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Lothar Binding
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Frage von Thorsten K. •

Frage an Lothar Binding von Thorsten K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Binding,

ich beziehe mich auf die Änderung des EStG, inbesondere die Beschränkung der Verlustanrechnung.

Sofern ein Privatanleger in Termingeschäften auf der einen Seite TEUR 50 Gewinn macht, auf der anderen Seite TEUR 45 Verlust, so verbliebe unter dem Strich ein Nettogewinn von TEUR 5.

Nach der neuerlichen Regelung wäre nur noch ein Verlust von TEUR 10 verrechenbar, womit ein Gewinn von TEUR 40 abgeltungssteuerpflichtig wäre.
Es fiele hier eine Steuerlast von TEUR 10 an (Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer nicht berücksichtigt), was eine Steuerlast von mehr als 100% bedeuten würde.

Sofern in Folgejahren weitere vergleichbare Verluste anfielen, entstünde theoretisch ein Verlustvortrag, der zu Lebzeiten nicht mehr abgebaut werden kann, sofern der Anleger seinen Handel nicht einstellt.

Die im Jahr 2018 getroffenen Regeln zum Anlegerschutz, die u.a. die theoretisch unbegrenzte Nachschusspflicht an die Broker-Unternehmen untersagt haben, wäre durch diese neue Regelung im EStG konterkariert:
Nunmehr entstünde eine theoretisch unbegrenzte steuerliche Nachschusspflicht gegenüber dem Staat.

Bitte legen Sie dar, inwiefern diese neue Regelung mit den Prinzipien einer fairen Besteuerung, insbesondere dem Nettoprinzip und dem Leistungsfähigkeitsprinzip, vereinbar ist.

Mit freundlichen Grüßen
T. K.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Herr Kock,
vielen Dank für Ihre Frage vom 20. Februar 2020. Bitte entschuldigen Sie die lange Antwortzeit.
Einiges wiederhole ich aus meinen anderen Antworten auf Fragen zum gleichen Themenkomplex:
Verluste aus Termingeschäften können nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Dabei ist die Verlustverrechnung unterjährig auf 10.000 Euro pro Jahr begrenzt, das ist korrekt. Die Begrenzung dieser Verlustverrechnung greift auch, wenn die unterjährig realisierten Verluste 10.000 Euro übersteigen, auch das ist korrekt. Damit bleiben diese Verluste aber nicht unberücksichtigt. Diese können auf Folgejahre vorgetragen und dann jedes Jahr jeweils in Höhe von 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Stillhalterprämien verrechnet werden. Voraussetzung dafür ist, dass nach der unterjährigen Verlustverrechnung ein verrechenbarer Gewinn verbleibt.
Hierbei handelt es sich um eine zielgerichtete Regelung. Termingeschäfte werden von privaten Anlegern im Regelfall nicht nur zur Absicherung von Fremdwährungsrisiken, Marktrisiken oder zur Absicherung von Zins-, Preis- oder Kursniveaus getätigt, wie es bei Unternehmen aus realwirtschaftlichen Motiven die Regel ist, sondern maßgeblich zum "Zocken". Deshalb ist eine unterjährige Begrenzung der steuerlichen Verlustberücksichtigung auf 10.000 Euro sinnvoll. Denn die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten schmälert die Bemessungsgrundlage der Steuer und somit die Steuerzahlung an die Gemeinschaft. Wieso sollte die Gemeinschaft eine weitgehendere Verlustverrechnung von risikoreichen "Zockereien" mitfinanzieren? Noch eine Anmerkung: Mir ist bekannt, dass der Begriff "Zocker" in Kreisen von Tradern nicht beliebt ist. Ich könnte es auch wohlwollender als "Spieler" oder "Glücksritter" formulieren. Die Bedeutung bleibt freilich die gleiche.
Sie fragen, ob die Regelung mit dem objektiven Nettoprinzip einhergeht, das sich aus dem Leistungfähigkeitsprinzip ergibt, was wiederum auf Artikel 3 des Grundgesetzes zurückgeht. Nach dem objektiven Nettoprinzip können solche Aufwendungen, die zur Einnahmeerzielung getätigt werden steuerlich geltend gemacht werden. Das sind die Werbungskosten. Dazu können auch solche Aufwendungen zählen, die bei den Überschusseinkünften entstehen, z.B. Einkünften aus Kapitalvermögen (§20 EStG).
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich 2016 mit der Verfassungskonformität der Verlustabzugsbeschränkungen bei betrieblichen Termingeschäften in § 15 Abs. 4 EStG befasst. In seinem Urteil vom 28. April 2016 (IV R 20/13) stellt der BFH fest, dass die Regelung verfassungsgemäß ist, weil den Steuerpflichtigen eine entsprechende Verlustnutzung in zukünftigen Jahren grundsätzlich noch möglich ist. Verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, dass sich ein Verlust steuerlich schon im Veranlagungsjahr seiner Entstehung auswirken muss.
Darüber hinaus ist auch die Schlechterstellung betrieblicher Verluste aus Termingeschäften gegenüber sonstigen betrieblichen Verlusten gerechtfertigt. Denn bei Termingeschäften handelt es sich um hochspekulative und damit besonders risikobehaftete Geschäfte, bei denen der Eintritt von Verlusten deutlich wahrscheinlicher ist als der Eintritt von Verlusten bei sonstigen betrieblichen Tätigkeiten. Die Begründung des BFH lässt sich auch auf die Regelung zu steuerlichen Behandlung von Verlusten aus privaten Termingeschäften übertragen. Auch hier ist ein unterjährig begrenzter Verlustabzug innerhalb der gleichen Einkunftsart möglich und auch hier gilt, dass ein Verlust sich steuerlich nicht schon im Veranlagungsjahr seiner Entstehung auswirken muss. Daher geht die neue Regelung aus § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG konform mit dem objektiven Nettoprinzip und entspricht dem Leistungsfähigkeitsprinzip.
Hoffentlich hilft Ihnen meine Antwort weiter.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding