Frage an Lothar Binding von Regina F. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Binding,
vielen Dank für Ihre detaillierte Antwort auf meine Frage zur Bürgerversicherung! Ein Aspekt bleibt aus meiner Sicht allerdings noch offen: Sie begründen die geplante 1-Jahres-Frist für den Übertritt zur Gesetzlichen Krankenversicherung damit, dass man bisher privat Versicherte daran hindern wolle, noch länger in der PKV zu bleiben und dann erst überzutreten, wenn sie alt und krank geworden sind. Damit sagen Sie indirekt: die neue Bürgerversicherung wird so unattraktiv sein, dass die Leute so spät wie möglich übertreten werden. Das ist keine gute Werbung für die Bürgerversicherung! Und ist nicht viel eher zu anzunehmen, dass die Privatversicherten in Panik "überlaufen" werden, weil ihre Beiträge, wenn keine neuen, jungen Versicherten mehr nachkommen, ins Unermeßliche zu steigen drohen? Niemand mit Verstand wird einer ausblutenden Versicherung angehören wollen. Aber ein Jahr Testphase, ist, lieber Herr Binding, in unserem Gesundheitswesen wirklich viel zu kurz, um festzustellen, ob sich eine Veränderung bewährt hat. Das meinte ich mit meiner bangen Frage, ob auch an die Versicherten gedacht wird. Ich finde, eine Bürgerversicherung ist grundsätzlich eine sehr gute Idee - wenn sie wirklich für die Bürger gemacht ist. Davon bin ich noch nicht überzeugt. Sie können sagen, das jetzige System habe auch seine Mängel. Das stimmt natürlich, aber gerade deshalb sollte doch eine Veränderung, zumal eine so große, auch wirklich gut durchdacht sein, oder nicht?
Mit freundlichen Grüßen,
Regina Forberger
Sehr verehrte Frau Forberger,
vielen Dank für Ihre Nachfrage. Ich kann gut verstehe, dass viele Bürgerinnen und Bürger eine grundlegende Neuausrichtung unseres Gesundheitswesens mit Skepsis betrachten. Veränderungen erzeugen oft Unsicherheit. Hier beruhigt mich, dass auch ein Gutachten der AWO belegt, dass eine Zusammenführung von gesetzlicher und privater Kranken- und Pflegeversicherung das Finanzierungsproblem des Gesundheitswesens nachhaltig lösen kann.
Die Bürgerversicherung ist bisher nur ein Konzept. Sollte die SPD nach der Bundestagswahl in Regierungsverantwortung gelangen, dann gilt es dieses Konzept in Gesetzesform zu bringen und an den Details der Regelungen zu feilen.
Sie schreiben in ihrer zweiten Frage, dass ein Jahr zu kurz sei, um zu entscheiden, ob man in die gesetzliche Krankenkasse wechseln sollte. Die Entstehungsgeschichte dieser Regelungen geht auf die Beobachtung zurück, dass viele Versicherte sich so verhalten: geht es ihnen beruflich bzw. finanziell schlecht, sind sie in einer gesetzlichen Krankenkasse, geht es ihnen dann gut mit hohen Einkommen, oft Selbständig, wechseln sie in eine private Kasse, weil das in bestimmtem Alter viel billiger ist, um dann, wenn es ihnen wieder schlechter geht, insbesondere auch im Ruhestand, wieder in die gesetzliche zu wechseln. Manchmal wird von Rosinenpickerei gesprochen.
Man benutzt die Wechsel, um die niedrigen Beiträge in der privaten Krankenkasse auszunutzen und anschließend, wenn die Beiträge der privaten Kassen nach oben schnellen und auch die Krankheitskosten zunehmen, in die preiswertere gesetzliche Kasse zu wechseln. Das ist Egoismus gegen die Solidargemeinschaft. Wir wollen diese Rosinenpickerei unterbinden.
Mit der Bürgerversicherung gewährleisten wir das Recht aller Versicherten auf eine gleich gute Behandlung. Wir schaffen ein Versicherungssystem für alle. Damit das Versprechen unseres Sozialstaats auf Gesundheit für alle Wirklichkeit werden kann.
Ich hoffe sehr, dass ich mit meinen Ausführungen Ihr Anliegen konstruktiv aufgreifen konnte.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding