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Frage von Jona K. •

Frage an Lothar Binding von Jona K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sie haben gegen den weiteren Einsatz von deutschen Truppen im Libanon gestimmt. Warum?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Krieg,

für Ihre Frage nach meiner Ablehnung einer Verlängerung des UNIFIL- Mandats im Libanon danke ich Ihnen recht herzlich.

Am 12. September 2007 stand der Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte im Rahmen der "United Nations Interim Force in Lebanon" (UNIFIL) auf der Tagesordnung des Bundestags. Diesem Antrag habe ich nicht zugestimmt. Denn nach meiner Einschätzung haben sich die militärischen und politischen Rahmenbedingungen dieses Auslandseinsatzes seit der ersten Abstimmung über die Entsendung von Bundeswehreinheiten im September 2006 nicht grundsätzlich verändert. Damals habe ich meine Ablehnung in einer mit anderen Kollegen gemeinsamen "Persönlichen Erklärung nach §31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages" begründet. Dieser Paragraph bietet Abgeordneten die Möglichkeit, eine Erklärung zu Protokoll zu geben, die ihre Gründe für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten enthält. Die damalige Erklärung bildet die Grundlage für meine Antwort. Sie können im Protokoll des Bundestages für die 50. Plenarsitzung auch die weiteren Stellungnahmen in pro und contra finden:
http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/pp/2006/index.html#09

Mein Hauptargument gegen den Einsatz der Bundeswehr in dieser Krisenregion ist, dass die militärischen und politischen Konsequenzen dieser Entscheidung nur schwer zu kalkulieren sind. Das Wissen um diese möglichen Konsequenzen meiner Entscheidung für die betroffenen Bundeswehrsoldaten und ihre Angehörigen stellt eine schwere moralische Bürde dar. Daher halte ich die Ablehnung einer Beteiligung an möglichen Kampfeinsätzen von Bodentruppen für die richtige Entscheidung.

Das Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hamas im Libanon, das auch auf die erfolgreiche Vermittlungsarbeit von Bundesaußenminister Steinmeier zurückzuführen ist, mit militärischen Mitteln sichern zu wollen, halte ich für die falsche Schlussfolgerung. Denn dieser Impuls unterstellt, Deutschland könnte sich „wie jede andere Nation“ im Nahen Osten mit einem militärischen Beitrag engagieren. Wie wenig Deutschland jedoch in der vermeintlichen „Normalität“ der Völkergemeinschaft angekommen ist und wir Deutschen dies selbst angesichts unserer Geschichte zu Recht auch nicht so empfinden, hat bereits die Diskussion über die Ausgestaltung des deutschen militärischen Engagements zur Sicherung dieses Waffenstillstandes gezeigt.

Die Erfahrung mit bisherigen Militärmissionen unter dem Mandat der VN oder der NATO zeigt außerdem, dass Truppen oftmals eigene Todesopfer zu beklagen hatten. Die zurückliegende UNIFIL-Mission belegte dies auf traurige Art und Weise. Wenn andere Nationen Opfer bei ihren Bodentruppen zu beklagen haben werden, wird Deutschland mit zunehmendem Zeitablauf nicht mehr vermitteln können, warum es nicht mit gleichem Risiko wie die anderen Nationen beteiligt ist. Das, was aus guten Gründen vermieden werden sollte, wird Deutschland dann einholen. Unsere Weigerung, Bodentruppen für einen möglichen Kampfeinsatz zu entsenden, wird sich angesichts drohender Verluste anderer Truppenteile nicht aufrechterhalten lassen, wenn wir erst einmal der Entsendung von Marineverbänden zugestimmt und damit unsere Bereitschaft zu Kampfeinsätzen signalisiert haben.

Gegen einen deutschen militärischen Beitrag sprechen zudem die sehr unterschiedlichen Erwartungen, die die Israelis einerseits, die arabischen Länder andererseits damit verbinden. Dauerhafter Friede und humanitäre Hilfe für den Nahen Osten sind Anliegen, die jede Bürgerin und jeder Bürger in Deutschland teilt. Die intensiven Vermittlungsbemühungen von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier während der bewaffneten Auseinandersetzungen des letzten Jahres haben in Deutschland wie in der übrigen Welt zu Recht große Anerkennung gefunden.

Sie standen und stehen im Kontext der bisherigen deutschen Außenpolitik, die sich eine hohe Reputation sowohl in Israel als auch in den arabischen Staaten erworben hat. Diese Reputation der Bundesrepublik beruht darauf, dass die deutsche Außenpolitik im Nahen Osten kontinuierlich auf zuverlässige humanitäre Hilfe und diplomatische Initiativen gesetzt hat. Bei einer militärischen Beteiligung besteht meines Erachtens die Gefahr, dass Deutschland bei negativen Entwicklungen keinen konstruktiven Beitrag zur Friedenssicherung in der Region mehr leisten kann. Denn die Geschichte der Konflikte im Nahen Osten, deren Ursachen weit über das Jahr 1948 hinausgehen. Eine deutsche Beteiligung an einem militärischen Einsatz im Nahen Osten halte ich vor diesem Hintergrund für nicht zielführend.

In der Hoffnung, Ihre Zustimmung für meine Entscheidung gefunden zu haben, verbleibe ich

mit freundlichem Gruß,
Ihr Lothar Binding