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Lothar Binding
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Frage von Matthias S. •

Frage an Lothar Binding von Matthias S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Binding,

ich möchte Sie als Finanz- und Steuerexperten der SPD fragen, was Sie und Ihre Partei von einem (nationalen oder auch europaweiten) fiskalpolitischen Lastenausgleich zur Bewältigung der Banken- und Eurokrise halten. Dies sollte doch ein Kernziel einer sozial orientierten Partei sein.

Konkret geht es mir um folgendes: Derzeit handelt primär die EZB, leider aber druckt sie nur in unfassbaren Mengen Geld, betreibt illegale Staatsfinanzierung und behindert damit sogar eine faire fiskalpolitische Lösung der Staatsschuldenproblematik. Die Folge ist: Die normalen Sparer, also die einfachen Leute, werden durch negative Realzinsen enteignet, die Reichen werden dagegen einfach so reicher gemacht, da deren Immobilien- und Aktienvermögen durch Draghis und Merkels Gelddruckerei und Inflationierungspolitik steigen.

Ist das nicht ein Skandal? Müsste es nicht bei einer derartigen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe wie der Eurokrise einen Lastenausgleich geben, der über das Steuersystem organisiert wird? Es sollten doch die Starken mehr tragen als die Schwachen. Aktuell ist es genau umgekehrt. Man enteignet die Schwachen (Entwertung des Ersparten) und beschenkt die Reichen (Hausse an den Immobilien- und Aktienmärkten). Das läuft jetzt schon seit Jahren, dadurch werden hunderte Milliarden Euro von den Schwachen zu den Reichen umverteilt.

Als Bürger hat man den Eindruck: Die Politik schweigt das Thema tot, da einerseits die öffentlichen Haushalte von den Negativzinsen profitieren und die Politiker selbst privat auch eher zu den Profiteuren dieser Politik gehören. Es dürfte kaum einen Politiker geben, der mit seiner Familie zur Miete wohnt und dessen Erspartes jetzt kalt enteignet wird.

Aber: Ist das alles nicht ein sozial- und fiskalpolitischer Skandal unfassbaren Ausmaßes? Müsste nicht gerade die SPD hier aufschreien und sagen: Das muss fair gelöst werden! War es nicht Helmut Schmidt, der sagte: Nichts ist unfairer als Inflation?

MfG

M. Schwarzer

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Sehr geehrter Herr Schwarzer,

vielen Dank für Ihre Fragen und Bemerkungen. Vieles von dem, was Sie geschrieben haben, kann ich unterstützen. So finde ich Ihre Aussage richtig, dass starke Schultern mehr tragen sollten als Schwächere. Dies spiegelt sich in einem progressiv gestalteten Steuersystem entsprechend wider - ob dabei Spitzeneinkommen etwas mehr beitragen sollten als heute und geringere Einkommen etwas Entlastung verdienten, ist eine Diskussion wert.. Zudem unterstütze ich Ihre Aussage, dass gerade die Reicheren in den letzten Jahren durch boomende Aktienmärkte und Immobilienpreise in besonderem Maße profitiert haben.

Einigen Ihrer Thesen kann nicht zustimmen:

Auch wenn es sich "indirekt" und "gefühlt" anders darstellt – Ihre Behauptung, dass die EZB eine illegale Staatsfinanzierung betreibt, ist nicht richtig. Mehrere Gerichtsurteile haben mittlerweile bestätigt, dass die EZB bei allen ihr Wertpapierkäufen im Rahmen ihres Mandats gehandelt hat. Die EZB darf Staatsanleihen aufkaufen, wenn dies zur Sicherung der Stabilität des Euro erforderlich ist. Mit dem 2012 angekündigten entsprechenden „OMT-Programm“ hat die EZB ihre Kompetenzen nicht überschritten, urteilte insbesondere am 16. Juni 2015, der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg (Az.: C-62/14). Dieses Urteil wurde auch vom deutschen Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 21.6.2016 so bestätigt.

Die derzeit bestehende EZB-Nullzinspolitik bezeichnen Sie als "kalte Enteignung". Aus Sicht der Sparerinnen und Sparer ist zwar es auf dem ersten Blick verständlich, dass sie die gegenwärtige EZB-Nullzinspolitik negativ bewerten, weil sie den Nominalzins im Blick haben. Dass Sparbücher, Tagesgeld- und Festgeldkonten kaum noch Rendite bringen, ist ein ernstzunehmendes Problem der EZB-Politik. Solche Wertverluste hat der Sparer aber nicht nur, wenn der festgesetzte EZB-Leitzins so wie derzeit bei null ist. Dieses Phänomen ist immer dann zu beobachten, wenn die Inflationsrate höher als der nominale Zins ist. Der Realzins wird dann negativ, und Sparer machen einen Verlust. Diesen Umstand muss ich nicht für gut halten, er ist aber in der deutschen Geschichte keineswegs selten. Seit 1967 machten die Sparer in mehr als der Hälfte aller Jahre Realzins-Verluste. Auf der anderen Seite gibt es auch gerade für Deutschland offensichtlich positive Effekte der EZB-Nullzinspolitik: Noch nie waren die Kreditzinsen für den Immobilienkauf und für Konsumentendarlehen so niedrig. Unternehmen investieren, und es haben so viele Menschen in Deutschland Arbeit wie nie zuvor. Die bisherige relative Schwäche des Euros gegenüber dem Dollar wirkt auf exportorientierte Unternehmen wie ein zusätzliches Konjunkturprogramm. Auch gerade der deutsche Staat kann sich zu so günstigen Bedingungen refinanzieren, wie nie zuvor und spart mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr.

Nun werden Sie mir vermutlich entgegnen, dass nur Reiche und der Staat/die Politik von den niedrigen Zinsen profitieren, der "normale Arbeitnehmer" aber die Last zu tragen hat. Hierbei bitte ich Sie zu bedenken, dass von der boomenden deutschen Wirtschaft auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren, da die Arbeitslosigkeit auf einem historischen Niedrigstand ist. Auch ist es aus meiner Sicht nicht richtig, dass nur die Reichen von zinsgünstigen Wohnimmobilien- und Konsumentenkrediten profitieren, sondern auch junge Berufseinsteiger, Familien und ältere Menschen. Durch die niedrigen Zinsen ist der Staat zudem auch in der Lage, mehr zu investieren. Aus SPD-Sicht wäre es durchaus wünschenswert, dass Deutschland (im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten) noch mehr in Bildung, Digitalisierung, Pflege und Infrastruktur investiert. Aber leider bremst hierbei unser Koalitionspartner.

Der angeblich von Helmut Schmidt kommende Satz "Nichts ist unfairer als die Inflation" ist mir so nicht bekannt. Allerdings hat Helmut Schmidt deutlich gesagt, dass ihm 5% Inflation lieber sind als 5% Arbeitslosigkeit. Diesem Satz kann ich zustimmen, weil ich Arbeitslosigkeit für eine der größten Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft halte. Von daher begrüße ich es sehr, dass wir derzeit ein so niedriges Arbeitslosenniveau in Deutschland haben. Gleichwohl müssen wir Leih- und Zeitarbeit, Werkverträge, befristete Beschäftigung und auch die Mini- und Midijobs in den Blick nehmen. Eine Inflation, die bei rund 2% liegt, halte ich für ideal. Zu hohe Inflation führte zu einer Preisspirale, die das Geld in der Tat zu stark entwerten würde. Eine Inflationsrate von deutlich unter 2% halte ich für zu niedrig, da hiermit die Gefahr deflationärer Tendenzen einhergeht. Verbraucherinnen und Verbraucher würden in einem solchen Szenario ihre Kaufentscheidungen in der Erwartung künftig sinkender Preise weiter aufschieben. Dies würde die wirtschaftliche Entwicklung lähmen und in einem Folgeschritt zu rezessiven Tendenzen und in der Folge zu höherer Arbeitslosigkeit führen.

Ich habe allerdings die Erwartung, dass sich die Wachstumsaussichten in der Eurozone in den nächsten Jahren weiter stabilisieren. Diese würde dazu führen, dass die EZB ihre Anleihekaufprogramme weiter herunterfahren könnte und in einem nächsten Schritt auch die Zinsen wieder - wie jetzt bereits in den USA geschehen - anheben könnte.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding
Lothar Binding