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Frage von Dr. med. Joachim K. •

Frage an Lothar Binding von Dr. med. Joachim K. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr MdB Binding.

Anlässlich eines miterlebten Falles von rauchassoziertem plötzlichen Kindstod und von alltäglichen Erfahrungen in der Palliativmedizin habe ich folgende 2 Fragen:

1) Sie und ich wissen um das MORDEN der Tabakindustrie - Mord ist ja die Kombination aus Vorsatz und niedrigen Beweggründen (Habgier) - was müßte in der Gesetzgebung geändert werden, damit Produkthaftung für dieses MÖRDERISCHE Produkt greifen würde?

2) Wie kann man folgenden Link allen Bundestagsabgeordneten bekannt machen?

http://www.econ.uni-hamburg.de/IRdW/zivil/Materialien/Prozessebobachtung_Rauchen1/prozessebobachtung_rauchen1.html

Hier wird das US-Bundesgericht zitiert: Es urteilte nach einem der größten Prozesse der Weltgeschichte:
Die Tabaklobby ist eine WELTUMSPANNDE KRIMINELLE VEREINIGUNG, die seit jahrzehnten ihr PRODUKT ZUM SCHADEN IHRER KUNDEN UND ZUR SUCHTERZEUGUNG MANIPULIERT. Und es wird belegt, dass MITTELS EINFLUSSNAHME AUF DIE FORSCHUNG DIE POLITIK UND ÖFFENTLICHKEIT GEZIELT GETÄUSCHT werden.
Warum sollte angesichts dieser Tatsachen keine Haftung greifen - so ungercht kann dass deutsche Recht doch nicht sein wollen?!

Zusatzfrage: Glauben Sie, dass es gefährlich ist, sich für Tabakkontrolle einzusetzen? Geht die Tabaklobby auch dazu "über Leichen"?

Mit besorgten Grüßen
Joachim Kamp

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Sehr geehrter Herr Dr. Kamp,

vielen Dank für Ihren Beitrag und den Hinweis auf ihre berufliche Erfahrung. Leider sehen noch immer einige Menschen die Gefahren des Rauchens nicht. Erst kürzlich begrüßte mich eine Wirtin in der Altstadt von Heidelberg mit den Worten: „Bisher haben Raucher und Nichtraucher hier in Frieden gelebt, seit der neuen Regelung gibt es nur Ärger“. Sie merkt offenbar nicht unter welchen einseitigen Belastungen ein solcher Frieden geschlossen wurde und wie oft er tödlich endet… und sie merkt nicht, welche Chancen mit den neuen Regelungen verbunden sind.

Soweit mein Rechtsverständnis reicht… kann das Produkthaftungsgesetz bereits jetzt auf Zigaretten angewandt werden. Allerdings sieht das Produkthaftungsgesetz eine Haftung nur vor, wenn ein Produkt fehlerhaft ist, das heißt wenn ein nicht zu erwartender Fehler oder Mangel auftritt.

„Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“
§1 Produkthaftungsgesetz

Wenn beispielsweise eine Zigarette nach dem Anstecken explodieren würde, könnte man die Produkthaftung anwenden. Da aber die gesundheitsschädlichen Folgen des Rauchens bekannt sind, also quasi zu erwarten sind, liegt kein Mangel oder Fehler in diesem Produkt Zigarette vor. Eine Änderung, die eine Anwendung der Produkthaftung auf Tabakprodukte in Hinblick auf die Folgen des Rauchens ermöglicht, müsste also von dem Prinzip des unerwarteten Fehlers abweichen. Eine solche Änderung ist nicht zu erwarten, da sie auf viele Produkte anwendbar wäre, die negative Folgen haben können, auch wenn diese Folgen bekannt sind. Außerdem müsste dies auf europäischer Ebene geschehen, die europäische Produkthaftungslinie müsste geändert werden.

Der Grundfehler liegt darin, dass Tabak juristisch weder als Droge, noch als Gift und wenn es um das verfassungsmäßige Zuständigkeitsgerangel zwischen Bund und Ländern geht, noch nicht einmal als Genussmittel eingestuft wird.

Den Link www.econ.uni-hamburg.de zur Prozessbeobachtung Rauch gebe ich gern per Mail an meine Kollegen im Bundestag weiter.

Ich denke, es lohnt sich jegliches Engagement für die Tabakkontrolle. Wenn wir uns die Aktivitäten des WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle bzw. des DKFZ in Heidelberg ansehen, die mit großem Erfolg für den Schutz der Menschen vor den Folgen des Tabakkonsums arbeiten und wenn wir uns vorstellen, dass deutlich mehr als 70% der Bevölkerung für einen wirksamen Schutz eintreten, wird deutlich, dass es der Tabakindustrie immer schwerer fällt, ihr schlechtes und gefährliches Produkt zu verharmlosen. Auch die Prozesse in den USA, die öffentlich gewordenen Manipulationen der Interpretation von Forschungsergebnissen zeigen, dass die Macht der Zigarettenlobby oft überschätzt wird. Inzwischen haben zu viele Menschen erkannt, worum es der Tabakindustrie geht und es genügt heute nicht einzelne an den Pranger zu stellen, um eine bessere Tabakkontrolle zu verhindern – auch wenn es sicher immer wieder solche Versuche geben wird. Aber selbst in Irland und Italien waren für unmöglich gehaltene Entwicklungen möglich…
Morgen Abend, am 29. August 2007 bin ich um 20.00 vom Kurpfalzradio in den Reichsapfel in der Unteren Straße in Heidelberg eingeladen. Thema: "Fazit Rauchverbot".
Es gibt natürlich noch kein "Fazit". Wir wissen ja... Nach den Erfahrungen in anderen Ländern gibt es zunächst einen Umsatzrückgang in der Gastronomie, aber schon nach wenigen Monaten übersteigt der Umsatz häufig die Margen aus der Zeit vor dem Rauchverbot. Ich las in der RNZ dass der Wirt des "Reichsapfel", gleichzeitig der Bezirkschef des Deutschen Hotel und Gaststättenverbandes (DEHOGA), seine Gäste zum rauchen in den Innenhof oder auf die Strasse schickt – bei Regen unter die Sonnenschirme.
Ich bin gespannt wer Zeit hat und natürlich Lust... auch in den Reichsapfel zu kommen.

Viele Grüße,
Ihr Lothar Binding