Frage an Lothar Binding von Oliver O. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Binding,
wie ich kürzlich in der "Rheinpfalz" lesen durfte sind Sie einer der Betreiber einer Gesetzesinitiative zu einem bundesweiten, totalen Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und in der Gastronomie. So sehr ich Ihre Bemühungen um die Gesundheit Ihrer Mitmenschen schätze, möchte ich doch gerne folgende Frage stellen:
In Baden-Württemberg gibt es noch eine Reihe von Ausnahmeregelungen, die in sogenannten Eckkneipen das Rauchen erlauben. Ich persönlich kenne einige solcher Kneipen. Sie sind ganz klar als solche gekennzeichnet, und der Zugang für Jugendliche unter 18 Jahren ist verboten. In diesen Kneipen sitzen nur Raucher, die zu ihrem Bierchen oder ihrem Wein eine Zigarette rauchen möchten. Kein Mensch wird gezwungen, solche Einrichtungen zu betreten oder sich darin aufzuhalten.
Erkären Sie mir doch bitte, was ein Verbot solcher Einrichtungen mit dem Schutz der Nichtraucher zu tun haben soll. Meines Erachtens handelt es sich dabei eher um die Gängelung der Raucher oder sogenanntes "Social Engineering". Oder ist es der blanke Neid auf den Genuss, den sich Raucher trotz anhaltender Warnungen erlauben? Gönnen Sie den Rauchern diese letzten Refugien nicht?
Und falls es Ihnen tatsächlich so sehr um die Gesundheit Ihrer Mitmenschen geht, stellen sich weitere Fragen: Warum darf auch nur ein einziges Auto in unseren Städten fahren? Warum darf völlig uneingeschränkt "Junk Food" verkauft und in aller Öffentlichkeit konsumiert werden? Warum sind minderwertige, gesundheitsschädliche Lebensmittel billiger als gesunde? Warum darf Atommüll einfach vergraben werden? Warum werden die "energieintensiven" Unternehmen von der Öko-Steuer verschont? Warum sind eindietige und klare Angaben der Inhaltsstoffe in Lebensmittel nicht verpflichtend vorgeschrieben?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Oliver Ofenloch
Sehr geehrter Herr Dr. Ofenloch,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Schutz vor Passivrauchen. Sie schreiben „ … in Eckkneipen sitzen nur Raucher, die zu ihrem Bierchen oder ihrem Wein eine Zigarette rauchen möchten. Kein Mensch wird gezwungen, solche Einrichtungen zu betreten oder sich darin aufzuhalten.“ Dies scheint kein Wunder zu sein, weil offensichtlich die Menschen, die gerne mal ein Bier trinken, aber sich nicht dem giftigen und unangenehmen Tabakrauch aussetzen möchten, dort nicht einkehren. Wer einfach nur ein frisch gezapftes Bier trinken möchte, muss vielfach erst lange suchen. Denken Sie doch nur mal an ländliche Regionen. Wenn die einzige Kneipe vor Ort zur Raucherkneipe deklariert wird, haben Nichtraucher keine Wahl mehr. Menschen mit Allergien und Atemwegserkrankungen werden so aus einem wichtigen Teil des öffentlichen Lebens ausgegrenzt - sie sind doppelt bestraft. Von einer Wahlfreiheit für Kneipengänger kann da keine Rede sein. Gäste die sich der Gefahr Krebs - Lungenkrebs, Zungen- oder Nasenkrebs, Hautkrebs - aber auch Herz-Kreislaufprobleme zu bekommen nicht aussetzen möchten werden ausgegrenzt. Wer vermeiden möchte, dass seine oder ihre Kleidung ohne Not nach kaltem Rauch stinkt, ein Gestank, der sich tagelang dann in der eigene Wohnung ausbreitet, wird auch ausgegrenzt. Anders die Raucherinnen und Raucher, die ihre Sucht noch nicht im Griff haben, sie können für die wenigen Minuten zum inhalieren, nach draußen gehen und gleichwohl am Leben in der Gaststätte teilhaben. Früher hätte man über solche einfachen Sachverhalte streiten können - inzwischen gibt es viele praktisch erprobte Beispiele, die zeigen, wie gut dieser Vorschlag funktioniert.
In Ihren Überlegungen findet der Gesundheitsschutz der Wirte und ihre Familien, die Kellnerinnen und Kellner, der Reinigungskräfte etc., die wie andere Arbeitnehmer Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz haben, leider keine Berücksichtigung. Denn die häufig auch von der Tabakindustrie genannte „Eigentümer geführte Einraumkneipe“ ist in der Praxis konstruiert - es gibt immer helfende Personen, wie eben die erwähnten Familienmitglieder oder auch Angestellte. Da ich Techniker bin, Starkstromelektriker und Dipl. Mathematiker, der viele Jahre in der Industrie und im Handwerk gearbeitet habe, bitte ich Sie zu verstehen, das ich mich auf irrationale und unlogische Argumente nicht einlassen möchte. Damit Sie meinen Hintergrund ein wenig verstehen und damit Sie verstehen warum es mir schwer fällt den seit Jahren - manchmal auch von Bürgerinnen und Bürgern - stereotyp vorgebrachten Unsinn der Zigaretten- und Tabaklobby zu reflektieren, möchte ich Ihnen eine meiner Arbeitsgrundlagen andeuten. Oft war ich in der Patentschriftenstelle Darmstadt und habe meine Arbeit entlang der im Regelfall sehr guten VDI Arbeitsblätter bzw. Richtlinien vorbereitet. Natürlich verstehe ich gut, dass es einem Suchtkranken schwer fällt sein eigenes Verhalten entlang solcher Rationalität zu ändern. Dazu kommt, dass es nicht leicht ist stochastische Ergebnisse zu beurteilen und auf die eigene Lebensweise zu beziehen. Der Tod wird in unserer Kultur gern verdrängt und die Zigarettelobby bietet genügend Sprüche an um den Zusammenhang von Krankheit, Tabak und Tod lächerlich zu machen. Oft erreichen mich Briefe von Bürgerinnen und Bürgern erst dann, wenn die schreckliche Diagnose schon erstellt ist.
Schließlich ist hinlänglich belegt, dass gerade Beschäftigte in der Gastronomie einer besonders gesundheitsgefährdenden Tätigkeit nachgehen. Kellnerinnen und Kellner tragen von allen Berufsgruppen das höchste Risiko, an Krebs zu erkranken. Dies belegt eine Untersuchung in Skandinavien, bei der Krankendaten von über 15 Millionen Berufstätigen ausgewertet wurden. Wir sprechen von Gesundheitsgefahren, die im schlimmsten Fall zum frühzeitigen Tod führen. Wir, auch Sie sollten an das große Leid der Familien denken, die einen lieben Menschen verloren haben.
Wissenschaftler der Universität Hamburg haben im Juni 2009 die Daten des statistischen Bundesamtes zur wirtschaftlichen Situation des Gastgewerbes ausgewertet. Ergebnis: Die Umsätze der Restaurants blieben nach Einführung der Rauchverbote stabil, die Umsätze der getränkegeprägten Gastronomie gingen kurzzeitig zurück, erholten sich dann aber wieder. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Wissenschaftler des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) im April 2010. Diese Ergebnisse stimmen mit den Erfahrungen in anderen Ländern überein.
Im Übrigen wollen wir das Rauchen nicht verbieten! Jeder soll sich auch in Zukunft frei dafür entscheiden können, seinen eigenen Körper gesundheitlich zu schädigen - aber bitte nur sich selbst und nicht andere, die beispielsweise aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit zum Mitrauchen gezwungen sind.
Strengere gesetzliche Regelungen in anderen Ländern wie Spanien, Italien, Frankreich, Irland etc. zeigen uns, dass die Akzeptanz sehr groß ist, für eine Zigarettenlänge kurz das Lokal zu verlassen.
Unser Ziel ist die Herstellung bundesweit gleicher Wettbewerbsbedingungen, die auch für Gastwirte eine verlässliche und dauerhafte Grundlage bieten. In der Öffentlichkeit wird die unbefriedigende Situation der Menschen zum Anlass genommen, Volksbegehren durchzuführen. In Bayern hat dies trotz der heftigen Gegenwehr der Tabakindustrie, die eine breit aufgestellte und sehr kostenintensive Gegenkampagne gestartet hat, dazu geführt, dass sich die Menschen mit einer deutlichen Mehrheit für einen besseren Gesundheitsschutz ausgesprochen haben. Zahlreiche Statistiken belegen diesen Wunsch der Menschen nach einem besseren und bundeseinheitlichen Gesetz.
Die Bundeskompetenz im Nichtraucherschutz lässt sich eindeutig im Gesundheitsschutz und auch im Arbeitsschutz belegen, dies veranlasst uns auf bundespolitischer Ebene aktiv zu sein. Die Europäische Union hat bereits in der Vergangenheit den Nichtraucherschutz vorangebracht. Aus dem Weißbuch Tabak und den Äußerungen des zuständigen EU-Kommissars ist ersichtlich, dass die EU den Mitgliedsstaaten weitere Vorgaben machen wird. Andere Länder haben sich daher bereits frühzeitig für einen umfassenden Nichtraucherschutz entschieden. Wenn Deutschland den Vorgaben der EU lediglich hinterher rennt und nur das gerade Notwendige umsetzt, wird dies der Wirtschaft im Inland schaden. Denn der Gastwirt müsste ständig mit Umbaumaßnahmen den wechselnden Gesetzen hinterher laufen, was kostspielig und betriebswirtschaftlich nachteilig ist.
Und dann schreiben Sie „Und falls es Ihnen tatsächlich so sehr um die Gesundheit Ihrer Mitmenschen geht, stellen sich weitere Fragen: Warum darf auch nur ein einziges Auto in unseren Städten fahren? Warum darf völlig uneingeschränkt "Junk Food" verkauft und in aller Öffentlichkeit konsumiert werden?...“.
Vielleicht wissen Sie, dass nur Vergleichbares mit Vergleichbarem sinnvoll verglichen werden kann. Rauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko unserer Zeit. Ihrer Argumentation folgend, dürfte die Politik in keinem Bereich präventiv tätig werden, nur weil es auch in anderen Bereichen wie Ernährung, Straßenverkehr etc. Gefährdungspotential gibt. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und der technische Fortschritt helfen uns, diese Probleme anzugehen. Um deutlicher zu machen, wo Ihre Fragen in einen leeren Anwendungsbereich führen, ein Beispiel: Wenn eine Zigarette in einem Gastraum geraucht wird, denken Sie vielleicht an Aerosole bzw. Aerosolteilchen, brownsche Molekularbewegung, Gase etc., werden alle anderen Menschen in diesem Raum den karzinogenen Tabakrauch einatmen müssen. Wenn im gleichen Gastraum ein noch so dicker "Junk Food" - Haufen verspeist wird… keiner muss davon nehmen. Aber es ist natürlich verständlich, warum Ihnen gerade solche Beispiele einfallen. Schließlich ist Adipositas, also eine übermäßige Ansammlung von Fettgewebe im Körper, eine der häufigsten Ursachen für Herz-Kreislauf und viele andere Krankheiten. Oft beobachten Sie sicher auch Raucher auf der Strasse, die unter Fettleibigkeit leiden, weil sie dem Irrtum unterliegen, viel Essen werde durch Rauchen kompensiert. Insofern passen Ihre Beispiele gut: Sie nennen unterschiedliche Krankheitsursachen und fragen nach Antworten, weil es mir um die Gesundheit meiner Mitmenschen geht.
Die Folgen des Rauchens: Nervosität, Abhängigkeit, schlechte Haut, schlechte Zähne, Geldknappheit, stinkende Kleidung und im schlimmsten Fall Lungenkrebs und Herzinfarkt - die traurigen Folgen einer starken Sucht sind für mich Anlass genug, unser aller, die staatliche Fürsorgepflicht mit Augenmaß ernst zunehmen.
Dass Sie von der überreichen Tabakindustrie, die an der Nikotinsucht vieler, auch ärmerer Menschen, verdient, dass Sie von „Wissenschaftlern“, die aus den Gewinnen der Tabakindustrie bezahlte Aufträge erhalten, andere Aussagen hören können, wird Sie nicht wundern.
Weil Sie sich für die Gefahren des Rauchens interessieren, jenseits offizieller Statistik und ohne Ihnen eine eilfertige Antwort zu geben: Schauen Sie selbst. Gehen Sie einmal der Frage nach, ob - statistisch gesehen - Rauchen ein Zeichen für Armut, schlechte Bildung und schlechte Haut ist oder ein Zeichen für das Gegenteil?
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Binding