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Frage von Roman L. •

Frage an Lothar Binding von Roman L. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Binding,

vielen Dank, dass sie sich die Zeit nehmen, um in diesem Forum auf individuelle Fragen zu reagieren.

Sie haben geschrieben, dass sie es Spekulanten schwerer machen wollen, die "in schlechten Zeiten doch einigermaßen schnell nach der Gemeinschaft rufen". Dies trifft aber vor allem auf professionelle Spekulanten zu, die riesige Boni einfahren und danach ihre Bank in den Ruin treiben, ohne mit ihrem Privatvermögen zu haften. Wenn ein Privatanleger dagegen Verluste macht, bezahlt er diese aus der eigenen Tasche (solange er nicht bis auf die Grundsicherung zurückfällt).

Auch wenn der Vorsatz gut gemeint war, fördert ihre Gesetzesänderung leider die soziale Ungleichheit, da sie reiche Menschen nicht betrifft, die ohne Problem über Firmen im Ausland handeln können. Dem Mittelstand wird dadurch aber der Zugang zu einem großen Bereich des Kapitalmarktes und damit auch eine Option für die Altersvorsorge verwehrt. 

Ich komme aus einem traditionell SPD-geprägten Elternhaus. Wenn aus linken Reihen jedoch Gesetze gemacht werden, die die Schere zwischen arm und reich nur noch größer machen und meinen Arbeitsplatz gefährden, dann wäre es für mich leider keine Option mehr. Es wäre sozial doch viel vertretbarer, wenn z.B. die Nettogewinne gestaffelt versteuert würden, sodass Großspekulanten auch ihren Beitrag leisten?

Dazu kommt, dass der private Handel auch eine wichtige Rolle in der Bildung spielt. Viele Menschen werden erst durch den eigenen Handel dazu motiviert, zu verstehen, welche entscheidende Rolle z.B. die Zentralbanken spielen und welche Faktoren wichtig für die Stabilität eines Finanzsystems sind. 

Wie für vielen anderen steht auch mein Arbeitsplatz durch diese Änderung auf dem Spiel, weshalb mich sehr interessieren würde, was sie auf meine Argumente entgegen. Gerade in Zeiten, in denen viele Menschen ihren Job durch die Coronavirus-Pandemie verlieren werden, ist es schwer nachzuvollziehen, dass die SPD Gesetze einbringt, die gezielt gegen den Erhalt von Arbeitsplätzen wirken.

Vielen Dank für Ihre Zeit und deprimierte Grüße,
Roman 

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lengert,

vielen Dank für Ihre Frage. Anfangs zögerlich, beantworte ich inzwischen Fragen auf abgeordnetenwatch.de sehr gern – wie ich auch alle ersten Mails von Bürgerinnen und Bürgern auf meinen diversen E-Mailaccounts beantworte. Leider wächst mein Mail-Berg manchmal schneller als ich ihn abtragen kann. Manchmal werden auch fast inhaltsgleiche oder rein rhetorische Fragen gestellt, manchmal auch leicht arrogant und zynisch. Dann gelingt es mir nicht immer, das so vorgegebene Niveau zu verfehlen. Deshalb: vielen Dank für Ihre freundliche Einleitung.

Sie schreiben, dass der von mir angedeutete Egoismus wesentlich auf „professionelle Spekulanten zu (trifft), die riesige Boni einfahren und danach ihre Bank in den Ruin treiben, ohne mit ihrem Privatvermögen zu haften.“ 100 Prozent d’accord. Das ist auch für die SPD und die SPD-Bundestagsfraktion, für alle Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ein großes Ärgernis, skrupellose direkte oder indirekte Bereicherung an der Gemeinschaft.

Nachfolgend zitiere ich aus einem Beitrag von Alexander Linden vom 7. März 2017:

„SPD-Fraktion beschließt Gesetzentwurf

Es ist noch gar nicht so lange her, da verdiente ein Vorstand eines Unternehmens im Schnitt zehnmal so viel wie ein Arbeitnehmer. Inzwischen gibt es Fälle, in denen der Vorstand das Hundertfache eines normalen Angestellten bekommt. Ist das noch nachvollziehbar? Ist das gerecht?

Maß und Mitte scheinen in manchen Vorstandsetagen verloren gegangen zu sein. Und da alle Appelle und Selbstverpflichtungen nichts an diesen exzessiven Entwicklungen geändert haben, hat die SPD-Bundestagsfraktion jetzt einen umfassenden Gesetzentwurf zur Begrenzung von Managergehältern und Boni vorgelegt.

Darin schlägt die SPD-Fraktion unter anderem vor, die steuerliche Absetzbarkeit von Vorstandsbezügen in Aktiengesellschaften auf 500.000 Euro pro Jahr zu begrenzen. Außerdem soll die Hauptversammlung ein Maximalverhältnis zwischen der Vorstandsvergütung und dem Durchschnittsgehalt im Unternehmen festlegen. Drittens soll der Aufsichtsrat bei schlechten Leistungen der Vorstände die Bezüge herabsetzen oder Ruhegehälter zurückfordern können.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann stellte auf einer Pressekonferenz klar: „Wir wollen keine Neiddebatte gegen Manager schüren. Außergewöhnliche Leistung muss auch außergewöhnlich honoriert werden“. Aber dass Boni und auch höchste Altersbezüge auch dann noch gezahlt würden, wenn das Unternehmen aufgrund von Fehlentscheidungen in schlechter Verfassung ist, sei nicht nach vollziehbar. Manager hätten eine Vorbild- und Führungsfunktion.

Aktiengesellschaften, nicht Familienbetriebe

„Wir haben keinen Raubtierkapitalismus in Deutschland, sondern das Leitbild der sozialen Marktwirtschat“, sagte Oppermann und ergänzte, dass viele Menschen „ein Störgefühl“ hätten, wenn sie erlebten, dass Manager trotz schlechter Leistungen umfassend abgesichert seien, während normale Arbeitnehmer bei schon bei kleinsten Verfehlungen das Risiko eingingen, fristlos gekündigt zu werden.

Oppermann machte deutlich, dass es „eine durchsichtige Argumentation“ sei, wenn behauptet wird, der Markt verlange diese exorbitanten Vergütungen, weil die Dax-Manager sonst alle abwandern würden in die USA. „Diese Gefahr ist gering“, so der SPD-Fraktionschef.

Sein Stellvertreter Carsten Schneider, zuständig für die Bereiche Finanzen, Steuern und Haushalt, erklärte, es gehe in dem Gesetzentwurf nur um Aktiengesellschaften. Familienbetriebe etwa seien schon deshalb ausgenommen, weil Familienunternehmer mit vollem Risiko und mit ihrem Eigentum für diese Unternehmen geradestünden. Vorstände dagegen seien Angestellte und könnten sich sogar gegen grobe Fahrlässigkeit versichern.

Schneider legte auch dar, dass das Thema die SPD-Fraktion schon lange umtreibe: Bereits 2009 hatte sein Vorgänger Joachim Poß gefordert, die steuerliche Absetzbarkeit von Vorstandsgehältern einzuschränken – die Union wollte das schon damals nicht.

Zum Gesetzentwurf:

Die Vorlage setzt sich aus einem Antrag der SPD-Fraktion von 2013 und dem Beschluss einer Klausurtagung vom Januar 2017 zusammen.

• Die Gesamtbezüge eines einzelnen Vorstandsmitglieds ohne Ruhebezüge sind nicht mehr steuerlich als Betriebsausgabe absetzbar, soweit sie in Summe den Betrag von 500.000 Euro übersteigen

• Die Ruhebezüge jedes ehemaligen Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft oder dessen Hinterbliebenen sind nicht mehr steuerlich als Betriebsausgabe absetzbar, soweit sie die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung übersteigen..

• Die Kriterien, unter denen Vorstandsbezüge durch den Aufsichtsrat herabgesetzt oder zurückgefordert werden können, werden verbindlicher ausgestaltet („muss“ statt „soll“).

• Im Falle einer Schlechtleistung oder regelwidrigen Verhaltens eines Vorstandsmitglieds wird ein gesetzlicher Anspruch auf Herabsetzung der Vergütung und/oder der Ruhebezüge für den Aufsichtsrat eingeführt.

• Die Rechte der Hauptversammlung werden erweitert. Künftig hat sie über den Vorschlag des Aufsichtsrates über die Festsetzung des Verhältnisses zwischen der Gesamtvergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder und dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen des jeweiligen Unternehmens zu entscheiden sowie außerdem über den Vorschlag des Aufsichtsrates über die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder.

Der Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion wird nun mit dem Koalitionspartner debattiert. Da die CDU sich zuletzt aufgeschlossen für gesetzliche Maßnahmen bei Vorstandsbezügen zeigte, sind die Sozialdemokraten überzeugt, dass die Union sich mehr Gerechtigkeit nicht verweigert.

Thomas Oppermann brachte es auf den Punkt: „Eine Gesellschaft, in der die Mehrheit der Menschen das Gefühl hat, es geht gerecht zu, ist produktiver als eine Gesellschaft, die die Mehrheit als ungerecht empfindet.“

Soweit das Zitat.

Sie finden den Gesetzesentwurf unter https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/gesetzentwurf_manager-verguetungen_spdbt_final.pdf

Dieser Gesetzentwurf ist deshalb so vorsichtig formuliert, um es den sogenannten christlichen Parteien leichter zu machen, diesen Pfad der Gerechtigkeit zu beschreiten. Leider hat es mit diesem Gesetz trotzdem nicht geklappt.

Im Dezember 2019 ist der SPD-Bundestagsfraktion mit dem „Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie“ aber ein wichtiger Teilerfolg bei der Regulierung von Managergehältern gelungen. Wir konnten das Mitspracherecht der Aktionäre bei der Vergütung der Vorstände („Say on Pay“) stärken. Die Hauptversammlung stimmt über das vom Aufsichtsrat vorgelegte Vergütungssystem und über den zu veröffentlichenden Vergütungsbericht ab. Damit der Aufsichtsrat nicht geschwächt wird, in dem ja auch Arbeitnehmervertreter sitzen, entscheidet letztlich der Aufsichtsrat. Das Abstimmungsergebnis der Hauptversammlung fließt inhaltlich beratend in diese Entscheidung ein. Der Aufsichtsrat muss aber eine Obergrenze für die Vorstandsvergütung einziehen, entweder für den gesamten Vorstand oder für jedes Mitglied individuell. Vor diesem Gesetz war eine Vergütungsbegrenzung durch den Aufsichtsrat rein freiwillig – ohne Wirkung. Die Hauptversammlung der Aktionäre kann die beschlossene Vergütungsgrenze dann noch einmal weiter absenken.

Ein Privatanleger agiert natürlich auf eigene Rechnung. Er spekuliert sicher auch, aber in einer anderen Dimension und mit anderen Risiken. Kommt der Privatanleger, viele nennen sich auch private Investoren, in den Bereich stark gehebelter Produkte, will er also mit einem kleinen Betrag große Summen im Risiko bewegen und benötigt gleichzeitig entsprechende Volumina zur Besicherung, verlässt so die Sphäre eines privaten Investors und tritt in die Sphäre der privaten Zocker ein. In diesem Fall sichert die „private Sphäre“ einen günstigen Steuersatz auf Gewinne (Abgeltungsteuer) und das rechtfertigt eine gewisse Beschränkung der Verlustverrechnung.

Sie schreiben, dass dies „reiche Menschen nicht betrifft, die ohne Problem über Firmen im Ausland handeln“ könnten. Sie haben Recht, aber diese Feststellung, dass reiche Menschen mehr Möglichkeiten haben als arme Menschen gilt leider fast immer und überall. Deshalb lohnt sich ein Blick auf unsere steuerpolitischen Vorstellungen. Aber die Restriktionen in Deutschland gelten für arm und reich und auch der „arme“ Spekulant kann sich im Betriebsvermögen so bewegen wie der reiche Spekulant.

Sie sprechen vom „Mittelstand“. Für den Mittelstand gibt es viele Definitionen in Abhängigkeit von Status, Einkommen und Vermögen. Ich erwähne einmal das Durchschnittseinkommen in Deutschland: das liegt bei etwa 30.000 Euro pro Jahr. Viele, die sich im Mittelstand wähnen, können sich gar nicht mehr vorstellen, wie man mit 30.000 Euro im Jahr auskommen kann… und wie die Mehrzahl aller Menschen in Deutschland mit deutlich weniger im Jahr auskommen kann und muss. Wer an der Börse spekuliert gehört überwiegend in das oberste Einkommensdezil und ist sowohl intellektuell, als auch hinsichtlich seiner ökonomischen Absicherung, in der Lage frei zu entscheiden in welcher Rechtsform er sich auf die Spekulation konzentriert.

Wenn Ihre Altersvorsorge tatsächlich davon abhängt, dass Sie privat am Kapitalmarkt spekulieren müssen, dann ist es vielleicht tatsächlich besser, ich schütze Sie vor sich selbst. Die „Option für die Altersvorsorge“ in der Spekulation zu suchen ist fahrlässig – und noch dazu unfair, weil im Zweifelsfall Ihre Altersvorsorge dadurch gesichert ist, dass andere ihre Altersvorsorge verlieren. Ich bin für eine solidarisches Altersvorsorgesystem. Verstehen Sie mich bitte richtig: Ich möchte Ihne nicht den Spaß am Wetten nehmen, aber Ihre Altersvorsorge benötigt andere Grundlagen.

Sie schreiben noch: „Wenn aus linken Reihen jedoch Gesetze gemacht werden, die die Schere zwischen arm und reich nur noch größer machen und meinen Arbeitsplatz gefährden, …“ Das verstehe ich nicht. Wenn Sie als Privatanleger spekulieren, vermute ich, dass dies nicht Ihre berufliche, professionelle Hauptbeschäftigung ist. Und wenn Sie als Privatanleger spekulieren, werden Sie das doch stets so tun, dass Sie nicht Ihre berufliche Basis, Ihren Arbeitsplatz gefährden. Ich vermute, dass dieser Satz von Ihnen auch ein wenig provokativ gemeint ist. Das ist erlaubt. Solche Sätze schreibe ich auch manchmal… wenn die Hand stärker ist als der Kopf. Wer kennt das nicht?

Ihre These, es sei „sozial doch viel vertretbarer, wenn z.B. die Nettogewinne gestaffelt versteuert würden, sodass Großspekulanten auch ihren Beitrag leisten“ gefällt mir sehr gut. Mit der Verlustverrechnungsbeschränkung lohnt sich die Spekulation im Privaten für Großspekulanten nicht und er muss auf den Steuervorteil durch die Abgeltungsteuer verzichten. Das geht schon in Richtung Ihrer Überlegung. Im Betriebsvermögen ist der Steuersatz höher, das ist der Platz für den Großspekulanten. Wobei der Begriff Großspekulant auch noch zu definieren wäre, weil ich irgendwie überhaupt nur Kleinaktionäre, Kleinsparer, kleine private Kapitalanleger, Kleinstanleger treffe, die dann darüber nachdenken müssen, dass sie z.B. 600.000 Euro für Ihre Altersvorsorge gespart haben und sich nun in ihren privaten Anlagemöglichkeiten begrenzt sehen.

Ihre Verknüpfung der Gesetzgebung mit der Coronavirus-Pandemie verstehe ich nicht. Wir haben im Bundestag in Folge der Coronavirus-Pandemie folgende Gesetze beschlossen:

Hilfen für Krankenhäuser - Betten, Schutzausrüstung, Beatmungsgeräte und mehr;
Hilfen für Solo Selbständige und Kleinbetriebe in Form von Zuschüssen und Krediten
Unbürokratische Steuerstundung und Senkung der Vorauszahlungen;
Vollstreckungen werden ausgesetzt, Insolvenzanträge werden bis Ende September ausgesetzt;
Schutz von Mietern – wegen der Corona Krise darf es keine Kündigungen geben;
Arbeitnehmer erhalten Kurzarbeitergeld;
Für Selbständige gibt es einen erleichterten Zugang zur Grundsicherung;
Ein Rettungsschirm in Form von Garantien für Unternehmen in Höhe von 600 Milliarden Euro um Arbeitsplätze zu sichern;
Es gibt Unterstützungsleistungen für Familien;
Gestrandete deutsche Staatsbürger werden zurückgeholt

Zum Abschluss noch eine kleine fachliche Bemerkung: Eine Partei kann keine Gesetze in den Bundestag einbringen. Im Fall des Jahressteuergesetzes beschließt im Regelfall das Kabinett (das sind alle Bundesministerinnen und Minister von CDU und CSU und SPD) einen Gesetzentwurf. Dieser Entwurf wird dann im Parlament diskutiert und geändert. Das Gesetz kann nur das Licht der Welt erblicken, wenn alle drei Koalitionspartner zustimmen.

Hoffentlich habe ich Ihre Fragen in den wesentlichen Teilen beantwortet und Ihre Bemerkungen hinreichend reflektiert. Sollte noch etwas offen sein, können Sie mich gern anrufen oder sich (nach der Pandemie) mit mir auf einen Kaffee treffen.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding