Frage an Lothar Binding von Helmut F. bezüglich Soziale Sicherung
Das leere Versprechen" titelt Die ZEIT einen Beitrag zu zukünftiger Altersarmut. Trotz Riester-und Rürup-Rente und trotz Blüm -Versprechen: Die Armut im Alter ist sicher!
Im Unterschied zum Nachbarland Schweiz, wo sämtliche Einkunftsarten zur Finanzierung der Altersvorsorge herangezogen werden, tragen in der Bundesrepublik Deutschland nur Einkommen aus Arbeit zur Finanzierung der Altersvorsorge bei.
Werden Sie sich dafür einsetzen das bestehende Alters-Finanzierungs-System an das Schweizer Modell anzupassen? Also sämtliche Einkünfte der Beitragspflicht zur Altersvorsorge der Gesellschaft unterwerfen? Allfällige Einwände von wegen Beiträge würden auch zukünftige Leistungspflichten auslösen halte ich für unbegründet! Mit entsprechenden Übergangsregelungen läßt sich das Problem lösen!
Sehr geehrter Herr Federmann,
vielen Dank für ihre Anfrage vom 15.09.2013.
Das Alters-Finanzierungssystem der Schweiz basiert auf einem Drei-Säulen-Modell: Die erste Säule stellt eine obligatorische Volksversicherung dar und umfasst alle Bürger, die in der Schweiz wohnen und dort arbeiten. Sie besteht aus der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), der Invalidenversicherung (IV) und aus Ergänzungsleistungen. Diese Säule wird im Umlageverfahren finanziert - zu 80% von den Beiträgen der Versicherten und zu 20% aus öffentlichen Geldern des Bundes und der Kantone.
Die Versicherungspflicht gilt in der Schweiz somit für alle und die Höhe der Beiträge ist nicht gedeckelt. Bergrenzt ist die ausgezahlte Rente.
Die zweite Säule erfasst die obligatorische berufliche Vorsorge (BV). Alle Arbeitnehmer ab 18 Jahren, die mehr als 17.210 € (25.320 SFr.) verdienen, sind in ihr versichert. Sie wird durch ein Kapitaldeckungsverfahren durch Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber und durch den Kapitalertrag finanziert. Das Zielniveau der Renten aus der ersten und zweiten Säule beträgt etwa 60% des durchschnittlichen Bruttoeinkommens.
Die dritte Säule ermöglicht die individuelle private Selbstvorsorge für das Alter.
Die Beitragsbelastung in der ersten Säule fällt für die schweizerischen Arbeitnehmer mit ungefähr 10,1% deutlich günstiger aus als für die deutschen (18,9%), jedoch muss die zweite Säule noch zur Lebensstandardsicherung hinzugezählt werden, weswegen man auf die 10,1 % noch 7,5 bis 9 -5 hinzu addieren muss. Der Beitrag bewegt sich also auf ähnlichem Niveau wie im deutschen System. Die Leistungen alleine aus der ersten Säule können allerdings keine Grundversorgung garantieren. So lag die Mindestrente aus der AHV vor einem Jahr bei 964 Euro, die Maximalrente bei 1.931 Euro- der offiziell definierte Lebensbedarf lag bei 1.728 Euro.
Vor allem Frauen sind nicht in der zweiten Säule versichert, da sie überproportional in Teilzeit beschäftigt sind und somit keine entsprechenden Leistungen beziehen können.
Mit dem Verzicht auf eine Beitragsbemessungsgrenze und der Festlegung von Maximalrenten wäre das in Deutschland gültige Äquivalenzprinzip zwischen Beitrag und Leistung aufgehoben. Verfassungsrechtlich wäre eine Umsetzung in Deutschland folglich nicht ohne Verfassungsänderung möglich, da die Beitragsbemessungsgrenze die wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit einer „Zwangsversicherung“ ist und das Grundgesetz nach Art. 2 Abs. 1 ein Übermaß an „Zwang“ zur staatlichen Vorsorge nicht erlaubt.
Ein weiterer verfassungsrechtlicher Aspekt, der dagegen spricht das deutsche System dem schweizerischen Pendant anzupassen ist der Eigentumsschutz nach Art. 14 abs. 1 des Grundgesetzes, den Renten und Rentenanwartschaften nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes genießen. Eigentumsgeschützt sind sie deshalb, da sie größtenteils auf Eigenleistungen der Versicherten beruhen. Wenn man, wie in der Schweiz, nun Mindest- und Maximalrenten einführt würde man den Zusammenhang zwischen Vorleistung und Rente weitgehend aufgeben: Der Eigentumsschutz würde geschwächt.
Bei einer Umstellung auf das schweizerische System dürfte folglich nicht in eigentumsgeschützte Rentenanwartschaften eingegriffen werden. Sie müssten nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zu Rentenleistungen führen, so dass man zwei Systeme bei einer langen Übergangszeit parallel finanzieren müsste. Im alten System durch Beiträge erworbene Anrechte, würden für Arbeitnehmer zu einer Basisversorgung führen. Dies ist keinesfalls verfassungsrechtlich zulässig.
Die SPD will in den kommenden vier Jahren die Altersarmut mit einem schlüssigen Rentenkonzept und der Solidarrente von 850 Euro bekämpfen. Denn wer lange gearbeitet hat, soll nicht zum Sozialamt gehen müssen, um seine Rente aufzustocken. Gute Löhne sind eine wesentliche Voraussetzung für gute Renten. Deswegen wird die SPD für mehr sozialversicherungspflichtige Jobs, für den gesetzlichen Mindestlohn und für gute Tariflöhne sorgen. Darüber hinaus sollen alle, die 45 Jahre in der Rentenversicherung versichert waren, die volle Rente bekommen - auch schon mit 63 Jahren, ohne Abschläge. Wer unverschuldet wegen Krankheit oder Behinderung das Renteneintrittsalter gar nicht erreichen kann, darf nicht von Altersarmut betroffen sein und braucht einen würdigen Übergang in die Rente. Deshalb gibt es auch bei der Erwerbsminderungsrente keine Abschläge. Für Ältere, die lange gearbeitet aber wenig verdient haben, kommt der Mindestlohn zu spät. Für sie soll es die Solidarrente geben: 850 Euro mindestens.
Ein Blick in das SPD Regierungsprogramm 2013 bis 2017 http://www.spd.de/linkableblob/96686/data/20130415_regierungsprogramm_2013_2017.pdf gibt Ihnen weitere Hinweise.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Lothar Binding