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Frage von Mario B. •

Frage an Lothar Binding von Mario B. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Binding,

in der FAZ am Sonntag erschien vor Kurzem unter der Überschrift " Was ist faul an den Inseln?"
ein sehr informativer Artikel zum Thema Steuerparadiese (siehe Link anbei).

Meine Frage an Sie:
a) Können Sie mir Ihre Position zum dargestellten Thema "Steuerparadiese" kurz erläutern ?
b) Welche Initiativen im Problemfeld "Steuerparadiese" planen Sie demnächst in den Bundestag einzubringen?

Mit Dank und besten Grüßen
Dipl.-Ing. Mario Bloem

FAZ am Sonntag / Was ist faul an den Inseln? :
http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/steuerparadiese-was-ist-faul-mit-den-inseln-12126120.html

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Sehr geehrter Herr Bloem,

vielen Dank für Ihren Hinweis auf den Artikel „Was ist faul mit den Inseln?“ und Ihre Fragen. Ich teile die inhaltliche Darstellung des Artikels mit einer Ausnahme. Dort ist zu lesen: „… Superreiche bringen ihr Vermögen gern auf Inseln, weil sie keine Einkommensteuer zahlen müssen, …“. Aber auch in Deutschland wird gegenwärtig keine Vermögensteuer bezahlt, weil die Erhebung der Vermögensteuer ausgesetzt ist und auch in vielen anderen Ländern wird zwischen Vermögen und Einkommen unterschieden.

Sehr gut ist die Erläuterung der Verfahren, wie Unternehmen Gewinne aus Deutschland in auf solche fauligen Inseln verlagern. Die Verfahren sind sich oft ähnlich, hier beschreibe ich ein Modell etwas genauer, in dem die Tochter im Ausland eine „Finanzierungsgesellschaft“ ist, also eine Kreditgeberin an die Mutter. Zunächst wird ein Tochterunternehmen im wohl ausgesuchten Ausland gegründet. Dann gibt diese Tochter dem Mutterunternehmen Kredite und Chef der Mutter verhandelt „beinhart“ mit sich selbst über die Zinsen, denn er ist ja auch Chef des Tochterunternehmens. Schließlich werden für so viele Kredite so hohe Zinsen an die Tochter überweisen bis der Gewinn in Deutschland bis auf einen Anstandsbetrag praktisch Null ist. In Deutschland - weil leider leider nun kein Gewinn - fallen keine Körperschaftsteuer und keine Gewerbesteuer an, 30 % Steuern werden gespart. Falls nun in dem Land der Tochter Steuern anfallen sollten, wird ein Enkelunternehmen in einem weiteren Land gegründet und bei Bedarf ein Urenkelunternehmen… so lange bis schließlich die Steuerlast im gesamten Konzern vollständig auf Null gedrückt wurde und im besten Fall auch noch durch Treuhänderkonstruktionen der renommierte Name des Unternehmens versteckt wurde, kaum noch in Verbindung mit den vagabundierenden Gewinnen in Verbindung gebracht werden kann.

Ganz ähnlich funktioniert es mit Töchtern die Patente verwalten, an die von der Mutter Lizenzzahlungen erfolgen. Ein weiteres Verfahren läuft über so genannte Verrechnungspreise. Eine Mutter verkauft an seine Tochter im Ausland etwas. Natürlich preiswert, man liebt schließlich seine Tochter. Die Tochter übernimmt einen Produktionsschritt und verkauft das etwas an die Mutter zurück - teuer, man liebt schließlich seine Tochter. Mit der richtigen Anzahl und den richtigen Preisen für diese Zwischenprodukte findet sich der gesamte Gewinn schnell in dem Sitzland des Tochterunternehmens.

All dies funktioniert natürlich nur, wenn es Länder bzw. spezielle Gebiete mit entsprechenden Jurisdiktionen gibt, die praktisch keine Steuern erheben und deren Verwaltungen und Banken die Anonymisierung von Gewinnen betreiben oder schützen. (Das war übrigens einer der Gründe, warum es klug war das schwarz-gelbe Schweizer Steuerabkommen - fälschlicherweise manchmal als Doppelbesteuerungsabkommen bezeichnet - zu verhindern; Dank der Bundesländer ist das gerade nochmal gut gegangen).

Hier laufen Moral und Betriebswirtschaft stark auseinander. Einem Finanzvorstand eines Konzerns ist vielleicht moralisch vorzuwerfen, dass er solche Gestaltungsmöglichkeiten ausnutzt, betriebswirtschaftlich wird er schnell eine Rechtfertigung finden. Und will er Finanzvorstand bleiben - welche Rechtfertigung hätte er auf diese Steuersparmodelle zu verzichten? Deshalb sehe ich eine große Schuld hinsichtlich der Ermöglichung von Steuergestaltung bei eben jenen Ländern, die in dem Artikel als „Steuerparadiese“ bezeichnet werden. Deshalb habe ich die speziellen grauen und schwarzen Listen von Peer Steinbrück sehr begrüßt. Diese Listen haben international deutlich und öffentlich gemacht, was von solchen Ländern zu halten ist - denn die Konzerne, die (natürlich nicht nur) in Deutschland keine Steuern bezahlen, nutzen die öffentliche Infrastruktur, das schulische, das kulturelle, das soziale Angebot sehr wohl (aus). Plötzlich sahen sich dies Länder „am Pranger“ und CDU und FDP haben Peer Steinbrücks diplomatischen Fähigkeiten hinterfragt, statt ihm dafür zu danken, dass nun viele dieser Länder Anstrengungen unternehmen um von diesen Listen wieder herunter zu kommen. Seither wurde eine ganze Reihe von Abkommen mit Gebieten abgeschlossen, mit denen so etwas früher undenkbar war, so genannte Tax Information Exchange Agreements (TIEA). Immerhin ein guter erster Schritt. Manchmal ist es eben auch klug diplomatisch zu sagen was ist.

Darüber hinaus darf man nicht unterschätzen, dass steuervermeidende Gestaltungen letztlich immer eines erfordern: die Möglichkeit Informationen anonym zu halten - genau dies garantieren oft Stiftungen, Trusts und andere Institutionen, wenn sie in den Steueroasen tätig werden. Dies hat mit den rechtlichen Gegebenheiten in den "Steuerparadiesen" zu tun, aber auch mit der Verschwiegenheit nicht nur der Steuerpflichtigen, sondern auch ihrer Helfer. Gegen die meisten Formen der Steuerhinterziehung hilft deshalb der automatische Informationsaustausch, auch zur Aufdeckung der "Geheimnisse", wie ihn auch die EU-Kommission in Europa und mit Drittstaaten durchsetzen möchte.

In der großen Koalition, nicht immer zur Freude der CDU Fraktion, habe wir eine Reihe der oben genannten Gestaltungen, mit nationalen Möglichkeiten eingeschränkt, behindert, es wird überhöht auch von „bekämpft“ gesprochen. Die gesetzgeberischen Instrumente sind die Zinsschranke (die Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen), die Erschwernisse bei Funktionsverlagerung und der Mantelkauf. Und was ist einer der ersten Schritte der schwarz-gelben Koalition? In dem so genannten „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“, jenes mit der Steuervergünstigung für die Hotels, wurden diese drei Regelungen wieder gelockert.

Deshalb bin ich besonders froh, dass wir inzwischen in der OECD eine starken Partner haben, der an einem Programm arbeitet, dass gegen internationale Steuergestaltung vorgeht - das Ergebnis bisher ist ein Aktionsplan, nachdem durch das so genannte BEPS -Projekt (base erosion and profit shifting) die Problematik von Steuergestaltungsmöglichkeiten untersucht wurde. In diesem Plan werden die Handlungsmöglichkeiten und der Bedarf internationaler Zusammenarbeit postuliert, um mögliche "Steuerlücken" zu schließen. Die Vorschläge reichen von der Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung oder doppelter Geltendmachung von Betriebsausgabenabzügen, bis hin zu Maßnahmen, mit denen sich vermeiden lassen soll, dass die Unternehmen einen Steueraufschub bereits dadurch erhalten, dass sie Regulierungskonflikte bzw. Unterschiede zwischen den jeweiligen nationalen Steuersystemen ausnutzen. Da die OECD von vielen Ländern getragen wird, kommen nun auch CDU und vielleicht sogar die FDP nicht darum herum dieses Programm zu unterstützen und der „Freiheit des Marktes“ gewisse Schranken aufzuerlegen.

Hoffentlich ist meine „Position zum dargestellten Thema "Steuerparadiese" mit dieser Darstellung deutlich geworden.

Zu Ihrer zweiten Frage: Erst kürzlich hat die SPD Fraktion zwei Anträge eingebracht:

· „Globale Steuergestaltung verhindern - Regulierungsschlupflöcher stopfen“ (Fundstelle: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/137/1713716.pdf ) und

· „Aggressive Steuerplanung und Steuervermeidung internationaler Konzerne bekämpfen“ (Fundstelle: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/128/1712819.pdf).

Leider wurden beide von schwarz gelb abgelehnt. Sie enthalten jedoch die wesentlichen ersten „Initiativen im Problemfeld Steuerparadiese“, wie Sie schreiben, die wir planen. Und natürlich müssen gewisse Fehlentwicklungen aus den vergangenen vier Jahren (nehmen Sie als Beispiel die Lockerung der Zinsschranke) wieder korrigiert werden.

Hoffentlich hilft Ihnen meine Antwort Ihre Zeitungslektüre mit unserer Arbeit zu verbinden; oft hat eine Redaktion nicht genügend Platz alle politischen Facetten zu beleuchten …

Viele Grüße, Ihr Lothar Binding