Frage an Lothar Binding von Werner M. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Binding,
stimmt es, das die europäische Kommission ein europaweites Bankensicherungssystem plant, und dafür die jetzt bestehenden Rücklagen des deutschen Bankensicherungssystems anzapfen will? Es kann doch nicht sein, das Länder die bisher keine Vorsorge getroffen haben, von deutschen Banken und Sparkassen gestützt werden und die nationale Sicherung geschwächt wird. Hier sollen ausgerechnet Länder profitieren, die Deutschland in der Flüchtlingssituation die Solidarität verweigern. Sollte ein europaweites "solidarisches" Bankensicherungssystem eingeführt werden, wird das weitere europafeindliche Stimmungen in der Bevölkerung befeuern! Wie sieht die SPD die Begehrlichkeiten zu Lasten deutscher Sparkassen und Bankkunden?
Mit freundlichen Grüßen
Werner Mahieu
Sehr geehrter Herr Mahieu,
vielen Dank für Ihre Frage, in der Sie die Sorge äußern, dass ein europäisches Bankensicherungssystem zu Lasten der deutschen Bankensicherungen eingeführt werde.
Zunächst grundlegendes zur Bankenunion: Als Reaktion auf die Finanzkrise beschloss der Europäische Rat auf dem Gipfeltreffen der Euro-Länder im Juni 2012, den "Teufelskreis zwischen Banken und Staaten" aufzubrechen und eine Bankenunion zu schaffen. Die Umsetzung der Bankenunion umfasst im Wesentlichen drei Maßnahmen:
Erstens wurde ein Einheitlicher Aufsichtsmechanismus eingerichtet. Dieser überträgt der Europäischen Zentralbank die Rolle der zentralen Aufsichtsbehörde von Finanzinstituten in der Euro-Zone (ca. 6000 Banken). Seit dem November 2014 hat die EZB die direkte Aufsicht über die größten Banken übernommen, während die Aufsicht über die übrigen Banken weiterhin bei der jeweiligen nationalen Aufsicht liegt. Durch diese Maßnahme soll sichergestellt werden, dass die EU-Bankenvorschriften eingehalten werden und mögliche Schwierigkeiten frühestmöglich erkannt und behandelt werden.
Zweitens ist ein Einheitlicher Abwicklungsmechanismus eingeführt worden. Im Zuge dieses Abwicklungsmechanismus ist der sog. Einheitliche Abwicklungsfonds eingerichtet worden. Dieser Fonds wird durch Beiträge des Bankensektors gespeist. In einem ersten Schritt zahlen alle Banken in der Bankenunion in nationale Töpfe ein. Nach 8 Jahren soll hieraus dann schrittweise der europäische Fonds auf 55 Milliarden Euro gefüllt werden. Dieser Abwicklungsfonds wird also dann im Ernstfall zur Rettung einer Bank in der Bankenunion eingesetzt, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist.
Drittens ist auch eine Harmonisierung der nationalen Einlagesicherungen erzielt worden. Dabei ist unter anderem eine Deckungssumme der Sicherungen für Einleger in Höhe von 100.000 Euro festgelegt. Für die Einleger verkürzt sich die Auszahlungsfrist im Entschädigungsfall von derzeit 20 auf zukünftig sieben Arbeitstage. Einen erhöhten Schutzumfang bekommen Einlagen von bis zu 500.000 Euro, die zum Beispiel durch den Verkauf eines Privathauses oder Auszahlung einer Altersvorsorge-Versicherung entstehen können. Der Schutz besteht dann sechs Monate, sodass den Bankkunden genügend Zeit für finanzielle Entscheidungen bleibt ohne dass ihre Einlagen im Fall einer Insolvenz des Instituts gefährdet wären. Schließlich werden Kunden in Zukunft über die Einlagensicherung umfangreicher informiert.
Ich gehe davon aus, dass sich Ihre Frage bzw. Kritik allerdings gegen ein vergemeinschaftetes europäisches Einlagensicherungssystem richtet. Ein europäisches Einlagensicherungssystem gibt es nicht. Im Unterschied zum einheitlichen Abwicklungsfonds bleiben die nationalen Einlagensicherungssysteme solche der Mitgliedstaaten.
Tatsächlich steht aber ein solcher Vorschlag seitens der Europäischen Kommission im Raum. Diese Einlagensicherung solle dann im Insolvenzfall dazu dienen, Anleger der Banken auszahlen zu können. Ein solches gemeinsames Einlagensicherungssystem halte ich zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht für zielführend und unterstütze die Formulierung des Koalitionsvertrages auf Seite 94: "Eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung auf EU-Ebene lehnen wir ab."
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit dieser Information weiterhelfen konnte und verbleibe
mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding
Lothar Binding
Mitglied des Deutschen Bundestages
Finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion