Frage an Lothar Binding von Nico B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Leider verfestigt sich bei mir der Eindruck, das die Politiker aller Parteien nur noch die Erfüllungsgehilfen der Konzerne sind.
Beispiele:
- Transaktionssteuer: trifft nur die Kleinanleger.
- Kassenbonpflicht: die kleinen Geschäftsleute werden drangsaliert, währenddessen die Großkonzene weiterhin ihre Steuervermeidungspolitik ungehindert weiterführen dürfen und Milliarden an Steuern hinterziehen.
- Umweltpolitik: ist für euch nur ein Mittel die Abgaben und Steuern zu erhöhen ohne das etwas für die Umwelt dabei herauskommt.
Autofahren wird zwar teurer, aber zur Arbeit müssen wir trotzdem kommen also kommt keine C02 Ersparnis zustande, da wir nicht auf ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz ausweichen können.
- Umgang mit dem Steuerüberschuss: Anstatt die Mehreinnahmen in den Ausbau der Infrastruktur zu stecken soll das Geld über die Senkung der Unternehmenssteuern an die Industrie verschenkt werden. Später, wenn die Zeiten mal wieder schlechter werden, werden dann die Unternehmenssteuern nicht etwa wieder angehoben , nein dann müssen wieder „alle“ (gemeint sind damit natürlich nur die Bürger) der Gürten enger schnallen.
- Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Organisationen wie Change.org, Campact, Attac usw. währenddessen die Lobbyisten der Konzerne von diesen von der Steuer abgesetzt werden können.
- …
Ich könnte so weiter machen!
Frage:
Wie rechtfertigen Sie den von Ihnen vertretenen Anspruch Politik für das Wohl und die Interessen der Wähler bzw. der Bürger dieses Landes zu machen?
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Frage hier auf Abgeordnetenwatch. Ich antworte gerne darauf, der Einfachheit halber direkt im Text.
Sie schreiben:
„Leider verfestigt sich bei mir der Eindruck, das die Politiker aller Parteien nur noch die Erfüllungsgehilfen der Konzerne sind.
Beispiele:
- Transaktionssteuer: trifft nur die Kleinanleger.“
Das habe ich auch gelesen, ist aber falsch. Und Sie können sich das auch leicht selbst ausrechnen. In der Welt war ein absurdes Beispiel, das sich schnell verbreitet hat… seither sind die „Kleinanleger in Panik“. Dort ist der Kleinanleger in der Lage 35 Jahre lang 400 Euro zu sparen… er hat also jeden Monat 400 Euro übrig für Aktien – ein wahrlich kleiner Kleinanleger. Aber selbst diese Kleinanleger hat nach 35 nur etwas über 1.100 Euro Steuern zu bezahlen bei einem Kapitalstock nach dieser Zeit von einigen Hunderttausend Euro. Das ist aber auch klar, denn 0,2 Prozent von z.B. 400 Euro Aktienanlage sind gerade mal 0,8 Euro, also 80 Cent.
Sicher erkennen Sie schnell, warum es sich lohnt selber zu rechnen anstatt sich von Falschinformationen aufs Glatteis locken zu lassen.
„- Kassenbonpflicht: die kleinen Geschäftsleute werden drangsaliert, währenddessen die Großkonzene weiterhin ihre Steuervermeidungspolitik ungehindert weiterführen dürfen und Milliarden an Steuern hinterziehen.“
Das ist glücklicherweise auch falsch. Schauen Sie einfach mal unter dem Stichwort antiBEPS im Web (auch auf dieser Seite) nach, dann wissen Sie ungefähr was wir gegen Steuergestaltung, Steuerhinterziehung national und international getan haben und noch in Planung haben … kurz zur Erinnerung: Zinsschranke, Lizenzschranke, Mindestgewinnbesteuerung, Besteuerung von Plattformen und deren Kunden, Hinzurechnungsbesteuerung, Sofortbesteuerung an der Grenze …
„- Umweltpolitik: ist für euch nur ein Mittel die Abgaben und Steuern zu erhöhen ohne das etwas für die Umwelt dabei herauskommt.“
Was zu beweisen wäre.
„Autofahren wird zwar teurer, aber zur Arbeit müssen wir trotzdem kommen also kommt keine C02 Ersparnis zustande, da wir nicht auf ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz ausweichen können.“
Auf diesen Umstand sind die Klimabeschlüsse angepasst. Klimaschutz, Umwelt- und Naturschutz sind stets so zu entwickeln, dass sie sich sozial aushalten lassen. Deshalb gibt es anfangs Widersprüche, die sich aber im Zeitverlauf aufheben, überwinden…
„- Umgang mit dem Steuerüberschuss: Anstatt die Mehreinnahmen in den Ausbau der Infrastruktur zu stecken soll das Geld über die Senkung der Unternehmenssteuern an die Industrie verschenkt werden.“
„Mehreinnahmen in den Ausbau der Infrastruktur“ klingt gut – solange aber die Baukapazitäten überausgelastet sind, wäre es dumm die staatliche Nachfrage zu erhöhen. Das wäre ein Treibsatz für die Preise… aber Investitionen bekämen wir nicht. Nein, es gilt konjunktursensibel zu investieren, das heißt langfristige Planung anstoßen, Beschlüsse und Genehmigungen einholen, Ausbau der Kapazitäten motivieren…
„Senkung der Unternehmenssteuern“ das sagen CDU/CSU/FDP auch. Aber einmalige Überschüsse strukturell auf der Ausgabenseite zu verbuchen (Also einmalige Mehreinnahmen dauerhaft durch Steuersenkungen auszugeben)… geht nicht lange gut.
„Später, wenn die Zeiten mal wieder schlechter werden, werden dann die Unternehmenssteuern nicht etwa wieder angehoben , nein dann müssen wieder „alle“ (gemeint sind damit natürlich nur die Bürger) der Gürten enger schnallen.“
Ja, das ist auch meine Erfahrung. Und um das zu vermeiden, ist es gut, wenn die SPD mit in der Regierung ist.
„- Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Organisationen wie Change.org, Campact, Attac usw. währenddessen die Lobbyisten der Konzerne von diesen von der Steuer abgesetzt werden können.“
Vielleicht können wir uns darauf verständigen nur Vergleichbares miteinander zu vergleichen. Nicht alles was gut klingt ist auch gut. Da ich selber Mittglied bei Attac bin, Sie sicher auch, kenne ich die Problematik. Allerdings möchte ich sinngemäß mit Einstein antworten: es ist gut alles so einfach wie möglich zu machen, aber nicht einfacher.
Jedenfalls wäre es doch merkwürdig, wenn alle Rechte von Parteien in Anspruch genommen werden können, aber alle Pflichten keine Rolle spielen. Sie bemerken, warum es zu dieser Problematik noch keine Lösung gibt. Wir arbeiten dran…
„Ich könnte so weiter machen!
Frage:
Wie rechtfertigen Sie den von Ihnen vertretenen Anspruch Politik für das Wohl und die Interessen der Wähler bzw. der Bürger dieses Landes zu machen?“
Einen Teil der kursierenden Fehlinformationen konnte ich Ihnen oben ja bereits entkräftigen, als einige weitere Punkte möchte ich nur: Kindergelderhöhung, Abbau des Soli, Entlastung von Geringverdienern, Parität bei der Krankenversicherung, niedrigere Arbeitslosenbeiträge, Mietpreisbremse, Sozialer Arbeitsmarkt,… nennen. Ich könnte so weitermachen, wo die große Koalition Politik für das Wohl der Bürger*innen dieses Landes macht. Schauen Sie mal hier: https://www.spdfraktion.de/bilanz-2019
Noch eine kleine Ergänzung: Sie wissen sicher, dass weniger als zwei Prozent aller Leute in Parteien sind. Und dass die Parteien oft nicht einer Meinung sind… glauben Sie, die 98 Prozent könnten sich mit ihrer gewaltigen Mehrheit auf etwas einigen das Sie „Wohl und die Interessen … der Bürger dieses Landes“ nennen?
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Lothar Binding