Frage an Lothar Binding von ingo m. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Binding,
mit der Änderung von §20 EStG hat der Gesetzgeber die Verlustverrechnung im Bereich von derivativen Finanzprodukten ab 2021 gedeckelt.
Sie haben die damit einhergehenden m.E. schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken auf abgeordnetenwatch u.a. mit Verweis auf ein Urteil des BFH zur Begrenzung der Verlustausgleichsbegrenzung zurückgewiesen.(BFH IV R 20/13).
Es ist richtig, dass das BVerfG dem Gesetzgeber erlaubt hat, mittels "generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen" (BVerfGe 123,111) vom unbedingten Nettoprinzip (Leistungsfähigkeitsprinzip) des EStG abzuweichen, das jedoch zugleich an enge Grenzen der Folgerichtigkeit und eines "besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes" (ebda. Ziff.28) gebunden. Dieser Grund war bei der von Ihnen zitierten Entscheidung des BFH nach Auffassung des Gerichts gegeben, da es sich um die Verrechnung von unterschiedlichen steuerlichen Einkunftsarten (Einnahmen aus Gewerbebetrieb vs. Termingeschäfte) ging. Meine erste Frage:
1.) Worin besteht der sachlich rechtfertigende Grund für die eklatante Abweichung vom verfassungsrechtlich gebotenen Nettoprinzip in der von Ihnen mit verantworteten Änderung des EStG innerhalb einer einzigen Einkunftsart (Einnahmen aus Termingeschäften) ?
Nach jüngsten Pressemitteilungen sollen durch BMF-Schreiben einige Hebelprodukte aus dem Anrechnungs-Deckel ausgenommen werden, also z.B. Optionsscheine, nicht jedoch Optionen, sowie Knock-out-Zertifikate, nicht jedoch Futures. Abgesehen davon, dass es sich danach ohnehin nur noch um eine "Gesetzes-Ruine" handeln dürfte, da die zumindest in Deutschland umsatzstärksten privat gehandelten Hebelprodukte ausgenommen werden:
2.) Können Sie diese Entwicklung bestätigen und was ist der sachliche Grund dafür ? Spielt das Umsatzinteresse der hiesigen Geschäftsbanken,die kein wirtschaftliches Interesse am (im Vergleich zu den von ihnen angebotenen Produkten preisgünstigeren) privaten Options- und Future-Handel haben, eventuell eine Rolle?
Vielen Dank für Ihre Antworten und mit freundlichen Grüßen
I. M.
Sehr geehrter Herr Moll,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG. Wie Sie den vorangegangenen Antworten zu diesem Thema entnehmen, sind alle relevanten Fragestellungen im Kontext dieser Regelung aufgrund der hier gestellten, nahezu inhaltsgleichen Fragen bereits abschließend diskutiert worden. Durch eine kurze Internetrecherche habe ich festgestellt, dass sich zumindest einige der Fragestellerinnen und Fragesteller in Internetforen dazu verabreden hier Fragen zum Thema zu stellen und sich dabei gegenseitig hochschaukeln. Das habe ich in meiner Antwort an Herrn Schönamtsgruber humoristisch aufgegriffen. Sie können dies hier nachlesen: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/lothar-binding/fragen-antworten/514477.
Auch Ihre Frage wird in diesem Forum kommentiert und meine Antwort bereits erwartet: https://www.wallstreet-online.de/diskussion/1317120-21-30/tradings-steuerregel#k:Moll.
Der Gesetzgeber ist gemäß Artikel 3 Abs. 1 GG an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit gebunden. Die Besteuerung muss sich also an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausrichten. Das Einkommensteuerrecht knüpft an die individuelle Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen an.
Ein Abweichen von der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit im Einkommensteuerrecht ist nach Artikel 3 Abs. 1 GG durch Sachgründe zu rechtfertigen. Das Bundesministerium der Finanzen formuliert es so: „Als solcher Sachgrund ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich der Gesetzgeber für die Ausgestaltung des Verlustabzugs auf eine Verstetigung des Steueraufkommens infolge der Dämpfung der Steuerauswirkung durch hochspekulative Geschäfte beruft.“ Grundsätzlich gilt in Verfassungsfragen: Was verfassungskonform ist und was nicht, entscheidet ausschließlich das Bundesverfassungsgericht.
Die Regelung in § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG sieht im Übrigen nicht vor, dass Verluste aus Aktiengeschäften endgültig keine Berücksichtig finden und das zu versteuernde Einkommen erhöht wird. Die Verluste sind ja veranlagungsübergreifend verrechenbar.
Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen, Lothar Binding