Frage an Lothar Binding von Fabian G. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Binding,
mit dem aktuellen Entwurf vom 11.03.2015 zur Neuregelung des Telemediengesetzes der Bundesregierung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie positioniert sich die Bundesregierung gegen die Verbreitung digitaler Netzwerke und WLAN-Zugangspunkte zum Internet in Deutschland. Mit der Annahme dieses Entwurfs wäre Deutschland eines der ganz wenigen Länder weltweit, das weiterhin an einer Störerhaftung in WLAN-Netzwerken festhält.
In sechs konkreten Punkten hat der Förderverein Freie Netzwerke e.V. in einer Stellungnahme unter folgendem Link festgehalten, warum diese Gesetzesänderung weder wünschenswert, noch überhaupt umsetzbar ist und die aktuelle Situation eher verschlechtert als verbessert sowie zu unsäglichen Kosten für Verwaltung und Wirtschaft führen wird:
http://freifunk.net//stellungnahme-tmg-e
Wie stehen Sie zum Entwurf zur Neuregelung des Telemediengesetzes und der Stellungnahme des Fördervereins Freie Netzwerke e.V.? Sind Sie für mehr verfügbare WLAN-Zugangspunkte in Deutschland (und speziell in Heidelberg) oder dagegen? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Entwurf so nicht beschlossen bzw. die Störerhaftung abgeschafft wird? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht?
Mit freundlichem Dank und Gruß
Lieber Fabian Grünig,
vielen Dank für Ihre Frage zur Neuregelung des Telemediengesetzes (TMG), mit dem die allgemeinen Informationspflichten von Telemedien-Dienstanbietern geregelt werden sollen.
Der aktuelle Entwurf schafft rechtliche Klarheit darüber, wie WLAN-Betreiber sich vor der Haftung für Rechtsverletzungen anderer schützen können. Diese Klarstellung wird für den Ausbau öffentlicher Hotspots förderlich sein und die Nutzung der vorhandenen WLAN-Infrastruktur erleichtern. Ein gutes Ziel der SPD-Fraktion für Deutschland, auch für Heidelberg. Wie im richtigen Leben nehmen Klarheit und Eindeutigkeit auf der Suche nach Kompromissen – auch in Regierungskoalitionen aus CDU/CSU und SPD – aber nicht immer zu. Und was uns in der digitalen Welt so gut gefällt, will so gar nicht mit dem überall auf uns wartenden unbestimmten Rechtsbegriff zusammen passen. Unter folgendem Link des Deutschen Forschungsnetzes (DFN Verein) finden Sie eine gute Darstellung, die Störerhaftung gut erklärt und dieses Dilemma im Kontext von Störerhaftung beschreibt. https://www.dfn.de/fileadmin/3Beratung/Betriebstagungen/bt50/forum-recht-TMG-1.pdf
Natürlich gibt es auch in Heidelberg viele Hotels, Gastronomen, Einzelhändler, Verkehrsbetriebe, Freiberufler aber auch Bibliotheken und Schulen die ihr Angebot durch kostenlose und offene Funknetze attraktiver machen würden. Es besteht oft die Befürchtung, dass sie für mögliche Rechtsverletzungen, die ihre Nutzerinnen und Nutzer über ihren WLAN-Anschluss begehen könnten, verantwortlich gemacht werden, denn in der aktuellen Rechtslage existieren gewisse Unklarheiten, Regelungslücken. Genau diese Lücken sollen mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes geschlossen und Rechtssicherheit geschaffen werden.
Ich teile Ihre Befürchtung nicht vollständig, denn dass durch die Neuregelung an einer Störerhaftung in WLAN-Netzwerken (einfach so) festgehalten wird, wird dem TMG nicht gerecht. Im Gegenteil: In der Neuregelung soll gerade klargestellt werden, dass eine Haftung als Störer für Anbieter von WLAN nicht in Betracht kommt, wenn sie bestimmte Sorgfaltspflichten erfüllt haben – ob dieses Ziel vollständig in einem Schritt erreicht wird ist eine andere Frage. Aber es wird ein gutes Stück des Weges gegangen.
Das bedeutet konkret, dass Dienstanbieter, die einen Internetzugang geschäftsmäßig oder als öffentliche Einrichtung anbieten, ihre Netzwerke verschlüsseln, oder den Zugang durch vergleichbare Maßnahmen sichern. Eine Maßnahme die, der Förderverein Freie Netzwerke e.V. kritisiert hat .Die Verschlüsselung dient jedoch zunächst dem Interesse des WLAN-Betreibers selbst. Sie verhindert, dass Unbefugte über seinen Internet-Zugang surfen und auf seine Dateien zugreifen können. Darüber hinaus dient die Verschlüsselung vor allem auch dem Schutz des Kommunikationsgeheimnisses der Nutzerinnen und Nutzer.
Zusätzlich dürfen Anbieter ihr Funknetz nur Nutzern zur Verfügung stellen, die erklärt haben, keine Rechtsverletzung zu begehen. Dabei können die Anschlussinhaber selber entscheiden, in welcher Form das geschehen soll: Etwa durch eine Vorschaltseite, Einwilligung in die AGB oder auf der Speisekarte eines Restaurants.
Geschäftsmäßig heißt in diesem Zusammenhang ausdrücklich nicht gewerbsmäßig. Geschäftsmäßig sind alle Tätigkeiten, die auf eine gewisse Dauer angelegt sind, nicht jedoch nur gelegentliche private Betätigung. Ja, die Unterscheidung zwischen geschäftsmäßig und gewerbsmäßig macht die Welt nicht einfacher – aber die Lebenswirklichkeiten in den Substrukturen der Gesellschaften werden ständig komplexer. Private Anbieter müssen zusätzlich zu den bereits beschriebenen Sicherheitsmaßnahmen die Nutzer, denen sie ihr WLAN überlassen wollen, namentlich kennen, da davon ausgegangen wird, dass das Risiko für Straftaten im geschützten privaten Bereich höher ist.
Ob der Gesetzesentwurf mit der E-Commerce-Richtlinie der EU vereinbar ist wird im Rahmen der Notifizierung auf europäischer Ebene und im parlamentarischen Verfahren geprüft.
Ich werde mich mit meiner Fraktion für die Verabschiedung des Entwurfes einsetzen – und damit in der Zielstellung für die Abschaffung der Störerhaftung.
Ich hoffe Ihre Fragen hinreichend beantwortet zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen,
Ihr Lothar Binding
P.S. Da Sie in Heidelberg wohnen, können wir uns auch gelegentlich in meinem Bürgerbüro oder einem Café zu einem Gespräch treffen.
Bürgerbüro Heidelberg/Weinheim
Bergheimer Straße 88
69115 Heidelberg
Tel: (06221) 18 29 28
Fax: (06221) 61 60 40