Frage an Lothar Binding von Blaise E. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrter Herr Binding,
meine Anfrage betrifft die Beschränkung der Verlustabzugsberechtigung bei Termingeschäften bei Privatanlegern. Ich habe Ihre sonstigen Antworten zu dem Thema bereits gelesen. Folgender Aspekt bleibt dabei Ihrerseits jeweils unbeantwortet:
Die durch den Bundestag und Bundesrat beschlossene Regelung führt im schlimmsten Fall dazu, dass Steuern gezahlt werden müssen, obwohl faktisch ein Verlust vorliegt.
Beispiel:
Gewinn aus Termingeschäften 2021: 20.000 €
Verlust aus Termingeschäften 2021: 30.000 €
Die Verluste übersteigen also die Gewinne 2021.
Der zu versteuernder Gewinn 2021 beträgt jedoch 10.000 €, da von den 30.000 € nur 10.000 € nach der neuen Regelung berücksichtigt werden.
Ich habe Ihre sonstigen Antworten zu dem Thema bereits gelesen. Ich bitte daher um eine konkrete Stellungnahme zu dem hier genannten Berechnungsbeispiel. Meine Frage lautet konkret: Warum halten Sie es für verfassungsgemäß - wie im Beispiel aufgezeigt - Steuern zu erheben, wenn faktisch ein Verlust im Veranlagungszeitraum hinsichtlich der Termingeschäfte entstanden ist? Schließlich ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG, dass nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu besteuern ist. Über eine konkrete Antwort zu dem Berechnungsbeispiel und der konkreten Frage würde ich mich sehr freuen.
Vielen Dank!
P.S.: Meines Erachtens können Sie den "Schutz der Allgemeintheit vor Spekulationsverlusten" bereits erreichen, indem die Verrechnung der Verluste aus Termingeschäften auf Gewinne aus Termingeschäften beschränkt wird. Die zusätzlich unterjährige Verlustabzugsbeschränkung auf 10.000 € vor diesem Hintergrund an sich völlig unnötig. Denn durch die Begrenzung der Verlustverrechnung auf Gewinne aus Termingeschäften geht dem Staat kein Steuersubstrat der sonstigen Einkünfte verloren, so dass die Allgemeinheit nicht durch Verluste aus Termingeschäften belastet wird.
Sehr geehrter Herr E. M.
vielen Dank für Ihre Frage. Sie haben Recht. Sicher habe ich noch nicht alle Aspekte der Verlustverrechnungsbeschränkung – im Kontext von § 20 Abs. 6 EStG - Verlustverrechnung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen – aufgegriffen. Leider werde ich in dieser Hinsicht auch keine Vollständigkeit erreichen. Da muss ich stets um Entschuldigung bitten.
Sie schreiben: "Die durch den Bundestag und Bundesrat beschlossene Regelung führt im schlimmsten Fall dazu, dass Steuern gezahlt werden müssen, obwohl faktisch ein Verlust vorliegt." Da haben Sie auch Recht – allerdings können Sie als Privatanleger Ihr Risiko erstens so steuern, dass Ihnen das nicht passiert. Sie könnten im Betriebsvermögen zweitens als Personengesellschaft (was einfach ist) oder drittens als Körperschaft (was komplizierter ist) die Verlustverrechnung deutlich verbessern.
Sie haben sicher bemerkt, dass ich bei den vielen anderen Frage auch auf Berechnungsbeispiele nicht eingegangen bin. Berechnungsbeispielen liegen bestimmte Verhalten am Markt zugrunde, eine bestimmte Bereitschaft Risiken einzugehen – und in diese Risikobereitschaft müssen Sie künftig das Risiko für Sie nicht verantwortbare Verluste zu machen, miteinrechnen. Dabei können Sie ja auch als Privatanleger Verluste verrechnen, aber nicht in beliebiger Höhe. Das Risiko, das sich aus der möglichen Steuerzahlung ergibt, ist kalkulatorisch miteinzubeziehen.
Sie werden sicher sagen: jetzt hat er schon wieder meine Frage nicht wirklich beantwortet. Das würde ich jedenfalls verstehen, wenn Sie daran denken, dass jemand genauso weiter spekulieren möchte wie bisher. Aber mit Blick auf die Gesetzeslage, könnte ja darüber nochmal erneut nachgedacht werden.
Um ein Bild zu bemühen. In Ihrer Straße steht plötzlich das Verkehrszeichen 325.1: verkehrsberuhigter Bereich. Dann dürfen Sie künftig in Ihrer Straße nur noch Schrittgeschwindigkeit fahren. Sie können natürlich viel schneller fahren, dann sollten Sie das Risiko einer Extrazahlung miteinkalkuliert haben.
Mit freundlichen Grüße,
Ihr Lothar Binding