Frage an Lothar Binding von Holger K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Binding,
ich bitte Sie, den Artikel von Herrn Gerd Schick (Bürgerbewegung Finanzwende) in Spiegel online: „Bundesregierung erschwert die Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals“ [https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/wie-die-bundesregierung-die-aufarbeitung-des-cum-ex-skandals-erschwert-a-1300016.html] für den Bürger und Wähler richtig zu stellen.
Sonst besteht der nicht unbegründete Verdacht, dass auch das sozialdemokratisch geführte Bundesfinanzministerium das massive Versagen der politisch Verantwortlichen im größten Steuerbetrug der deutschen Geschichte verschleiern will.
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Seit vielen Jahren engagieren sich die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen für die Aufklärung der Vorgänge in den Cum-Ex Fällen. Cum-Ex Gestaltungen waren schon immer illegal, ich würde lieber sagen: kriminell. Wenn Sie sich „erstatten“ lassen, was Sie nicht bezahlt haben oder sich sogar mehrfach „erstatten“ lassen was Sie niemals bezahlt haben, ist das Betrug.
Leider haben wir im Parlament den Cum Ex Betrug lange nicht bemerkt. Auch das BMF hat den Betrug lange nicht bemerkt. Übrigens hat auch Gerhard Schick den Betrug lange nicht bemerkt. Und wenn in diesem Moment, kriminelle Steuergestaltungen zur Anwendung kommen… würde ich das auch nicht direkt merken. Oft sind die Vorgänge so kompliziert, verschleiert bzw. im Ausland getarnt, dass es nicht leicht ist sie zu entdecken. Außerdem ist das Parlament keine Vollzugsverwaltung. Das Parlament bedient sich der Aufsichts- bzw.- Prüfbehörden, schließlich auch der Staatsanwaltschaft… Wir hatten Maßnahmen ergriffen, die nationalen Fälle unmöglich gemacht – plötzlich wurden neue Fälle, Gestaltungstricks über das Ausland kreiert und wir mussten die Gesetzgebung erneut ändern um auch diese Fälle zu verhindern. Das war vor vielen Jahren.
Nun wird im kommenden Jahr eine, von Olaf Scholz initiierte, Spezialeinheit gegen Steuerbetrug ihre Arbeit aufnehmen. Im BMF und im BZSt. Damit sollen solche illegalen Gestaltungen in Zukunft früher entdeckt und aufgedeckt werden können. Dazu gibt es eine Projektgruppe zur Prävention von kapitalmarktbezogenen Steuergestaltungen.
Zusammen mit der in dieser Woche im Parlament diskutierten (und am Donnerstag hoffentlich beschlossenen) Anzeigepflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen hat die Finanzverwaltung hier zwei effektive Instrumente im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung.
In der von Gerd Schick angesprochenen Regelung aus dem Jahressteuergesetz 2019, geht es allerdings um eine Gesetzesänderung, die eine längst bestehende Praxis konkretisiert: Absprachen zwischen den Steuerbehörden finden nicht öffentlich statt. Am Status quo ändert sich also de facto nichts. Das Parlament kann allerdings viele Dinge an sich ziehen… Wie hier der Bogen zu Cum-Ex geschlagen werden soll, erschließt sich nicht. Um Cum Ex Fälle kümmern sich inzwischen Gerichte, es gab einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss… außerdem herrscht Konsens zwischen den Finanzbehörden, hier aufzuklären.
Die Nichtöffentlichkeit solcher Gespräche ärgert natürlich einige besonders: Zunächst jene, die über alles schreiben, Vermutungen anstellen, ihre Leserinnen und Leser mit Spekulationen versorgen. Dann aber auch jene, die die Steuersparmodelle schon entwickeln, bevor die Gesetzgebung abgeschlossen ist. Ein Haase-Igel-Spiel.
Die fehlende Öffentlichkeit hat den Vorteil, dass externe Institutionen, etwa Steuerberaterkanzleien, ich denke auch an die vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt: Deloitte, EY (Ernst & Young), KPMG und PricewaterhouseCoopers (PwC), keinen Einblick haben, über welche Formen der Steuergestaltung gerade zwischen den Finanzbehörden gesprochen wird und so ggf. eilig darauf reagieren könnten und ihre Modelle anpassen und neue Gestaltungsspielräume aufmachen.
Der Deutschen Bundestag – Gesetzgeber – hat natürlich weiterhin ein Fragerecht gegenüber den Finanzbehörden, wie und warum solche Absprachen getroffen wurden und kann darauf gesetzgeberisch reagieren. Sie sehen, Gerhard Schick macht sehr viel Aufregung um einen eigentlich bereits vorhandenen Tatbestand und verknüpft ihn dann noch nicht nachvollziehbar mit dem Cum-Ex Betrug. Oder vielleicht ist es doch nachvollziehbar, denn mit Cum-Ex lassen sich Aufmerksamkeit und Leserzahlen auch „oller Kamellen“ schnell erhöhen.
Das Fragerecht von Bundestagsabgeordneten müsste ihm eigentlich noch in Erinnerung sein, saß er doch bis 2017 im Bundestag und war davon 10 Jahre Sprecher seiner Fraktion für Finanzpolitik – also bestens vertraut mit den Abläufen. Genauso, wie übrigens seine Fraktionskollegin Christine Scheel, die vor ihrem Wechsel in die Industrie, von 1998 bis 2005, Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages war. Zu dem Zeitpunkt also, als die Cum-Ex Gestaltungen begannen.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding