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Frage von Hans-Peter H. •

Frage an Lothar Binding von Hans-Peter H. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Binding,

zunächst einmal ganz herzlichen Dank für die rasche und ausführliche Beantwortung meiner letzten Fragestellung. In einigen Teilen vermag ich Ihre Antworten zu würdigen andere können nicht unwidersprochen bleiben. So beziehen Sie z. B. die von vielen "gefühlte Inflation" seit Einführung des Euros hauptsächlich auf die Gastronomie. Vielleicht gehen Sie selbst nicht einkaufen, sonst hätten Sie bemerkt, dass im Jahre 2002 ein Brötchen 15 Pfennige kostete, heute 45 Cent. Ein knapp gefüllter Einkaufswagen bei Aldi geht nicht unter 20 Euro an der Kasse vorbei - 38,00 DM habe ich früher nie bezahlt! Das mit dem positiv dargestellten Index liegt nur daran, dass er davon ausgeht, dass sich jeder einmal im Jahr einen neuen Fernseher oder eine neue Waschmaschine kauft. Aber auch hier stimmt die Rechnung nicht mehr. Ein Mittelklassefahrzeug kostete im Jahr 2002 ca, 24.000,-- EUR, heute 35.000,- EUR von den Benzinpreisen ganz zu schweigen. Als Rentner hatte ich in den letzten Jahren einen Zuwachs von 0 - 2 %. Und nun fängt die EZB an, Geld zu drucken, um davon Schrottpapiere zu kaufen. Der Journalist Michael Fabricius schreibt unter der Überschrift "Der Euro sprengt Europa" in der WamS von den letzten Zuckungen der gemeinsamen Euro-Diplomatie. Für mich war die überhastete Einführung des Euros einer der größten Fehler dieses Jahrhunderts oder können Sie sich erinnern, dass die Griechen, als sie noch die Drachme hatten, Frau Merkel mit Nazi-Symbolen schmähten? Wann endlich widersprechen Sie und Ihre Fraktion einmal ganz deutlich der unsinnigen Aussage "fällt der Euro, fällt Europa!" Das wir Deutschen die Hauptnutznießer des Euros waren, ist so auch nicht bewiesen. Letztlich war es die Lohnzurückhaltung in Deutschland, die uns nicht nur in Binneneuropa sondern auch auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig gemacht hat. Wollen Sie mir hier widersprechen?

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Sehr geehrter Herr Holzwarth,

vielen Dank für Ihre Nachfrage. Sie haben Recht, mein Hinweis auf die Gastronomie war nur ein Beispiel. Mehr sollte es auch nicht sein. Besser wir verlassen unsere subjektiven Maßstäbe und schauen bei der Quelle nach: Ich zitiere nachfolgend das Statistische Bundesamt:

„Verbraucherpreisindex (VPI)
Was beschreibt der Verbraucherpreisindex?

Der Verbraucherpreisindex für Deutschland misst die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten für Konsumzwecke gekauft werden. Single-Haushalte sind ebenso berücksichtigt wie Rentnerehepaare oder Großfamilien. Der Verbraucherpreisindex liefert ein Gesamtbild der Teuerung in Deutschland, bei dem alle Haushaltstypen, alle Regionen von Deutschland und sämtliche dort nachgefragten Waren und Dienstleistungen einbezogen sind - Mieten, Nahrungsmittel, Bekleidung ebenso wie etwa Kraftfahrzeuge oder Dienstleistungen wie Friseur, Reinigung oder Reparaturen.

Der Verbraucherpreisindex ist der zentrale Indikator zur Beurteilung der Geldwertentwicklung in Deutschland und wird als Orientierungsmaßstab etwa bei Lohnverhandlungen oder in vertraglichen Vereinbarungen über die Höhe von wiederkehrenden Zahlungen (so genannte Wertsicherungsklauseln) verwendet. Er dient weiterhin zur Deflationierung in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, beispielsweise bei der Berechnung des realen Wirtschaftswachstums. In seiner international angepassten Form, als Harmonisierter Verbraucherpreisindex, dient er insbesondere der Europäischen Zentralbank zur Beurteilung der Inflation in Deutschland.

Wie wird der Verbraucherpreisindex berechnet?

Bei der Berechnung des Verbraucherpreisindex geht man von einem "Warenkorb" aus, welcher sämtliche Waren und Dienstleistungen enthält, die für die Konsumwelt in Deutschland relevant sind. Der Warenkorb wird laufend aktualisiert, damit immer diejenigen Gütervarianten in die Preisbeobachtung eingehen, welche von den Konsumenten aktuell häufig gekauft werden. Die Auswahl von konkreten Produkten für die Preisbeobachtung erfolgt in Form von repräsentativen Stichproben. In der Regel werden zunächst repräsentative Städte, dort dann repräsentative Geschäfte und darin die am häufigsten verkauften Produkte ausgewählt.

Für die Messung der Preisentwicklung notieren rund 600 Preiserheber in 188 Gemeinden Monat für Monat die Preise der gleichen Produkte in denselben Geschäften. Zusätzlich erfolgt für viele Güterarten eine zentrale Preiserhebung, beispielsweise im Internet oder in Versandhauskatalogen. Insgesamt werden so monatlich über 300 000 Einzelpreise erfasst. Ein einmal für die Preisbeobachtung ausgewählter Artikel wird dann gegen einen anderen ausgetauscht, wenn er nicht mehr oder nur noch wenig verkauft wird. Beim Preisvergleich werden auch Mengenänderungen einbezogen. Verringert zum Beispiel ein Anbieter die Verpackungsgröße eines Produktes bei gleich bleibendem Preis, so wird dies in der Preisstatistik als Preiserhöhung verbucht. Weiterhin werden auch Qualitätsänderungen berücksichtigt - zum Beispiel bei Gütern mit technischem Fortschritt. Für die Preismessung werden die Anschaffungspreise einschließlich Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) und Verbrauchssteuern beobachtet.

Im nächsten Schritt werden die Güter des Warenkorbs in rund 700 Güterarten eingeteilt. Für die Berechnung der gesamten Teuerungsrate wird die durchschnittliche Preisentwicklung für eine Güterart jeweils mit dem Ausgabenanteil gewichtet, welche die privaten Haushalte im Durchschnitt für diese Güterart ausgeben. Das Ergebnis ist ein gewichteter Mittelwert für die Preisentwicklung in Deutschland. Die Gewichtungsinformationen sind im so genannten Wägungsschema enthalten. Im Gegensatz zum Warenkorb wird das Wägungsschema für den Verbraucherpreisindex nur alle fünf Jahre aktualisiert, um innerhalb des Fünfjahreszeitraums die reine Preisentwicklung, unbeeinflusst von Änderungen der Ausgabengewichte, darstellen zu können.

Die wesentliche Basis für die Berechnung des Wägungsschemas ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Die rund 60 000 Teilnehmer dieser Haushaltsbudgeterhebung zeichnen freiwillig einige Monate lang ihre Einnahmen und Ausgaben auf und übermitteln diese Informationen an die statistischen Landesämter. Die so gewonnenen Basisinformationen werden weiterhin anhand von kleineren Zusatzerhebungen verfeinert, welche Informationen über die genaue Aufteilung der Haushaltsausgaben auf einzelne Güterarten liefern. Schließlich werden die Ergebnisse der Haushaltsbudgeterhebungen im Statistischen Bundesamt zusammengefasst und anhand zusätzlicher Informationen korrigiert, zum Beispiel anhand von Daten aus den Verbrauchssteuerstatistiken.“ Soweit das Zitat.

Sie sehen, dass Ihre Vermutung falsch ist und dass unsere Statistiker nicht ganz so naiv sind, wie Sie vermuten. Übrigens ist auch Ihre Annahme ich ginge nicht selbst einkaufen nicht richtig; schauen Sie sich einfach mal samstags, so zwischen 9:00 und 12:00 in der Weststadt in Heidelberg um… Sie werden mich mit Rad und Einkaufskorb finden.

Solche Aussagen, wie: "fällt der Euro, fällt Europa!" sind inhaltlich zu unbestimmt. Mein Verständnis von Europa und auch mein Verständnis einer gemeinsamen Währung sind differenzierter, als dass ich mit solchen Sprüchen etwas anfangen könnte.

Sie haben Recht: „Letztlich war es die Lohnzurückhaltung in Deutschland, die uns … wettbewerbsfähig gemacht hat.“ Vielleicht nicht „letztlich“, aber jedenfalls war und ist das sinkende Realeinkommen, die Lohnzurückhaltung der Deutschen Arbeitnehmer, ein ganz wichtiger Parameter für unsere Wettbewerbsfähigkeit, unseren Exportüberschuss aber auch für überhöhte Managergehälter. Und unser Exportüberschuss ist das Gegenstück für jene Länder mit Außenhandelsdefizit und der dadurch teilweise erzeugten Staatsverschuldung.

Ich hoffe sehr, dass wir uns darüber einig sind, wie wichtig Europa für Deutschland ist. Nur eine einzige Andeutung: Noch vor zehn Jahren hatten die BRIC Staaten - und Deutschland - eine ganz andere Bedeutung. Heute - wenn Sie mir die unscharfe Formulierung erlauben - wäre Deutschland in einem Europa der Einzelstaaten zu groß, in der Welt aber zu klein.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Lothar Binding