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Frage von Gerhard R. •

Frage an Lothar Binding von Gerhard R. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Binding,

zu Ihrer Antwort vom 12.11. betr. Staatsverschuldung an Herrn Lindhorst:
Sie erwähnten, daß Ihnen Sparvorschläge fehlen. Deshalb lenke ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Subventionierung der Kirchensteuer. Laut Grundgesetz - Text: Es gibt keine Staatskirche - ist Religion Privatsache und keine Staatsaufgabe. Entstehen durch die steuerliche Absetzbarkeit der Kirchensteuer - steuerliche Subvention - dem Staat jährliche Einnahmeverluste von rund 3 Milliarden Euro?

Werden nur rund 10 % der Kirchensteuer für soziale Dienste verwendet? Wurde zum Beispiel im Hamburger Staatskirchenvertrag der völlige Wegfall des ohnehin geringen kirchlichen Finanzierungsanteils bei Kindertagesstätten vereinbart?

Unter www.kirchensteuern.de hat der Verein zur Umwidmung von Kirchensteuern Informationen zu diesem Thema veröffentlicht.

Muß man sich damit abfinden, daß die Kirchensteuersubvention nur durch Kirchenaustritte sehr langsam abgebaut werden kann?

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Sehr geehrter Herr Reth,

vielen Dank für Ihre Frage. Sie sprechen

1.einerseits die Abzugsfähigkeit der gezahlten Kirchensteuer an eine innerstaatliche Religionsgemeinschaft als Sonderausgabe an und denken dabei an eine Subvention,
2.andererseits fragen Sie nach der Verwendung der Kirchensteuer selbst, und
3.fragen Sie nach einem Staatskirchenvertrag in Hamburg.

Zunächst möchte ich die Steuer selbst vom Anrechnungsergebnis trennen. Die Abzugsfähigkeit erleichtert natürlich die Kirchensteuerzahlung zu Lasten des Einkommensteuerergebnisses. Diese – wie Sie sagen Subvention – induziert nach meinem Verständnis bürgerschaftliches und soziales Engagement, die für unsere Gesellschaft von unschätzbarem Wert sind. Die Kirchensteuer dient außerdem der Finanzierung wichtiger Teile der Infrastruktur für Kinder- und Seniorenbetreuung, die Pflege alter und kranker Menschen, von Krankenhäusern und sozialkaritativen Einrichtungen wie der Caritas oder des Diakonischen Werks.

Dabei rechne ich nicht die hauptamtlich und professionell betriebene soziale Versorgungsstruktur allein; ich meine auch nicht in erster Linie die Kosten, die auf dem Staat lasten würden, wollte er diese Gesamtleistung in seinen Strukturen erbringen. Es geht mir um eine ethisch- moralische Dimension, die mit der Kirchensteuer verbunden ist. Der eigentliche Ertrag ist nicht das Steueraufkommen, sondern die indirekte, monetär nicht messbare Stärkung der Zivilgesellschaft. Ich bin froh, dass es zwischenmenschliche Beziehungen und Lebenszusammenhänge gibt, die sich nicht berechnen lassen.

Im Bundestag sind Sie ja als Spezialist für kritische Kirchensteuerfragen bekannt und engagieren sich in diesen Fragen außerparlamentarisch schon geraume Zeit. Vielleicht wäre es für Sie zielführend, sich in Ihrer Heimatgemeinde und in Ihrem Bundesland politisch zu engagieren. Mit politischem Engagement gehen Erkenntnisse einher, die es erlauben, das gesamte Spektrum von gesellschaftlichen Interessen und Zielen in den Blick zu nehmen. Dann wird auch schnell deutlich, dass es sich „lohnt“, zivilgesellschaftliche Strukturen zu stärken. Die Gefährdung solcher Strukturen kann schon mittelfristig zu Verwerfungen führen – deshalb zahlt sich die Suche nach konstruktiven Ansätzen aus.

Wenn Sie sich unter diesen Gesichtspunkten Ihren Vorschlag anschauen, mit der Vermeidung der Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer den Staatshaushalt zu entschulden, wird schnell deutlich, dass sich auf der Ausgabeseite unkalkulierbare Ausgabeverpflichtungen aufbauen können. Darüber hinaus steht es jedem Bürger und jeder Bürgerin frei, Kirchensteuer zu bezahlen oder nicht. Ob man also die Finanzierung der gesellschaftlich relevanten Arbeit der Kirchen durch einen eigenen Beitrag unterstützen möchte, ist natürlich Privatangelegenheit. Hier mischt sich der Staat nicht ein.

Ihre Frage zu dem Staatskirchenvertrag in Hamburg kann ich nicht beantworten – mein Wahlkreis ist Heidelberg- Weinheim und so kümmere ich mich nur im Einzelfall um spezielle regionale Substrukturen – wenn es meine Zeit erlaubt.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding