Frage an Lothar Binding von Juergen V. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Binding,
aufgrund der Reportagen zu Panama-Papers, Briefkastenfirmen und Steueroasen möchte ich mich über den Stand der Finanztransaktionssteuer in den Bundestagsgremien informieren. Da alle im Bundestag vertretenden Parteien diese unterstützen und einführen möchten, bin ich erstaunt , dass diese noch nicht eingeführt wurde. Die Bankenrettungspakete, ESM und ESF wurden binnen einer Woche in Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Steht die Finanztransaktionssteuer nicht mehr auf der Tagesordnung? Gerade aufgrund der Steuerzahlungsmoral von Großkonzernen und Milliardären ist hier dringender Handlungsbedarf.
für die Beantwortung bedanke ich mich,
Mit freundlichen Grüßen
J.Vanselow
Sehr geehrter Herr Vanselow,
vielen Dank für Ihre Frage zur Finanztransaktionsteuer (FTS bzw. FTT).
Damit die Steuer in gewünschter Weise wirken kann ist es wichtig, dass sich möglichst viele Länder daran beteiligen. Im Idealfall also alle Länder bzw. Staaten der Welt. Das ist natürlich illusorisch. Deshalb streben wir eine Lösung auf OECD oder wenigstens auf EU Ebene an. Leider war auch das bisher nicht möglich. Aus diesem Grund musste sich Deutschland mit 10 anderen europäischen Ländern zusammentun um in einer sogenannten „Verstärkten Zusammenarbeit“ über die Einführung der FTT zu verhandeln. Falls auch dies scheitert, wollen wir, also die SPD Bundestagsfraktion, eine nationale Einführung.
Die Einführung einer Steuer auf Finanzgeschäfte fordert die SPD schon recht lange. Nach der Finanzkrise ist dieses Anliegen noch wichtiger geworden und wir waren sehr froh, die FTT im Koalitionsvertrag verankern zu können. Die Finanzmärkte wenigstens im Nachhinein an den Kosten ihrer Stabilisierung zu beteiligen, war für uns selbstverständlich. Dabei ist es so, dass nicht die Parlamente verschiedener Staaten miteinander verhandeln, sondern die Regierungen. Für Deutschland verhandelt also das Bundesfinanzministerium auf EU Ebene.
Im Kern fordern wir eine Steuer auf breiter Bemessungsgrundlage bei gleichzeitig niedrigen Steuersätzen. Damit ist eine einzelne Transaktion nur geringfügig betroffen (Kleinanlegerschutz). Gleichzeitig ist das Marktvolumen aber groß genug, um die angestrebte Wirkung zu erzielen. Durch das Ausgabe- und Ansässigkeitsprinzip wollen wir Ausweichreaktionen vermeiden. Demnach sollen sowohl Transaktionen von Händlern besteuert werden, die ihren Sitz im Geltungsbereich der Steuer haben als auch Finanzprodukte, die in einem Land ausgegeben werden, das die Finanztransaktionssteuer eingeführt hat.
Eine grundsätzliche Einigung konnte innerhalb der verstärkten Zusammenarbeit bereits am 8. Dezember 2015 erzielt werden, die jedoch die Höhe der Steuersätze offen lässt. Lange unklar war auch, ob bestimmte Produkte, z.B. Aktien oder Derivate wie Zins- oder Aktienderivate von der FTT ausgenommen werden sollen - bestimmte Länder verfolgen hier recht spezielle Einzelinteressen. Einige Länder haben Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen der Steuer auf die Realwirtschaft und Pensionsfonds geäußert. Die Höhe der Steuersätze wird daher aktuell von den elf teilnehmenden Staaten verhandelt. Nach unseren Vorstellungen soll der Aktienhandel mit 0,1% und der Derivatehandel mit 0,01% besteuert werden, was den Vorschlägen der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2013 entspricht. Diese Sätze hören sich sehr niedrig an, allerdings reden wir über einen Markt, in dem Hochfrequenzhandel betrieben wird. Deshalb haben auch diese niedrigen Steuersätze eine große Wirkmächtigkeit.
Schätzungen zufolge würde das europaweit 34 Milliarden Euro Steuereinnahmen erbringen. Die Verhandlungen sollen bis Ende Juni zu einem konkreten Ergebnis kommen. Es ist wichtig Ausnahmen in der Bemessungsgrundlage zu vermeiden, denn diese gefährden sowohl die gewünschte Lenkungswirkung als auch das Aufkommen. Von der Bundesregierung fordern wir hier eine offensivere Haltung. Leider verhandeln viele Länder in Richtung Ausnahmeregelungen…
Politische Verhandlungen sind nicht immer leicht. Sie sind bestimmt von Eigeninteressen und die Ergebnisse münden oft in Kompromissen mit schwierigen Regelungen, die die eigenen ursprünglichen Vorstellungen konterkarieren. Umso wichtiger sind die kommenden Monate für das Verhandlungsergebnis. Der Bundesminister der Finanzen führt die Verhandlungen mit den anderen Mitgliedstaaten in der verstärkten Zusammenarbeit. Wir hoffen sehr, dass die Steuer wenigstens in der Verstärkten Zusammenarbeit ein Erfolg wird.
Ich hoffe meine Antwort hilft Ihnen ein Schritt weiter.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding