Frage an Lothar Binding von Hans M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Binding,
zu Ihrer Antwort an Frau Prof.Pollerberg habe ich noch 3 Fragen:
1.Wie passt die beste Finanzaufsicht mit den in Schwierigkeiten gekommenen öffentlichen Banken zusammen.
2.Warum hat die SPD im Jahre 2002 die gesetzlichen Voraussetzungen so geändert, dass auch Nichtbanken Kredite kaufen konnten.
3.Warum muss, angesichts der für viele drängenden Verunsicherung,über den Ref.Entwurf 16/7438 noch so lange beraten werden. Sind die Mißstände nicht klar zu sehen?
H.Meder
Sehr geehrter Herr Meder,
für Ihre Nachfragen zu meiner Antwort an Frau Prof. Pollerberg danke ich Ihnen. Ihre Fragen beantworte ich Ihnen im Einzelnen folgendermaßen:
1.Ihre Frage ist berechtigt; die zugrundeliegende Logik erinnert mich an folgende Argumentation: wir haben auf unseren Strassen viele Geschwindigkeitsbeschränkungen, wir haben Polizistinnen und Polizisten, die über ihre Einhaltung wachen, wir haben ein Strafsystem, das Geschwindigkeitsübertretungen sanktioniert – und trotzdem halten sich so viele Verkehrsteilnehmer einfach nicht daran. Oder anders gesagt: was nützt das beste Regelwerk, wenn sich niemand danach richtet? Neben der politischen Verantwortung stellt sich hier also auch die Frage nach der individuellen Verantwortung der Betreiber von Kreditinstituten oder Fondsgesellschaften.
In Deutschland teilen sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Bundesbank die Aufsicht über die Geschäfte von Banken, Finanzdienstleistern, Versicherungsunternehmen und den Wertpapierhandel. Die Bundesbank übernimmt die laufende Überwachung der Geschäftstätigkeit der Banken und wertet nach § 44 des Kreditwesengesetzes die Jahresabschlussberichte der Institute aus. Der BaFin obliegt als Allfinanzaussichtsbehörde die Solvenz- und die Marktaufsicht.
Ein funktionierendes, qualifiziertes und unabhängiges Aufsichtsregime ist angesichts der Komplexität des Finanzsektors notwendig – aber nicht hinreichend, um alle Finanzmarktrisiken für Verbraucher, Kreditnehmer, Anleger, Unternehmen und natürlich die Institute selbst zu beseitigen. Für das Funktionieren eines transparenten Finanzsektors sind auch Faktoren wie Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit, Handeln im Interesse des Kunden oder zum Wohle der eigenen Anleger unerlässlich – marktwirtschaftliche Tugenden, die auch das beste Aufsichtsregime alleine weder stimulieren noch einfordern kann. Daher begrüße ich die Position des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), dessen angeschlossene Kreditinstitute, d.h. Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda- Banken und PSD Banken, sich verpflichtet haben, vertragsgemäß bediente, sog. störungsfreie Kredite nicht ohne Zustimmung des Kreditnehmers zu veräußern. Freiwillige Selbstverpflichtungen zum Wohle des Kunden halte ich für einen geeigneten Weg, ein möglicherweise gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunden wiederherzustellen.
2.Sie sprechen in Ihrer zweiten Frage an, dass die SPD im Jahre 2002 die gesetzlichen Voraussetzungen so geändert habe, dass auch Nichtbanken Kredite kaufen konnten. Vermutlich meinen Sie das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz aus dem Jahr 2002. Dieses Gesetz hat allerdings keinen Einfluss auf die gegenwärtig zu Recht kritisierte Praxis des Kreditverkaufs. Es hat zwar das Rechtsberatungsgesetz im Bezug auf den Verkauf von Forderungen geändert; diese Änderung steht aber nicht in Zusammenhang mit der angesprochenen Problematik. Die rechtliche Situation von Schuldnern hat sich also in den letzten Jahren aufgrund von Gesetzesänderungen nicht verändert. Was sich allerdings verändert hat, ist die Praxis der Banken, Forderungen aus Kreditverträgen mit dem Ziel der Renditesteigerung zu verkaufen. Seriöse Schätzungen beziffern dieses Volumen auf ca. 10 -12 Mrd. Euro im Jahr. Die rechtliche Neuregelung, die wir mit dem Risikobegrenzungsgesetz umsetzen, muss diese Entwicklungen abbilden und die Stellung des Kreditnehmers bei solchen Kreditverkäufen stärken.
3.Die Verunsicherung vieler privater Bankkunden, die sich mit einem Immobiliendarlehen ihrer Bank den Traum vom eigenen Häuschen oder der eigenen Wohnung erfüllen wollen, kann ich gut verstehen. Gerade deshalb muss der Referentenentwurf zum Risikobegrenzungsgesetz allerdings sorgfältig beraten werden. Der Zeitaufwand für die Anhörung unterschiedlicher Positionen, für den fachlichen Austausch mit den beteiligten Bundesministerien und für die Abstimmung mit den Koalitionspartnern ist gerechtfertigt. Denn mit einem vorschnell verabschiedeten, fehlerhaften Gesetz verfehlen wir unsere Zielstellung gleich in zweifacher Hinsicht: Darlehensnehmer und –geber müssen Rechtssicherheit haben, welche Rechte und Pflichten sich aus ihrem Vertragsverhältnis ergeben. Dem Anlegerschutz ist am wirksamsten mit Berechenbarkeit, Transparenz und Vertrauenswürdigkeit gedient. Zugleich muss die Neuregelung berücksichtigen, dass Banken auf die Möglichkeit zur Refinanzierung angewiesen sind, um ihre Funktion als Kreditgeber für kleine und mittlere Unternehmen, Handwerksbetriebe oder auch Privatkunden erfüllen zu können. Dieses Nebeneinander unterschiedlicher Parameter verstärkt die Komplexität des Sachverhaltes und erhöht den Beratungs- und Abwägungsbedarf.
Zudem erinnere ich daran, dass die SPD- Bundestagsfraktion durchgesetzt hat, das Thema Verkauf von Krediten überhaupt in den Referentenentwurf aufzunehmen. Daneben enthält der Entwurf eine Reihe von Maßnahmen, die unerwünschte Folgen der Tätigkeit von Finanzinvestoren unterbinden sollen. Auch hier besteht Beratungsbedarf, zumal das Gesetz in einem umfassenden Zusammenhang eingebunden ist und zusammen mit dem Gesetz über die Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalgesellschaften die Aktivitäten von Finanzinvestoren in Deutschland neuen, verschärften Regelungen unterwerfen soll. Dies dient dem Schutz privater Anleger und Bankkunden und verbessert speziell für kleinere Unternehmen die Finanzierungsmöglichkeiten.
In der Hoffnung, Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben,
verbleibe ich
mit freundlichem Gruß, Lothar Binding