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Frage von Miriam L. •

Frage an Lothar Binding von Miriam L. bezüglich Finanzen

Sehr geerhter Herr Binding,

denkt man in der SPD auch über alternative Mehtoden zur Geldschöpfung nach? Wenn man die Geldschöpfung nur dem Staat übertragen würde, wäre dieser in der Lage sich über Steuerung der Geldmenge zu finanzieren und könnte damit am Ende sogar auf die Erhebung von Steuern verzichten.

Mit freundlichen Grüßen

M. L.

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Sehr geehrte Frau Lau,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Geldpolitik. Ja, in der SPD denken wir über viele wissenschaftliche Konzepte, Vorschläge von Bürgerinnen und Bürgern, alte und neue Theorien nach. Sie schreiben: „Steuerung der Geldmenge“ und verbinden damit Wirkungen. In starker Verkürzung: Wenn sie viel Geld unter dem Kopfkissen haben, passiert nichts. Wenn Sie einen Euro von Person zu Person wandern lassen, weil jeweils etwas gekauft und verkauft werden wollte, hat der eine Euro eine große Wirtschaftsdynamik entfaltet, der große Batzen unterm Kopfkissen bleibt ohne Wirkung. Wenn Sie nun den Betrag unter dem Kopfkissen verdoppeln… passiert immer noch nichts. Sie bemerken, dass es viel wichtiger ist darüber nachzudenken, was mit Geld passiert, was gekauft wird, wie investiert wird, wie gespart wird… als sich über die Geldmenge Gedanken zu machen.

Nun zu einzelnen Aspekten.
Der Beantwortung Ihrer Fragen sind zunächst einmal weitere Fragen vorgeschaltet: Was bedeutet Geld eigentlich? Wie funktioniert die Geldschöpfung?

In der Ökonomie wird zwischen verschiedenen Arten von Geld und verschiedenen Geldmengen unterschieden. Zum einen existiert Bargeld, also all die Scheine und Münzen mit denen wir z.B. im Supermarkt einkaufen können. Daneben existiert Buchgeld (oder auch Giralgeld), welches durch Buchungsvorgänge in den Kontobüchern der Bank entsteht, z.B. das Guthaben auf unserem Bankkonto. Wenn Buchgeld, wie auf unserem Bankkonto täglich verfügbar ist, spricht man von einer Sichteinlage. Diese kann kurzfristig in Bargeld umgewandelt werden. Volkswirte nennen diese Geldmenge aus Bargeld und Sichteinlagen auch M1. Dann gibt es Termineinlagen, also festverzinsliche Geldanlagen über eine festgelegte Dauer, sowie Spareinlagen, bei denen ein bestimmter Betrag flexibel und der Rest erst nach Ablauf einer bestimmten Frist (bis drei Monate) verfügbar ist. Die Termin- und Spareinlagen bilden zusammen mit M1 die Geldmenge M2. Kommen dazu noch andere, von Banken und Finanzinstituten ausgegebene kurzfristige Geldanlagen (z.B. kurzfristige Bankschuldverschreibungen), ergibt sich die Geldmenge M3.

Darüber hinaus gibt es aber noch eine weitere, ganz zentrale Form des Geldes: Das Zentralbankgeld. Dieses wird von der Zentralbank ausgegeben, also im Euroraum vom Europäischen System der Zentralbanken (ESZB), und beinhaltet Bargeld sowie Sichteinlagen. Zu den Sichteinlagen gehören vor allem solche von Geschäftsbanken. Mit diesen Sichteinlagen wickeln die Geschäftsbanken den Zahlungsverkehr ab und hinterlegen außerdem eine Mindestreserve bei der Zentralbank. Auch das Zentralbankgeld bildet eine Geldmenge, die mit M0 oder auch als Geldbasis bezeichnet wird.

Geld erfüllt in einer Ökonomie verschiedene Funktionen. Es ist als Wertaufbewahrungsmittel, als Recheneinheit und als Zahlungsmittel geeignet. Diese Funktionen vereint z.B. Bargeld. Wenn eine Person Bargeld benötigt, erhält sie das üblicher-weise von ihrer Bank. Die Banken erhalten das Geld von der zuständigen Zentral-bank in Form eines Kredits. Der Kredit der Bank führt dann zu einer Sichteinlage auf dem Konto der Bank bei der Zentralbank. Bei diesen Sichteinlagen handelt es sich um Zentralbankgeld. Es wird also Zentralbankgeld „geschöpft“. Das kann auch noch auf einem anderen Weg geschehen, nämlich indem die Zentralbank der Bank einen Vermögenswert abkauft, z.B. Gold, Devisen oder Anleihen. Der Verkaufserlös wird den Banken als Zentralbankgeld gutgeschrieben. Die Banken können sich das Zentralbankgeld dann in bar auszahlen lassen.

Das Buchgeld entsteht auf ähnliche Weise wie das Zentralbankgeld. Dabei gibt eine Geschäftsbank z.B. einen Kredit an ein Unternehmen oder eine Privatperson. Der Kredit erzeugt dann ein Guthaben auf dem Konto des Kreditnehmers und eine Verbindlichkeit bei der Bank. Für die Kreditvergabe verlangt die Bank vom Kreditnehmer Zinsen, außerdem müssen Sicherheitsanforderungen erfüllt sein. Neben dem Kredit kann die Bank auch Buchgeld erzeugen, wenn sie ihrem Kunden einen Vermögenswert abkauft.
Die Höhe der Geldmenge hat Auswirkungen auf das Preisniveau. Wenn die Geldmenge ansteigt, steigt auch die Nachfrage nach Gütern und somit das Preisniveau - also Inflation. Ein Ziel einer Zentralbank ist die Stabilität des Preisniveaus. Im Euroraum ist demnach das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) für die Erreichung dieses Ziels verantwortlich. Zum ESZB gehören die nationalen Zentralbanken, z.B. die deutsche Bundesbank, und die Europäische Zentralbank (EZB). Um die Preisstabilität nicht zu gefährden, muss das ESZB also darauf achten, dass die Banken nicht zu viel Buchgeld schöpfen. Zu diesem Zweck steht dem ESZB der sogenannte Leitzins als Stellschraube zur Verfügung. Diesen Zins müssen Banken den Zentralbanken zahlen, wenn sie sich Zentralbankgeld beschaffen. Wenn der Leitzins steigt, erhöhen die Banken meist auch die Zinsen für ihre Kredite an Unternehmen und Privatpersonen. Das mindert die Nachfrage nach Krediten, wodurch weniger Buchgeld geschöpft wird. Außerdem gibt es noch Regeln, wie z.B. Basel III, welche die Kreditvergabe der Banken einschränken, in dem sie einen gewissen Grad an Eigenkapital für Banken bei Kreditvergabe vorschreiben.

Sie schreiben: „alternativen Methoden der Geldschöpfung“. In diesem Zusammen-hang ist das sogenannte Vollgeldkonzept bekannt. Nach diesem Konzept können Banken nicht wie bisher Kredite vergeben und Buchgeld erzeugen. Wenn die Bank einen Kredit vergeben möchte, muss sie dann den gleichen Betrag in Form von Bar-geld oder Guthaben bei Zentralbank vorweisen. Die Bank hält also eine 100%-Reserve vor. In diesem System gibt die Zentralbank den Banken Kredite oder trifft andere Vereinbarungen mit ihnen, wie z.B. Rückkaufsvereinbarungen. Für die Kredite an die Banken erhebt die Zentralbank einen Zins und fordert Sicherheiten. Außerdem kann die Zentralbank über den Finanzmarkt Zentralbankgeld in die Wirtschaft einbringen. Die Befürworter des Vollgeldkonzeptes versprechen sich davon eine höhere Stabilität des Finanzsystems. Banken können eingeschränkter Kredite vergeben, was die Gefahr von Spekulationsblasen verringern soll. Außerdem soll die Gefahr eines sogenannten Bank Runs sinken. Dieser kann eintreten wenn eine Bank von der Pleite bedroht ist und ihre Kunden in kurzer Zeit durch Abhebungen ihr Geld zu retten versuchen. Im Vollgeldsystem sollen Geschäftsbanken insolvent gehen können, ohne dass das Geldsystem dadurch erschüttert wird. Darüber hinaus soll die Zentralbank durch Zinsen so an der Geldschöpfung verdienen, wie es bisher die Geschäftsbanken bei der Kreditvergabe tun.

Das Vollgeldkonzept wird seit der Finanzkrise 2008 wieder verstärkt diskutiert und hat einige Anhänger gefunden. In der Schweiz wurde im Juni 2018 eine Initiative für das Vollgeld zur Abstimmung gestellt. Die Mehrheit der Wahlberechtigten hat das Vorhaben jedoch abgelehnt. Solche Überlegungen existieren aber schon wesentlich länger. Schon in den 1930er Jahren war es Bestandteil des sogenannten Chicago-Plans der Ökonomen Knight und Fisher. Auch Milton Friedman hat in den 1960er Jahren ein Vollgeldsystem ins Spiel gebracht.

Umgesetzt wurde das Vollgeldkonzept bisher nicht. Es ist auch nicht klar, wie das Verbot der Geldschöpfung durch Geschäftsbanken um- und durchgesetzt werden sollte. Des Weiteren könnten Banken und ihre Kunden versuchen das Verbot privat herausgegebener Sichtguthaben zu umgehen, indem sie z.B. Anteile an Geldmarkt-fonds als Zahlungsmittel benutzen. Außerdem steigt die Machtfülle der Zentralban-ken im Vollgeldsystem erheblich. Eine so starke Machtkonzentration kann kritisch sein. Das wichtigste Gegenargument nenne ich zum Schluss: Man weiß schlicht nicht welche Auswirkungen und Wechselwirkungen ein solch gravierender Einschnitt in das System hätte. Werden Kredite teurer? Sinken Investitionen und Wachstum? Welche Auswirkungen hat ein Systemwechsel auf die Währung und auf die Kapitalmärkte?

Das Vollgeldkonzept mag eine interessante Überlegung sein. Ich halte die Vorstellung aber nicht für realistisch, dass man die Komplexität der Geldpolitik und ihre Wechselwirkungen derart vereinfachen kann. Auch ihre Vorstellung, der Staat „könnte damit am Ende sogar auf die Erhebung von Steuern verzichten“ teile ich nicht. Steuern sind die originäre Einnahmequelle des Staates. Damit finanziert er in großem Maße öffentliche Güter, wie z.B. Infrastruktur, innere Sicherheit oder das Bildungssystem. Der Staat muss diese Güter auch bereitstellen, da der Markt bei dem Versuch der Bereitstellung versagen würde.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen konnte.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding