Frage an Lothar Binding von Juergen V. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Binding
aufgrund einer Reportage des ARD Magazins Panorama vom 7-06-17 zu dubiosen Cum-Ex Geschäften habe ich Fragen an sie,
Der Untersuchungsausschuss steht kurz vor Abschluss. Der Schaden zu Lasten des Steuerzahlers wird mittlerweile auf 31 Mrd. Euro geschätzt (Uni Mannheim, PROF. DR. Christoph Spengel)
Welche Konsequenzen haben die Erkenntnisse diesen über Jahre verschleppten Falls?
Werden zuständige Minister oder Beamte, die trotz Warnungen nicht handelten für Schäden haften müssen-?
Zur Erinnerung: Eine Verkäuferin wurde wegen eines Pfand-Bons von 1 Euro verurteilt.
Des Weiteren wurde im Untersuchungsausschuss aufgedeckt, dass im Finanzministerium ein Beamter, Informationen zu diesen Geschäften an Banken zugespielt hat-
Welche Konsequenzen haben diese Erkenntnisse?
Aus den Ministerien wird immer die Wichtigkeit externer Berater erwähnt.
In diesem Fall haben gerade diese Berater der Ministerien jahrelang nicht vor diesen Geschäften gewarnt, sondern eine Beamtin schon vor vielen Jahren.
Wird im Finanzministerium weiterhin auf externe Beratung gesetzt?
Wurden Berater auf ihre Neutralität geprüft und müssen sie für Schäden haften?
Mit bestem Dank für Beantwortung und freundlichen Grüßen
Jürgen Vanselow
Sehr geehrter Herr Vanselow,
vielen Dank für Ihre Fragen bzw. Bemerkungen zum Thema Cum-Ex Geschäfte in der Sendung Panorama vom 7. Juni 2017.
Die sogenannten Cum/Ex-Geschäfte mit Leeverkäufen und Dividendenaufschlag, bei mehrfacher Erstattung bzw. der Anrechnung von Kapitalertragsteuer, haben großen Schaden angerichtet. Diese Cum/Ex-Geschäfte waren und sind kriminell.
Der Untersuchungsausschuss hat diese kriminellen Machenschaften beleuchtet und dabei sowohl das Verhalten der Behörden, als auch das der privaten Akteure analysieren können. Damit konnte ein kriminelles Netzwerk aus Investoren, Beratern und Banken aufgedeckt werden. Die steuerrechtliche und strafrechtliche Aufarbeitung dieser Fälle läuft weiter.
Im Zuge des Untersuchungsausschusses hat der Steuerabteilungsleiter des Bundesministeriums der Finanzen im Zusammenhang mit den Cum/Ex-Machenschaften von organisierter Kriminalität gesprochen. Zur Verfolgung von solchen Fällen der besonders schweren Steuerhinterziehung möchten wir in der nächsten Legislaturperiode eine Telefonüberwachung ermöglichen. Das fordern wir in unserem Wahlprogramm. In den Ermittlungen zu Cum/Ex wäre die Telefonüberwachung wohl ein wirksames Mittel gewesen, mit dem ein großer finanzieller Schaden zu einem früheren Zeitpunkt verhindert hätte werden können.
Für die Bekämpfung von Steuerbetrug ist außerdem eine starke Verwaltung notwendig. Die Finanzbehörden und Ministerien auf Bundes- und Landesebene brauchen Experten in ausreichender Zahl, um die Aktivitäten der Gauner beobachten und ihre Strategien durchleuchten zu können. In Ihrer E-Mail sprechen Sie einen Fall an, in dem ein Mitarbeiter des Bundesministeriums der Finanzen im Zuge der Cum/Ex-Geschäfte gezielt Informationen an Banken weitergegeben haben soll. Das ist ein Skandal. Es zeigt außerdem wie wichtig es ist, dass die Behörde ihre fachliche Unabhängigkeit stärkt und sich breit aufstellt, so dass sie nicht in einem Spezialthema von der Expertise Einzelner abhängig ist. Den Akteuren auf dem Finanzmarkt muss auf Augenhöhe begegnen werden können. Ich halte es ebenso wie Sie für wichtig, dass das Know-How intern zur Verfügung steht. Externe Unterstützung ist in einzelnen Fällen notwendig, sie sollte aber die Ausnahme bleiben. Außerdem ist vollständige Transparenz notwendig.
Nun ist auch Wahlkampf und sehr verständlich, dass einige aus der Opposition, die ja fast keine Möglichkeit haben, sich durch Gesetzgebung zu profilieren, solche Themen besonders gern aufgreifen. In den Abschlussreden zu diesem Punkt wurde deshalb im Plenum des Bundestages besonders die externe Unterstützung des Bundesfinanzministeriums bei der Formulierung der Gesetzesentwürfe angeprangert. Das prangere ich auch an – sofern gerechtfertigt und sofern nicht transparent (transparent meint hier: dem Parlament bekannt). In diesem Fall allerdings führt sich das Argument selbst ad Absurdum, denn wären cum-ex Geschäfte erst in Folge der extern unterstützten Gesetzgebung möglich gewesen… wie dumm wären diese externen Berater gewesen… kein Gesetz zu machen, das cum-ex Geschäfte als ganz normales Geschäft erlaubt. Nein: die Gesetze waren hinreichend und so sind bestimmte cum-ex Geschäfte als kriminell einzustufen.
Abgesehen davon ärgert es mich sehr, dass es sich nicht von selbst versteht, dass es kriminell ist, sich nicht gezahlte Steuern erstatten zu lassen. Deshalb passt auch Ihr Beispiel mit der Verkäuferin – jedenfalls formalrechtlich – schlecht.
Manchmal gefallen sich einige auch darin die „Schuld“ bestimmten Ministern zuzuschreiben – und vergessen dabei, dass auch stets aus den eigenen Reihen Experten nicht bemerkt haben, was genau passierte bzw. passiert.
Der Kampf gegen Steuerbetrug ist eines der wichtigsten steuerpolitischen Ziele der SPD für die nächste Legislaturperiode. Leider gibt es auch genug zu tun. Daher gilt es nach vorne zu schauen. Nach den Untersuchungen der Cum/Ex-Fälle gilt es z.B. weiter gegen die sogenannten Cum/Cum-Geschäften vorzugehen. Bei diesen Geschäften helfen Banken ihren Kunden einen unberechtigten Anspruch auf Steuererstattung zu erlangen. Hier haben wir in einem ersten Schritt im Zuge der Investmentsteuerreform 2016 längere Haltefristen eingeführt. Ich finde, dass nun ein Ende der Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne aus Streubesitz-Beteiligungen folgen sollte. Dafür werden wir uns in der kommenden Legislaturperiode einsetzen.
Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding