Portrait von Lothar Binding
Lothar Binding
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Lothar Binding zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Barbara U. •

Frage an Lothar Binding von Barbara U. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Binding

Für mich ist unbegreiflich, dass Bürger, die Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben und wegen eines Arbeitsunfalls für eine bleibende Verletzung eine Rente erhalten, sich diese auf die Altersrente anrechnen lassen müssen, so als wäre die Behinderung im Alter nicht mehr vorhanden.
Wie kann es sein, dass Verletztenrenten auf die Altersrente angerechnet werden, für die der Betroffene selber gesorgt hat? Kennen Sie den Grund?
Wenn derartige Anrechnungen gesetzmäßig sein sollen, dann dürfte meiner Meinung nach die Anhäufung, die Herr Eichel für sich in Anspruch nehmen möchte, ebenfalls nicht statthaft sein.

Barbara Uduwerella

Portrait von Lothar Binding
Antwort von
SPD

Sehr verehrte Frau Uduwerella,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Verletztenrente. Der Bezug einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung setzt eine „Verletzung“ voraus, die Sie sich in der Vergangenheit zugezogen haben und die Ihr Leben einschränkt, die vielleicht sogar unangenehme Schmerzen verursacht.

Ich kann Ihre Irritation gut verstehen. Sie bemängeln, dass Sie die Verletztenrente nicht zusätzlich zu Ihren Altersrentenbezügen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, sondern abgezogen wird, obwohl Sie Beiträge aus Ihrem sozialversicherungspflichtigen Arbeitseinkommen für die gesamte Altersrente entrichtet haben.

Mit diesem Thema haben sich in der Vergangenheit bereits Gerichte beschäftigt. So wies das Landessozialgericht Hessen am 15. April 2009 (L 5 R 347/08) die Klage eines Beziehers einer Verletztenrente ab, der gegen die Anrechnung der Verletztenrente auf die gewährte Altersrente geklagt hat. Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, dass es die Anrechnung einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung seit je her in Deutschland gegeben hat. D.h. seit Einführung der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung am 22. Juni 1889. Es wird argumentiert, dass die Altersrente als auch die Verletztenrente im weitesten Sinne demselben Zweck dienen und zwar der Einkommensersatzfunktion. Es soll somit eine Doppelzahlung durch beide Versorgungssysteme, der Rentenversicherung als auch der Unfallversicherung, vermieden werden. Also wie in Ihrem Fall, zahlt die gesetzliche Rentenversicherung den Betrag nicht, den Sie aus der Unfallversicherung erhalten. Wenn ich Ihre Informationen richtig deute, bleibt Ihnen im Gesamtergebnis mindestens der Betrag Ihrer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, für den Sie einen Anspruch erworben haben. Zzgl. erhalten Sie möglicherweise einen Freibetrag zum Ausgleich für „immaterielle Schäden“ nach § 93 Abs. 2 SGB VI.

Der Grundgedanke dieser Regelung besteht darin, dass der Versicherte und Rentenbezieher durch gleichzeitigen Bezug von Unfall- und Rentenversicherungsrente kein wesentlich höheres Nettoeinkommen erzielen sollen, als der vergleichbare gesunde Versicherte durch Arbeit erzielt. Die Begrenzung der Rentenansprüche ist somit aus Rücksicht auf die Lohnersatzfunktion der Rente aus beiden Versicherungszweigen mit dem Grundgesetz vereinbar.

Die Anrechnung von Unfallrenten auf Altersrenten wurde mit Einführung der gesetzlichen Rentenversicherung vor über 120 Jahren beabsichtigt und ist trotz vieler Rentenreformen in der Vergangenheit beibehalten worden.

Sie schreiben „Wenn derartige Anrechnungen gesetzmäßig sein sollen, dann ... ebenfalls nicht statthaft sein.“ Es handelt sich hinsichtlich der Rechtssprüche von Ihnen und denen von Hans Eichel allerdings um zwei verschiedene Sachverhalte, die nicht miteinander verglichen werden können. Es geht dabei hauptsächlich um die Klärung von Rechtsfragen - ob allerdings rechtlich korrekte Sachverhalte immer auch sozial gerecht sind - steht auf einem anderen Blatt.

Minister, Ministerpräsidenten und auch Abgeordnete gehen typischerweise vor und nach der Mandatszeit einer Erwerbstätigkeit nach. Somit stehen ihnen meistens aus dieser Erwerbstätigkeit auch noch andere Versorgungsansprüche zu. Wie ich auch lediglich aus der Presse entnehmen konnte, erwägt Hans Eichel offenbar eine gerichtliche Prüfung darüber, ob die Stadt Kassel ihm für seine 16-jährige Amtszeit als Oberbürgermeister ein Ruhegehalt zahlen muss. In diesem Zusammenhang hatte der Verwaltungsgerichtshof in Kassel 2009 entschieden, dass die Ansprüche Eichels mit seinem Ruhegehalt als Bundesfinanzminister abgedeckt sind.

Die Details zu den Rentenansprüchen von Hans Eichel liegen mir nicht vor und "aus der Ferne" ist mir eine sachgerechte Beurteilung nicht möglich. Aus diesem Grund möchte ich Sie bitten, das rechtskräftige Urteil abzuwarten und ggf. mit Hans Eichel direkt in Kontakt zu treten. In diesem Austausch könnten Sie mit Hans Eichel Ihre Frage nach der „gerechten“ und „öffentlich vertretbaren“ Höhe seines gesamten Alterseinkommens direkt erörtern.

Ich trete für eine strukturelle gesetzliche Änderung der Abgeordnetenpensionen ein. Es wäre aus meiner Sicht richtig, wenn auch Abgeordnete für die Zeit in dem sie ein Mandat ausüben in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.

In der Hoffnung, Ihre Frage angemessen reflektiert zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Ihr Lothar Binding