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Frage von Hardy R. •

Frage an Lothar Binding von Hardy R. bezüglich Wirtschaft

Guten Tag sehr geehrter Herr Binding,

Deutschland gilt seit langer Zeit als einer der größten Waffenproduzenten und Waffenexporteure weltweit. Wieso stellen wir dies nicht ein und besinnen uns zur Gänze auf die von uns selbst so hoch gehaltene Diplomatie? Ich finde es scheinheilig, gegen Krieg zu mahnen und gleichzeitig viele Staaten direkt oder indirekt mit deutschen Waffen zu versorgen.

Über Ihre Einordnung dieses Sachverhaltes würde ich mich sehr freuen.

Mit bestem Gruß
Hardy Reckling

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Sehr geehrter Herr Reckling,

vielen Dank für Ihre Frage. Bevor ich Ihnen meine persönliche Einschätzung zum Thema Waffenproduktion und Waffenexporte darstelle, möchte ich Ihnen das Spannungsfeld der deutschen Rüstungsexportpolitik aufzeigen, die sich zwischen verschiedenen Grundsätzen, Verpflichtungen und Zielen bewegt.

Die Rüstungsexportpolitik der Regierung orientiert sich an klaren Regeln. Das Grundgesetz befasst sich in Artikel 26 Absatz 2 Grundgesetz mit Rüstungsexporten und besagt, dass zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden dürfen. Im Grundsatz heißt dies, dass Rüstungsexporte zugelassen sind. Dies erfolgt jedoch unter der Bedingung von Kontrollen durch Genehmigungen der Bundesregierung.

Näheres regelt das Kriegswaffenkontrollgesetz, das die gesetzliche Grundlage für die Herstellung, den Handel und Transport von Rüstungswaffen darstellt. So regelt § 2 des Kriegswaffenkontrollgesetzes, dass jede Handlung im Zusammenhang mit Kriegswaffen einer Genehmigung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie bedarf. Kriegswaffen dürfen ausdrücklich nicht exportiert werden, wenn angenommen wird, dass ein Export friedensstörende Handlungen im Land gefährden kann, oder die Käufer nicht die erforderliche Zulässigkeit besitzen. Wird eine Genehmigung für den Export erteilt, kann diese übrigens jederzeit widerrufen werden. Damit kann die Bundesregierung Kriegswaffenexporte kontrollieren, auch wenn sich die Umstände in den Kriegsgebieten ändern sollten.

Außerdem wurden im Januar 2000 von der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung die sogenannten „Politischen Grundsätze“ beschlossen, die im Kern festlegen, dass Deutschland nach dem Grundsatz der „restriktiven Rüstungspolitik“ handeln soll. Dies dient dem Ziel, durch die Kontrolle von Rüstungsexporten zur Sicherung des Friedens in den Exportländern beizutragen. Besteht demnach ein Verdacht, dass Rüstungsgüter „zur internen Repression oder zu sonstigen, fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden“ wird keine Genehmigung erteilt.

Jede Entscheidung zum Export von Kriegswaffen verlangt eine sorgfältige Prüfung. Bei einer Beurteilung stellt sich stets die Frage nach der Vereinbarkeit des Exports mit internationalen Verpflichtungen, wie von Beschlüssen der Vereinten Nationen und der EU. Die inneren Umstände im Endbestimmungsland, oder mögliche Risiken durch beispielsweise eine unerlaubte Weitergabe der Waffen im Empfängerland spielen bei der Beurteilung auch eine wichtige Rolle.

Sie finden unter den folgenden Seiten den aktuellen jährlichen Zwischenbericht über die Rüstungsexporte in Deutschland im ersten Halbjahr 2016, der detailliert über die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung informiert, als auch ein Dossier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie rund um das Thema der Rüstungsexportkontrolle:

https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Aussenwirtschaft/ruestungsexp
ort-zwischenbericht-2016.pdf?__blob=publicationFile

https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/ruestungsexportkontrolle.html

Auf dieser Grundlage nun meine persönliche Einstellung zum Thema Rüstungsexporte. Eigentlich eine ganz einfache Aufgabe: Ich bin gegen Rüstungsexport, auch gegen Rüstungsproduktion und erst recht dagegen Rüstungsgüter einzusetzen. Auch wenn es um Frieden geht - wenigstens auf einer Seite geht es um Macht und Tod. Der Fehler: in einer Demokratie entscheide ich nicht allein, bin sogar manchmal an Regeln gehalten die mich veranlassen das Falsche zu tun um Schlimmeres zu verhindern. Als es nur um meine Entscheidung ging - bin ich Kriegsdienstverweigerer geworden und habe mich für den Zivildienst bei einem Krankenhaus beworben. Leider haben sich zu wenige für den Zivildienst beworben. Dieses oft unauflösbare Entscheidungsdilemma ist eine der Bürden in der Politik.

Sie erkennen ein ganz ähnliches Dilemma: Aus Ihrer Frage geht hervor, dass Sie es scheinheilig finden, dass sich die deutsche Außenpolitik zwischen diplomatischem Konfliktmanagement und der gleichzeitigen Versorgung von Konflikt- und Kriegsregionen mit Waffen bewegt. Das verstehe ich gut. Umso wichtiger finde ich es, dass wir mit Frank-Walter Steinmeire und Siegmar Gabriel eine sehr sensible Außenpolitik verfolgen.

Die Existenz von Waffen und Waffenexporte bedeuten immer eine Gratwanderung zwischen der Unterstützung des Friedensprozesses und der gleichzeitig möglichen Verschärfung von Krisen oder Konflikten.

Schwierigkeiten bestehen auch darin, dass verschiedene Bewertungskategorien im Widerspruch zueinander stehen. Ich denke bei Waffenlieferungen immer an unseren moralischen Anspruch, an außenpolitische Verpflichtungen und an unsere Selbstverpflichtung zu einer zivilgesellschaftlichen Entwicklungspolitik. Einige Kolleginnen und Kollegen sehne das aber ganz anders, sie denken an Wirtschaftsförderung oder bestenfalls noch Arbeitsplätzen. Welche Bewertung sich als mehrheitsfähig erweist entscheiden die Bürgerinnen und Bürger bei der Zusammensetzung des Bundestages und der Bereitschaft der Fraktionen regieren zu wollen.

Aber auch meine Bedenken, jenseits der nach innen gerichteten Sichtweise, stoßen an moralische und rechtliche Schranken und Prinzipien, wenn die Gefahr besteht, dass die deutsche Rüstungs(export)politik nicht ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen gerecht werden kann. Daher bin ich froh, dass neben den klaren rechtlichen Bestimmungen, die ich eingangs erwähnt habe, die deutsche Rüstungskontrollpolitik in der vergangenen Zeit verschärft worden ist.

Wir haben in den letzten Jahren hohe Hürden für Exportgenehmigungen von Rüstungsgütern erreicht, die von Bundesregierung und Bundestag restriktiv und unter Anlegung strenger Prüfungskriterien ausgelegt werden. Rüstungsexporte sind nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen grundsätzlich genehmigungspflichtig. Gleiches gilt für sonstige Rüstungsgüter, die unter das Außenhandelsgesetz fallen.

Die im Jahr 2000 vom Bundeskabinett beschlossenen „Politischen Grundsätze“ heben die Priorität der Beachtung von Menschenrechten für jede Exportentscheidung hervor. Dies gilt unabhängig davon, um welches Empfängerland es sich handelt. So werden Rüstungsexporte, d. h. Ausfuhren von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, grundsätzlich nicht genehmigt, wenn „hinreichender Verdacht“ besteht, dass das betreffende Rüstungsgut - etwa Waffen, Munition, Fahrzeuge, aber auch Software - zur internen Repression oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht wird.

Die genaue Bewertung der Menschenrechtssituation hängt davon ab, ob das Empfängerland eine rechtstaatliche Struktur besitzt und ob demokratische oder menschenrechtliche Grundprinzipien beachtet werden. Dazu gehört zum Beispiel das Folterverbot, oder das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person. Die Verhältnisse in einem Land, egal ob NATO-, NATO- gleichgestelltes oder Drittland, werden auf Grundlage vieler Berichte und Quellen bewertet. Dazu gehören viele Kontrollregime: Internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, die OSZE, die Europäische Union und der Europarat, aber auch deutsche Auslandsvertretungen und internationale Menschenrechtsorganisationen, die unsere Rüstungsausgaben in vielen Bereichen lenken.

Fortschritte bei der Rüstungskontrolle gab es auch bei den sogenannten Dual-Use-Gütern, bei der Genehmigung von Kleinwaffen, oder der Verbesserung von Kontrollmöglichkeiten vor Ort.

Dual-Use-Güter sind Waren mit doppeltem Verwendungszweck, die sowohl zivil und defensiv, aber auch zu Menschenrechtsverletzungen genutzt werden können, sofern sie in die falschen Hände geraten. Seit 1997 sind solche in Deutschland genehmigungspflichtig, und seit 2006 besteht auch eine EU-weite Genehmigungspflicht.

Durch die Verschärfung der Regelungen für Kleinwaffenexporte, die auf die sogenannten Kleinwaffengrundsätze vom März 2015 zurückgehen, wird die Genehmigung von Kleinwaffen besonders restriktiv gehandhabt. Kleinwaffen in Drittländer werden grundsätzlich nur noch gegen Verpflichtungserklärungen von staatlichen Empfängern exportiert, die zu ersetzenden Waffen zu vernichten. Da die meisten Todesfälle in Krisenregionen durch den Einsatz von Kleinwaffen verursacht werden, ist es wichtig zu verhindern, dass bei der Modernisierung der Ausrüstung bereits vorhandene Waffen in die falschen Hände gelangen.

Genehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern werden außerdem nur dann erteilt, wenn der Endverbleib der Güter im Empfängerland sichergestellt ist. Außerdem hat die Bundesregierung auf Initiative von Sigmar Gabriel im Juli 2015 die Einführung der sogenannten „Post-Shipment-Kontrollen“ für bestimmte deutsche Rüstungsexporte beschlossen. Mit diesen Kontrollen lässt sich direkt und vor Ort überprüfen, ob die exportierten Waffen auch wirklich bei dem angegebenen Endempfänger ankommen und auch dort verbleiben. Verstößt ein Empfängerland dagegen, wird es grundsätzlich von der weiteren Belieferung mit Kriegswaffen ausgeschlossen.

Insgesamt betrachtet wurde in den vergangenen Jahren ein stabiles rechtliches Regelwerk mit strengen Bedingungen zur Exportrüstungskontrolle geschaffen. Gleichzeitig gibt es aber noch Verbesserungsbedarf, vor allem im Bereich der parlamentarischen Kontrolle. Natürlich ist der wirksamste Schutz gegen den Einsatz von Kriegsgeräten und Rüstungsgütern der Verzicht auf ihren Export. Leider lassen sich meine Vorstellungen nicht mit allen Staaten verhandeln, manchmal gibt es auch keine Mehrheiten in der Koalition. Also hilft nur eine Politik der kleinen Schritte und der großen Kompromisse. Daher wünsche ich mir, dass moralische Erwägungen bei den Exportunternehmen und der zivile Ausfuhranteil weiter wachsen.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding