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Frage von Jochen B. •

Frage an Lothar Binding von Jochen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Binding,
vor geraumer Zeit, genauer vor einem Monat, hatte ich über das Kontaktformular des Deutschen Bundestages eine Frage zur derzeitigen Dieselproblematik gestellt. Leider steht eine Antwort darauf immer noch aus. Daher erlaube ich mir dieselbe Frage nochmals an Sie zu richten, diesmal über das abgeordnetenwatch.de Portal. Dies nicht nur weil ich nach wie vor an der Antwort interessiert bin, nein, auch des halb, weil mein Anliegen und Ihre Reaktion damit öffentlich sichtbar wird.
Ich bin der Meinung in einer repräsentativen Demokratie ist es die Pflicht der gewählten Volksvertreter Anliegen der (Wahl-) Bürger ernst zu nehmen und darauf zu reagieren. Entsteht beim Bürger der Eindruck dieser Erwartung wird seitens der gewählten Vertreter nicht mehr entsprochen, wendet er sich anderen zu. Die jüngsten Wahlergebnisse zeigen dies deutlich. Ob die so erzielten Ergebnisse wirklich ein Erfolg der Demokratie sind sei dahingestellt. Aber zu den Pflichten der Abgeordneten gehört es ja ebenfalls die Demokratie (durch ihr Verhalten) zu schützen und zu stärken.
Im Folgenden abermals meine ursprüngliche Frage an Sie:

Sehr geehrter Herr Binding,
ich frage mich angesichts der "Dieselkriese" mit welcher Begründung bei der Besteuerung der Energieträger durch die Energiesteuer so krasse Unterschiede zu Gunsten des Dieselkraftstoffes gemacht werden.
In Zahlen bedeutet dies, dass auf Diesel nur 47,04 Cent, auf Benzin jedoch 65,47 Cent erhoben werden. Rechnet man darauf noch die anfallende MwSt. an, so wird der Unterschied zu Gunsten des Diesel noch krasser, für Diesel beträgt der "Vorteil" dann nämlich satte 28%!
Wie steht ihre in der Regierungsverantwortung stehende Partei dazu, wie erklären Sie dem irritierten Bürger diese Steuerpolitik?
Mit freundlichen Grüßen
J. B.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr B., lieber Jochen (natürlich erinnere ich mich...),

zunächst bitte ich um Entschuldigung für die zu späte Antwort. Da ich den Grundsatz habe: "jede erste Zuschrift wird beantwortet", kommt es manchmal zu großen Rückstaus, weil die Anzahl der eingehenden Mails unser kleines Team total überlastet.

Denken wir daran, was es bedeutet, noch immer fossile Energieträger zu verbrennen und damit den historischen Sauerstoff "zu verbrauchen" und CO2 zu erzeugen, dann wird schnell klar, dass jegliche Privilegien für den Verbrauch von Öl, Gas oder Kohle von Übel sind und zunächst das Klima und nachfolgend die Menschheit unter Druck bringt. Du fragst aber nach den Unterschieden...

Der niedrige Energiesteuersatz für Dieselkraftstoff wird schon länger kritisiert. Von mir auch. Zu Beginn der laufenden Legislaturperiode – im Oktober 2017 – forderte beispielsweise auch der Bundesrechnungshof, dieses "Dieselprivileg" abzuschaffen. Dabei erwähnte der BRH nur ansatzweise, dass es sich hierbei um eine Maßnahme zur Förderung des Güterkraftverkehrsgewerbes handelt. Diese Subvention verankerten die Mitgliedstaaten der europäischen Union in ihrer Rahmengesetzgebung, der Energiesteuerrichtlinie, durch einen relativ niedrigen Mindeststeuersatz für Diesel. Bei der Besteuerung des Personenkraftverkehrs ist der deutsche Gesetzgeber – jenseits der neueren Förderung der eMobilität (E-Fahrräder, E-Autos, Hybride nach EMOG) – dagegen technologieneutral. Deshalb gleichen wir die höhere Besteuerung des Benzins durch eine geringere Belastung der Ottomotoren bei der Kraftfahrzeugsteuer aus, allerdings nur pauschal über die Gesamtheit der Fahrzeuge. Pauschalierung und Typisierung sind die beiden Hauptwerkzeuge zur Vereinfachung in der Steuergesetzgebung.

Würde also – wie vom Bundesrechnungshof gefordert – der Steuersatz für Diesel in Deutschland auf den von Benzin angehoben, müsste zugleich die Kraftfahrzeugsteuer für Diesel-Pkw gesenkt werden. Die finanziellen Konsequenzen einer solchen Gesetzgebung für den einzelnen Fahrzeughalter wären abhängig von der Fahrleistung, aber natürlich auch der Preisreaktion der Mineralölkonzerne. Denn wie Du weißt, entspricht der Preisunterschied zwischen Benzin und Diesel nicht dem Unterschied der Steuersätze, sondern wird von zahlreichen weiteren Faktoren beeinflusst.

Besonders heikel wären die Auswirkungen für Altfahrzeuge. Änderungen bei der Kraftfahrzeugsteuer gelten regelmäßig nur für erstmals zugelassene Fahrzeuge, es gibt üblicherweise keine Neufestsetzung der Steuer für den gesamten deutschen Fahrzeugbestand. Damit stünde bei alten Diesel-Pkw der neuen höheren Kraftstoffbesteuerung keine Entlastung gegenüber. Der (Investitions-)Entscheidung der Bürger für ein Dieselfahrzeug würde der Gesetzgeber damit nachträglich die Kalkulationsgrundlage entziehen.

Wie Du Dir sicher vorstellen kannst, verunsichern und verärgern Forderungen nach einer höheren Kraftstoffbesteuerung – jenseits der ökologischen Fragestellungen – insbesondere die Fahrzeughalter, die von den Betrügereien der Automobilkonzerne betroffen sind. Darüber hinaus würden höhere Kraftstoffpreise für den Güterkraftverkehr zu Tanktourismus (grenznahes Ausland) einerseits bzw. letztlich höheren Verbraucherpreisen für die transportierten Güter andererseits führen. All diese Effekte und Wechselwirkungen müssten wir als Gesetzgeber bei einer möglichen Änderung der bestehenden Steuersystematik und -sätze in Betracht ziehen. Einerseits denken wir natürlich über solche Systemwechsel nach, andererseits wissen wir, dass mit jeder großen Umstellung neue Verwerfungen aufscheinen.

Hoffentlich hilft Dir meine Antwort eine Schritt weiter.

Mit freundlichen Grüßen, Dein Lothar Binding