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Frage von Volker U. •

Frage an Lothar Binding von Volker U. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
dem Handelsblatt vom 30.10.2020 (Bundesprüfer attackieren das Finanzministerium, S.15) konnte ich entnehmen, daß der Bundesrechnungshof(BRH) schwere Versäumnisse des BMF in Sachen Umsatzsteuerbetrug festgestellt hat. Die EU-Kommission beziffert den daraus resultierenden Schaden auf 50 Mrd Euro p.a., wobei Deutschland davon im zweistelligen Milliardenbereich betroffen sei. Die Vorwürfe des BRH wiegelt das BMF damit ab, daß es diesbezüglich "keinen weiteren
Handlungsbedarf sieht." Wie sehen Sie als finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion diesen Sachverhalt und was gedenken Sie zu unternehmen, diesen Schaden zukünftig zu minimieren?
Vielen Dank für Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Ultes

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ultes,

vielen Dank für Ihre erneute Nachricht auf Abgeordnetenwatch.de. Nach der Lektüre der Rechnungshofberichte ist es stets von Vorteil, auch die „Gegenäußerung der Bundesregierung“ zu lesen, um sich ein halbwegs objektives Bild zu verschaffen. Dazu finden Sie viel im Web. Das mildert die Gefahr einseitiger Information und Urteilsfindung. Der Bundesrechnungshof ist eine sehr gute und korrekt arbeitende Behörde und gibt dem Bundestag sehr wichtige Hinweise, denen speziell im Rechnungsprüfungsausschuss im Einzelnen nachgegangen wird – und doch kann der Rechnungshof stets nur die Sichtweise, den Blickwinkel des Rechnungshofes bzw. dessen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einnehmen. Und wie fast immer, gibt es auch andere Blickwinkel, andere Sichtweisen.

Hinsichtlich der Karussellgeschäfte ist schon viel passiert. Die Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens, also die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (auch Abzugsverfahren). Danach muss der Leistungsempfänger (Kunde) und nicht der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer entrichten. Leider stehen Europa bzw. einige Mitgliedstaaten einer europaweiten Einführung noch im Weg.

Das Reverse-Charge-Verfahren gilt seit dem 1. Januar 2011 z.B. für die steuerpflichtigen Lieferungen von Industrieschrott, Altmetalle und sonstige Abfallstoffen, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist. Zu den unter das Reverse-Charge-Verfahren fallenden Gegenstände gehören neben Abfällen und Schrott diverser Metallstoffe auch Abfälle und Schrott aus Kunststoff, Weichkautschuk, Glas sowie aus elektrischen Primärelementen, Primärbatterien und Akkumulatoren… alles betrugsanfällige, jedenfalls auffällige Branchen.
Ebenso ist es mit der IST Besteuerung. Auch sie wäre gut geeignet Betrug zu verhindern. Aber durch Beschränkungen im internationalen Austausch von Rechnungsdaten oder die fehlende Bereitschaft einzelner Länder sich zu beteiligen, ist es auch hier nicht möglich sie einfach europaweit einzuführen.

Der Bundestag hat mit dem Jahressteuergesetz 2018 umfassende Maßnahmen gegen Umsatzsteuerbetrug beim Handel von Waren im Internet beschlossen. Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs steht die Verpflichtung von Plattformbetreibern im Internet, ab dem 1. Januar 2019 relevante Daten der bei ihnen aktiven Händler zu erfassen, um eine Prüfung durch die Steuerbehörden zu ermöglichen. Als Folge haben sich tausende Unternehmen beim für Internethandel zuständigen Finanzamt in Berlin registriert.

Außerdem wurde eine Haftung der Plattformbetreiber für die nicht gezahlte Umsatzsteuer eingeführt, die unter bestimmten Bedingungen greift, zum Beispiel wenn der steuerhinterziehende Händler keine Bescheinigung für seine steuerliche Registrierung vorlegt.

Diese Maßnahmen sind nun gut zwei Jahre in Kraft. Eine Evaluation steht aber noch aus. Gute Informationen finden Sie auch unter:

https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2018/10/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-3-Bekaempfung-des-Umsatzsteuerbetrugs_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=3

https://www.bzst.de/DE/Behoerden/Steuerstraftaten/UStBetrugsbekaempfung/ustbetrugsbekaempfung_node.html#js-toc-entry2

Gleichwohl bleibt viel zu tun um auf dem Weg Betrugsbekämpfung weiter zu kommen. Das ist ein langer (vielleicht ewig langer) Weg, weil sich hinter jeder Kurve ein neuer Betrug auftut. Insofern lese auch ich die BRH Berichte mit großem Interesse – aber auch die jeweiligen Gegenäußerungen der Bundesregierung. Ich versuche es zu vermieden, mein Urteil zu stark auf Zeitungslektüre allein zu stützen.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding