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Frage von Rebecca H. •

Frage an Lothar Binding von Rebecca H. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Binding,

da Sie seit vielen Jahren im Nichtraucherschutz aktiv sind, möchte ich meine Frage an Sie richten. Wieso besteht eigentlich immer noch kein Tabakwerbeverbot? Man liest immer wieder von Absichtserklärungen der Bundesregierung, aber wenn es ernst wird passiert nichts.

Freundliche Grüße

R. H.

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Sehr geehrte Frau H.,

vielen Dank für Ihre Frage. Leider muss mich Ihre Frage immer noch beschäftigen, weil auf einige im Parlament dubiose Kräfte wirken müssen, die jegliche vernunftbegabte Entscheidung verhindern, ja sogar den Blick vor Leid und Tod verstellen. Mir ist dies wirklich unbegreiflich. Um Ihnen den Hintergrund meiner Entrüstung am Beispiel zu zeigen, zitiere ich nachfolgend aus einem Brief an den CDU-Fraktionsvorsitzenden Kauder. Den Brief haben mein Kollege Burkhard Blienert (Drogenpolitischer Sprecher der SPD Bundestagsfraktion) und ich vor einigen Monaten an Herrn Kauder mit dem Betreff „Geplantes Tabakwerbeverbot“ geschrieben.

Nun das Zitat:

Sehr geehrter Herr Kauder,
in einem Schreiben aus Ihrem Büro wird die Haltung Ihrer Fraktion zum geplanten Tabakwerbeverbot dargelegt. Der Brief versetzt den Leser in vorindustrielle Zeit zurück. Keine medizinischen Kenntnisse, Krebs und Herz-Kreislaufkrankheiten völlig unbekannt, das Deutsche Krebsforschungszentrum 200 Jahre vor seiner Gründung…
Ich lese, dass es in einem freien Land erlaubt sein müsse, für ein legales Produkt werben zu dürfen und, dass wer einmal den Weg hin zu Werbeverboten einschlägt, sich auch bei anderen Produkten wie Alkohol und Zucker schwerlich weiteren Verboten entziehen könne. Es erschreckt mich, dass sich CDU und CSU von der massiven Lobbyarbeit der Tabak- bzw. Zigarettenindustrie derart beeindrucken lassen und deren Argumentation eins zu eins übernimmt – in wortgleicher Formulierung.

Die Tabakkonzerne weisen immer wieder darauf hin, dass sie legale Produkte bewerben. Was sie verschleiern ist, dass diese „legalen Produkte“, bei bestimmungsgemäßem Gebrauch in hohem Maße gesundheitsgefährdend sind und oft zum Tod führen. Die Gefährlichkeit des Produkts wird mit psychologischen Tricks – Freiheit, Zukunft, Geselligkeit – überdeckt. Auch hinkt der Vergleich mit dem Konsum von Zucker und Alkohol – bei dem es erstens entscheidend auf die verzehrte Mengen ankommt, zweitens müssen Sie keinen Zucker in Ihrem Kaffee trinken, wenn ich Zucker in meinem Kaffee trinke. Es erschüttert mich solche Argumente nach der vieljährigen Debatte über den Passivraucherschutz noch zu lesen.

Beim Tabak ist bereits die erste Zigarette gesundheitsgefährdend und außerdem gefährdet das Rauchen in der Gegenwart von anderen auch deren Gesundheit. Muss ich das wirklich im Jahr 2017 noch erklären?
In dem Schreiben wird zudem behauptet, dass die WHO-Tabakrahmenkonvention keine rechtliche Verpflichtung zum Tabakwerbeverbot enthält. Eine Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei Artikel 13 Abs. 2 des Abkommens, sehr wohl um eine bindende Verpflichtung handelt, die auch die jetzt geforderten Einschränkungen umfasst. Aber brauchen wir solche Winkelzüge um unsere eigenen Versprechen als rechtliche Verpflichtung zu verstehen?

Ich lese weiterhin, dass ein Werbeverbot für Tabakprodukte überflüssig sei, weil durch Präventionsmaßnahmen die Zahl der jugendlichen Raucher stark gesunken sei. Laut dem Jahrbuch Sucht 2016 der deutschen Hauptstelle für Suchtfragen ist der Zigarettenverbrauch 2015 wieder angestiegen. Die Zahl der konsumierten Zigaretten stieg um 2.24%. Aber auch hier: Reicht unser Erkenntnishorizont nicht so weit um zu erkennen, dass Werbung werben will?
Im Jahr 2013 starben 121.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Das waren immerhin 13,5% aller Todesfälle. Die durch das Rauchen entstandenen Kosten belaufen sich allein in Deutschland auf knapp 80 Milliarden Euro (direkte und indirekte Kosten). Stellen Sie sich mal vor, Sie hätten den Gruppenantrag zum Passivraucherschutz aus dem Jahr 2007 für Ihre Fraktion nicht gestoppt und denken Sie gleichzeitig an so manchen Krebspatienten und wenn Sie mögen auch an Geld. Stellen Sie sich das mal vor.

Zwar ist die Zahl der Raucher seit einigen Jahren rückläufig. Aber immer noch rauchen etwa 30% der Männer und über 20% der Frauen. Finden Sie das nicht zu viel?

Sehr geehrter Herr Kauder, Ich bitte Sie eindringlich den von der Bundesregierung bereits verabschiedeten Gesetzentwurf nicht länger zu blockieren. Wir brauchen zeitnah ein umfassendes Werbeverbot, das jegliche Form der Werbung einschließt, um den Einstieg von Jugendlichen ins Rauchen zu verhindern und den Tabakkonsum in der Gesamtbevölkerung zu senken. Deutschland ist neben Bulgarien das einzige Land in der EU, das noch Tabakaußenwerbung erlaubt. Ein Unding.

Außerdem fallen Sie mit Ihrer Blockade Ihren eigenen Ministern und der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, mit CSU-Parteibuch, in den Rücken. Frau Mortler hat in der Presse noch einmal bekräftigt, dass Sie weiterhin für das Tabakwerbeverbot kämpfen wird. Sie hat dabei meine volle Unterstützung.

Und stellen Sie sich vor, ich schriebe Ihnen im Jahr 2027 erneut einen Brief mit der Statistik über die Toten in den Jahren 2017 bis 2027, über die Krebspatienten und die Menschen mit Herz-Kreislaufproblemen. Denken Sie, es sei klug Ihren Fehler aus dem Jahr 2007 im Jahr 2017 zu wiederholen? Haben wir nicht alle auch eine Verantwortung gegen-über jenen, die nicht frei genug sind Ihre Sucht zu beenden und die auf ein anderes Umfeld warten? Ein Umfeld, das der Deutsche Bundestag schaffen könnte. Wenn Sie es wollten, wenn Sie ihre Verantwortung aufnehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Burkhard Blienert, Lothar Binding

Soweit der Brief als eine recht umfassende Antwort auf Ihre Frage. Sie können daran erkennen, wie schwer es manchmal ist, einfach scheinende Regelungen tatsächlich gesetzgeberisch umzusetzen.

Hoffentlich müssen Sie in einigen Jahren nicht erneut nach einem Werbeverbot von toxischen Genussmitteln fragen…

Viele Grüße, Ihr Lothar Binding