eines Verbotes von so genannten "Killerspielen" zu kurz, blendet die geltende Rechtslage weitgehend aus und übersieht zudem die nicht weniger bedeutsamen Aspekte eines wirksamen Jugendmedienschutzes, nämlich die Frage des verantwortungsvollen Umgangs mit den Medien und die hierfür notwendige Medienkompetenz.

Bevor ich auf die politische Diskussion eingehe, möchte ich die geltende Rechtslage zum Jugendmedienschutz darstellen. Der Jugendmedienschutz ist in Deutschland dreistufig geregelt durch:

1.das Jugendschutzgesetz (JuSchG) für Trägermedien (Offline-Medien wie zum Beispiel Bücher, Videofilme, Computerspiele auf CDs),
2.den Jugendmedienstaatsvertrag (JMStV) für Telemedien (zum Beispiel Spiele, die online im Internet zu finden sind) und
3.das Strafgesetzbuch (StGB) für Träger- und Telemedien.

Die erste Stufe ist die gesetzlich vorgeschriebene Alterskennzeichnung: Alle Medien müssen im System der staatlich überwachten Selbstkontrolle eine Alterskennzeichnung erhalten. Kindern und Jugendlichen dürfen nur die Angebote zugänglich gemacht werden, die für ihre Altersstufe freigegeben sind ("Freigegeben ohne Altersbeschränkung", "Freigegeben ab 6 Jahren", Freigegeben ab 12 Jahren", "Freigegeben ab 16 Jahren", "Keine Jugendfreigabe"). Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) führt das Prüfverfahren zur Altersfreigabe bei Computerspielen an dem auch die Obersten Landesjugendbehörden mitwirken, durch.

Die zweite Stufe des Jugendmedienschutzes ist die Möglichkeit der Indizierung: Jugendgefährdende Träger- und Telemedien werden durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert und dürfen Kindern oder Jugendlichen damit weder verkauft, überlassen oder anderweitig zugänglich gemacht werden. Es gilt ein Werbeverbot und der Versandhandel ist nur eingeschränkt erlaubt. Durch die Indizierung wird der Zugang für Erwachsene zwar erschwert (Stichwort "unter der Ladentheke"), er ist aber möglich, denn diese Medien sind nicht verboten. Wegen des Zensurverbots können Medien erst dann indiziert werden, wenn sie bereits auf dem Markt sind.

Die dritte Stufe ist schließlich das Verbot von Gewaltdarstellungen gemäß § 131 StGB. Medien, die "grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen" enthalten, sind verboten, wenn sie Gewalt verherrlichen, verharmlosen oder die Menschenwürde verletzen. Seit der letzten Gesetzesänderung gilt dies auch im Hinblick auf "menschenähnliche Wesen". Über die Indizierungsfolgen hinaus gilt ein generelles Verbreitungs- und Herstellungsverbot. Zuständig hierfür sowie für eine mögliche Beschlagnahme, die zum Beispiel Händler, von denen die Spiele eingezogen und vernichtet werden, betrifft, sind die Gerichte. Computerspiele fallen, sobald sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, bereits heute unter § 131 StGB, unabhängig davon ob es sich um Offline- oder Online-Spiele handelt, denn das StGB gilt sowohl für Träger- als auch Telemedien.

Ich bin der Auffassung, dass es in Deutschland weniger ein Normendefizit, als vielmehr ein Vollzugsdefizit gibt. So haben etwa Testkäufe ergeben, dass der Verkauf von nicht für die Altersstufe freigegebenen Medien an Jugendliche möglich ist. Deshalb muss auch evaluiert werden, warum häufig Spiele entgegen der Alterskennzeichnung verkauft werden, wie dies besser zu kontrollieren und effektiver zu bestrafen ist. Auch die Vergabe der Alterskennzeichnung durch die USK wurde in der Vergangenheit problematisiert. Die vorgebrachte Kritik an dem System der regulierten Selbstkontrolle legt uns eine Überprüfung nahe, ob das System hinreichend funktioniert, ohne das Modell grundsätzlich in Frage zu stellen. In der Diskussion ist ebenfalls, ob der Wortlaut des § 131 StGB tatsächlich geeignet ist, dass gesetzgeberische Ziel zu erreichen, oder aber ob es hier einen Klarstellungsbedarf gibt.

Darüber hinaus gibt es auch ein Bildungsdefizit. Oft ist Eltern nicht bekannt, welche Spiele ihre Kinder spielen, wie LAN-Parties funktionieren, wie weltweite Clans organisiert sind und wie überhaupt solche Spiele inhaltlich orientiert sind. Das führt dann oft im einen Extrem zu nicht nachvollziehbarer Gleichgültigkeit, im anderen Extrem zu nicht begründeten Verbotsorgien – beides keine sinnvollen Verhaltensmuster zwischen Eltern und Kindern.

Verbotsdiskussionen allein greifen daher viel zu kurz greifen. Im Vordergrund der Bemühungen zur Umsetzung eines wirksamen Kinder- und Jugendmedienschutzes muss daher die Förderung und Stärkung von Medienkompetenz in Kindergarten, Schule und Jugendarbeit stehen. Denn bei allen bestehenden Problemen dürfen wir nicht vergessen, dass für einen modernen Kinder- und Jugendschutz die Medienerziehung sowie Medienverantwortung sehr bedeutsam sind. Die guten Möglichkeiten der Nutzung von Computer und Internet müssen unterstützt werden. Dabei darf nicht unterschätzt werden, dass in den hier problematisierten Computerspielen häufig einfache Rollenmuster (starke Helden, autoritäres Durchsetzen, Gewalt als legitimes Mittel, Frauen als Objekte etc.) propagiert werden. Auch deshalb sind alle pädagogischen Alltagsbereiche gefragt, die andere Problemlösungskompetenzen vermitteln.

Darüber hinaus ist eine ehrliche Diskussion über die Situation in den Schulen, aber auch in den Familien nötig. So gibt es zum Beispiel in vielen Ländern eine äußerst geringe Anzahl Schulpsychologinnen und Schulpsychologen. Angesichts der bekannt gewordenen Fälle von kriminellen Jugendlichen müssen wir uns auch fragen lassen, wie Eltern, Geschwister, Nachbarschaft, Mitschülerinnen und Mitschüler, Lehrerinnen und Lehrer reagieren beziehungsweise nicht reagieren, wenn Kinder und Jugendliche oft tagelang in die Parallelwelt der Computerspiele abtauchen. Von Seiten der Wissenschaft wird eine "Kultur der Anerkennung" von Jugendlichen gefordert.

Eine Debatte, die sich auf das Gefahrenpotential von Computerspielen reduziert, entspricht nicht der Vielfalt unserer Lebenswirklichkeit. Computerspiele in ihrer ganzen Breite sind inzwischen nicht nur eine beliebte Beschäftigung in allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten, sondern sind als interaktive Medien – wie beispielsweise auch das Fernsehen – auch ein Kulturgut. Das entlässt uns nicht aus der Verantwortung, den möglichen negativen Folgen von Bildschirmmedien, insbesondere auf den Schulerfolg, zu begegnen. Insgesamt ist der Anteil an Computerspielen, welche als für Kinder und Jugendliche gefährlich eingestuft werden müssen, geringer, als es in der öffentlichen Diskussion den Anschein hat. Im Gegenteil: ich habe schon reißerische Artikel über "Gewaltspiele" in vermeintlich seriösen Tageszeitungen gelesen, die überdeutlich werden ließen, dass der Autor die "beschriebenen" Spiele nicht kannte. Es ist daher notwendig, differenzierte Berichterstattung einzufordern und positive Beispiele von Computerspielen zu unterstützen.

Deshalb haben die SPD-Bundestagsfraktion und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im vergangenen Herbst zum Beispiel einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der vorsieht, einen Computerspielpreis ins Leben zu rufen. Dieser Computerspielpreis zeichnet qualitativ hochwertige sowie kulturell und pädagogisch wertvolle Computerspiele aus. (Antrag "Wertvolle Computerspiele fördern, Medienkompetenz stärken"). Allerdings bleibt Jugendkriminalität ein komplexes gesellschaftliches Problem, das sich nicht durch einfache Erklärungen begründen lässt oder durch einseitige Maßnahmen beheben lässt.

Ich finde in diesem Zusammenhang die Bücher von Manfred Spitzer, „Lernen, Gehirnforschung und die Schule des Lebens“ erschienen im Spektrum-Akademischer Verlag und „Vorsicht Bildschirm – Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft“ erschienen im dtv Verlag sehr lesenswert.

Ich hoffe, Ihre Frage umfassend reflektiert zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding