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Frage von Martin H. •

Frage an Lothar Binding von Martin H. bezüglich Soziale Sicherung

Guten Tag Herr Binding,

ich habe bei Hartz IV Vermittlungsausschuß etwas nicht verstanden.
Die Gesetzesänderung zu Hartz IV ist noch in in Kraft.
Die Gesetzesänderung beinhaltet unter anderem auch die Streichung des befristeten Zuschlags und die Streichung der Rentenversicherungsbeiträge von Langzeitarbeitslosen. Nach der bisherigen Regelung erhalten Menschen die vom Arbeitslosengeld 1 ins Arbeitslosengeld 2 fallen bis zu 160.-€ pro Monat als Zuschlag für das erste Jahr und bis zu 80.-€ pro Monat für das zweite Jahr des Hartz IV-Bezugs. Nun antworteten Sie der SPD in Mannheim bereits, dass die SPD zwar gegen die Streichung wäre allerdings hier nichts ausrichten könne. Nun frage ich mich weshalb die SPD hier nichts ausrichten kann? Wenn sie doch dagegen ist und CDU und FDP weiter auf die krasse Hartz IV Verschärfung beharren wird man im Vermittlungsausschuß halt einfach nicht einig und die Verschärfung tritt dann eben auch nicht in Kraft. Fall erledigt. Die Union kann sich ja dann damit wieder rumschlagen wie sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen will.

Meine Fragen lauten nun:

Wird die SPD sich für die Sicherheit von uns Arbeitnehmern einsetzen indem sie die Streichung des befristeten Zuschlags verhindert ebenso wie die Rentenversicherungsbeiträge oder ist es für die SPD denkbar eine solch deutliche Verschärfung der Hartz IV-Regelung direkt oder indirekt mitzutragen.
Des Weiteren möchte ich wissen, was die SPD im Vermittlungsausschuß alles fordert damit ich die SPD-Forderungen den tatsächlichen Streichungsvorhaben gegenüberstellen kann. Fordert die SPD weniger als gestrichen wird, trägt sie in meinen Augen eine Verschärfung mit.
In diesem Zusammenhang möchte ich wissen weshalb eine Linke bei den Verhandlungen in der Arbeitsgruppe ausgeschlossen wird, was ich für höchst undemokratisch halte. Ich überlege mir inzwischen d.Linke zu wählen obwohl ich SPD-Mitglied bin.

Ich danke Ihnen vorab für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen

Martin Haffner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Haffner,

vielen Dank für Ihre Fragen zur Arbeit des Vermittlungsausschusses. Die Ver­handlungen gestalten sich derzeit schwierig, die Positionen beider Seiten liegen in vielen Streitfragen noch sehr weit auseinander. Zudem hat das Bundes­ver­fass­ungsgericht eine Frist zur Neubestimmung der Regelsätze für Leistungen nach dem SGB II definiert, die am 31. Dezember 2010 verstrichen ist. Leider hat die Bundesregierung unsere Vorschläge für eine rechtzeitige, gemeinsam erarbeitete und rechtlich einwandfreie Grundlage abgelehnt. Die unklare Rechtslage erhöht die Unsicherheit der be­troff­enen Menschen. Sicherlich merken Sie meiner abwägenden Antwort den offenen Ausgang und den hohen Verhandlungsdruck im Vermittlungsverfahren an.

Ich finde Ihre Fragen aus zwei Gründen sehr wichtig. Die SPD-Seite aus Bundestags- und Bundesrats­vertretern setzt sich zum einen dafür ein, ungerechte Spar­maßnah­men der Bundesregierung rückgängig zu machen bzw. zu korrigieren, um unsoziale Belastungen der Schwächeren in unserer Gesellschaft zu vermeiden. Und Ungerechtigkeiten gibt es in diesem Gesetz viele; ich denke etwa an die Ermittlung der Regelsätze für Empfänger von ALG II, die dem tatsächlichen Bedarf nicht gerecht wird; an den Ausschluss von Kindern aus Familien, die Wohngeld benötigen, vom Bildungs- und Teilhabe­paket; oder an die Streichung des befristeten Zuschlags beim Übergang von ALG I zu ALG II, des Heizkosten­zuschusses für Wohngeldberechtigte und den Wegfall der Versicherungsbeiträge für ALG II-Empfänger in die gesetzliche Renten­versicherung.

Es geht zum anderen um den Umgang mit der "Gestaltungsmacht" der Oppo­sition, die die vorgeschriebene verbindliche Beteiligung des Bundesrats bei einem zustimmungs­bedürftigen Gesetz eröffnet. Dies ist der Hintergrund meiner Bemerkung, die SPD könne gegen die Streichung des befristeten Zuschlags beim Übergang von ALG I zu ALG II und der Renten­versicherungspflicht für Langzeit­arbeitslose nichts machen; sie bezog sich ledig­lich auf das Gesetzgebungs­verfahren im Bundestag.

Im Vermittlungsausschuss ist die Situation hingegen eine andere: Hier herrscht zahlen­mäßige Stimmengleichheit, d.h. keine Seite kann die andere überstimmen oder ihre Bedenken und Wünsche durch Mehrheitsbeschluss übergehen. Es gibt kein Zeitlimit für eine Einigung - und ob man überhaupt zu einem Kompromiss findet, ist nicht sicher. Sie beschreiben in Ihrer Frage eine solche Konstellation, in der es nicht zu einer Einigung kommt und die "Verschärfung" nicht in Kraft tritt - Blockade und "Fall erledigt".

Eine Zwischenbemerkung: Eigentlich bin ich kein Befürworter "radikaler", nicht verhandelbarer Forderungen und Einstellungen, wenn sie nicht in der Sache selbst begründet liegen. Leider formulieren viele Kolleginnen und Kollegen, gerade auch von der LINKEN, in der politischen Auseinandersetzung maximale, aber unerfüllbare Forderungen. Sie verzichten dafür leider auf eine sach- und lösungs­orientierte Politik. Noch schlimmer: sie gaukeln einfache, gut klingende Lösungen für schwierige Probleme vor, weil sie darauf vertrauen können, dass schon die Radikalität der eigenen Forderung dafür sorgt, dass man sich nie mit der konkreten Umsetzung abmühen muss. Verweigerung ist aller­dings kein politisches Programm, kein Zeichen politischer Verantwortung. Ich habe meine Zweifel, ob sich jeder, der der LINKEN seine Stimme gibt, darüber im Klaren ist.

Vielleicht ist das Scheitern eines zustimmungsbedürftigen Gesetzes im Vermittlungsausschuss manchmal aber auch richtig, wenn sich damit große soziale Ungerechtigkeiten vermeiden lassen - ein Paradoxon: Ablehnung eines Gesetzes aus politischer Verantwortung.
Sie fragen danach, wie und ob die SPD-Vertreter die Auseinandersetzung mit den Vertretern der Regierungs­fraktionen beilegen wollen, welche Strategie sie bei den Vermittlungsgesprächen verfolgen und welche Forderungen sie erheben.

Die Streitbeilegung zwischen Bundestag und Bundesrat im Vermittlungs­aus­schuss folgt bestimmten Regeln. Seine Kompetenzen werden durch das Grund­gesetz (Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 42 Abs. 1 Satz 1 und Art. 76 Abs. 1 GG) festgelegt. Wichtig ist: der Vermittlungsausschuss darf keine eigenen Vor­schläge in das Gesetzgebungsverfahren einführen. Er hat also kein sog. Initiativ­recht, "ihm kommt lediglich die Aufgabe zu, auf der Grundlage des Gesetzes­beschlusses und des vorherigen Gesetzgebungsverfahrens Änderungsvorschläge zu erarbeiten, die sich ausgehend vom Anrufungsbegehren im Rahmen der parla­mentarischen Zielsetzung des Gesetzgebungsvorhabens bewegen und die jeden­falls im Ansatz sichtbar gewordenen politischen Meinungsverschieden­heiten zwischen Deutschem Bundestag und Bundesrat ausgleichen." So schreibt das Bundesverfassungsgericht in der Urteilsbegründung zu einem Verfahren, bei dem eine Kompetenzüberschreitung des Vermittlungs­ausschusses bei den Beratungen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 beklagt wurde (2 BvR 758/07).
Der Vermittlungsausschuss kann sich also nur mit Kompromissvorschlägen beschäftigen, die zuvor durch Anträge oder Stellungnahmen von Bundestags­abgeordneten, des Bundesrats oder der Bundesregierung in das Gesetzgebungs­verfahren eingebracht worden waren und bei denen die Abgeordneten die Gelegenheit hatten, sich damit auseinanderzusetzen.

Die SPD-geführten Bundesländer" Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen haben daher in der Bundesratssitzung am 17. Dezember 2010 unsere Gegenposition eingebracht. Ihr Antrag zum "Gesetz zur Ermittlung von Regel­bedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozial­gesetz­buch" verlangt die grundlegende Überarbeitung des Gesetzes im Vermitt­lungs­ausschuss, um die verfassungsrechtlichen Defizite und sozialen Ungerech­tigkeiten zu beseitigen (Bundesrats-Drucksache 789/2/10). Sie finden den Antrag, der unsere Überlegungen für die Verhandlungen im Ausschuss erläutert, unter folgendem Link: http://www.bundesrat.de/cln_152/nn_45602/SiteGlobals/Forms/Suche/beratungsvorgangssucheNavigation__Formular,templateId=processForm.html?__nnn=true

Die laufenden Verhandlungen im Vermittlungsausschuss gestalten sich schwierig: Sie finden unter folgendem Link einen Bericht meines Fraktionskollegen Thomas Oppermann, der die Gespräche im Vermittlungsausschuss führt, über die Fort­schritte und ungelösten Probleme in den Beratungen. Die ursprünglich für den 27. Januar 2011 angesetzte nächste Verhandlungsrunde wurde abgesetzt, da ein Kompromiss bei wichtigen Fragen trotz des hohen Einigungsdrucks anscheinend (noch) nicht in Sicht ist.

Ich will über den weiteren Verlauf der Vermittlungsgespräche keine unseriösen Spekulationen anstellen, weil ich aus meiner politischen Arbeit weiß, dass von außen herangetragene Forderungen, Empfehlungen, Ratschläge... selten dabei helfen, vernünftige Ergebnisse zu erzielen. Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen konnte und verbleibe

mit freundlichem Gruß, Lothar Binding

Ein Nachtrag: Ob und warum eine Abgeordneten der LINKEN von den Verhandlungen ausgeschlossen wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Haffner,

aus aktuellem Anlass des Abbruchs der Verhandlungen zur Hartz IV-Reform im Vermittlungsverfahren sende ich Ihnen ein Papier der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der SPD-Bundestagsfraktion, das über die Ziele der SPD und den Verlauf der Verhandlungen informiert.

Schwarz-Gelb will keinen Kompromiss

Zum Abbruch der Verhandlungen über die Neugestaltung
der Grundsicherung durch CDU/CSU und FDP

Vorsätzlicher Abbruch der Verhandlungen durch die Bundesregierung

CDU/CSU und FDP sind in die Verhandlungsrunde am 8. Februar mit dem festen Vorsatz gegangen, die Gespräche scheitern zu lassen. Merkel hat die Suche nach einem Kompromiss abgebrochen, weil die Koalition heillos zerstritten und nicht entscheidungsfähig war.

Merkel erklärte noch einen Tag zuvor, die Verhandlungen zur Chefsache machen zu wollen. Es ist ihr nicht gelungen, die zerstrittenen Koalitionäre auf einen gemeinsamen, pragmatischen Kurs zu vereinen. Die Totalblockade von CDU/CSU und FDP bei gleichem Lohn für gleiche Arbeit für die Leiharbeitnehmer einerseits und anderseits bei einem verfassungs-, das heißt armutsfesten Regelsatz für Empfänger der Grundsicherung hat jeden Spielraum ausgeschlossen. Die Uneinigkeit und Schwäche der Koalition in der Frage des Lohndumpings trat immer klarer zutage. Bei den Verhandlungen in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar stand deshalb vorher fest, dass Schwarz-Gelb kein Ergebnis mehr erzielen wollte. Unsere Verhandlungsgruppe stand Vertretern ohne Verhandlungsmandat gegenüber, die nur das Nein als gemeinsamen Nenner kannten.

Absurd ist es, wenn Ministerin von der Leyen behauptet, Rot-Grün hätte Maximalpositionen vorgelegt und sich nicht bewegt. Richtig ist, dass SPD und Grüne fortwährend und noch am letzten Verhandlungstag zu allen drei Verhandlungsbereichen alternative sachliche Kompromissvorschläge vorgelegt hat, die z.B. im Bereich der Regelsätze am untersten Rand dessen waren, was aus unserer Sicht noch dem Karlsruher Urteil genügen könnte. Schwarz-Gelb hat keinen einzigen Vorschlag auch nur ernsthaft erwogen. Die Bundesregierung versagt in einer zentralen Zukunftsfrage. Ein notdürftiger parteitaktischer Koalitionsfriede ist Merkel wichtiger als gerechte Löhne für über 6 Millionen Niedriglohnempfänger und Hilfe für Menschen, die in Armut und Bedürftigkeit leben.

Unsere Ziele im Vermittlungsverfahren

Die drei Forderungen der SPD waren

- ein Bildungspaket, das alle bedürftigen Kinder erreicht, das in der Hand der zuständigen Kommunen liegt und für das die Kommunen die vollen Kosten erstattet bekommen,

- ein Mindestlohn und gleichen Lohn für gleiche Arbeit, um Armut in Arbeit zu verhindern, dem Lohndumping auf Kosten der Steuerzahler, die immer mehr ergänzende Sozialtransfers finanzieren müssen, ein Ende zu setzen, und den Grundsatz der Sozialen Marktwirtschaft wiederherzustellen, dass Arbeit sich lohnen muss,

- Regelsätze in der Grundsicherung, die dem Verfassungebot der Menschenwürde gerecht werden, Armut verhindern, soziale Teilhabe sichern und die nachvollziehbar und transparent berechnet sind.

Der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts

Heute vor einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht der Politik den klaren Auftrag erteilt, mehr zur Bekämpfung von Armut und mehr zur Herstellung gleicher Bildungschancen für alle Kinder in unserem Land zu tun. Der Auftrag des Verfassungsgerichts war klar: Aus der grundrechtlich verankerten Würde des Menschen folgt die politische Verpflichtung, das Existenzminimum durch einen transparent berechneten, bedarfsgerechten Regelsatz zu sichern.

Das Verfassungsgericht ist aber noch einen Schritt weitergegangen und hat ein Grundrecht auf Teilhabe an Bildung und am gesellschaftlichen Leben formuliert. Für uns leitet sich daraus der klare politische Auftrag ab, erstens das physische Existenzminimum und die Teilhabechancen der Menschen, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder Sozialhilfe beziehen, zu sichern. Zweitens sind aber vor allem auch die Abhängigkeiten von staatlichen Sozialtransfers zu reduzieren. Mehr Menschen müssen aus eigener Kraft für sich und ihre Familien sorgen können.

Bildungspaket und Kommunen

Die Bundesregierung hat im Laufe der Verhandlungen einige unserer Forderungen aufgenommen. Sie hat auf unser Drängen den Kreis der Anspruchsberechtigten bereits vor der Beschlussfassung im Bundestag auf Kinder von Eltern ausgeweitet, die den Kinderzuschlag erhalten. Im Vermittlungsverfahren haben wir durchgesetzt, dass auch Kinder von Wohngeldempfängern einbezogen werden. Sie hat in der Verhandlunsgrunde im Januar insbesondere ihren Fehler revidiert, die Bundesagentur für Arbeit mit der Umsetzung des Bildungspakets zu beauftragen und damit viel Geld für neue Bürokratie zu verschwenden. Wir haben durchgesetzt, dass das Bildungspaket dort hinkommt, wo es hingehört, in die Verantwortung der Kommunen.

Doch Schwarz-Gelb war nicht in der Lage, für eine ehrliche und vollständige Finanzierung durch den Bund zu sorgen, bei der die Kommunen alle tatsächlichen Kosten für das Bildungspaket - nicht mehr, aber auch nicht weniger - abrechnen können.

Stattdessen hat Merkel in einem verzweifelten Versuch, die Länder für eine schlechte Lösung einzukaufen, den Kommunen die Übernahme der Grundsicherung im Alter im Umfang von 3,7 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Ein vergiftetes Angebot an die Kommunen: Schwarz-Gelb hat im vergangenen Jahr durch Steuerprivilegien für Klientelgruppen die Haushaltsnotlage vieler Kommunen verschlimmert. Die Koalition war nicht bereit, unserer Forderung nach einem Rettungsschirm für die Kommunen zuzustimmen. Dann wurde den Kommunen im Zuge der Gemeindefinanzreform die Übernahme von Kosten der Grundsicherung versprochen. Jetzt soll dasselbe Geld herhalten, um auch noch das zusätzliche Bildungspaket zu finanzieren. Im Ergebnis drohen die Kommunen, die viel für die Bildung tun, auf den Mehrkosten sitzen zu bleiben.

Vor dem heutigen Vermittlungsausschuss hat Schwarz-Gelb die Katze aus dem Sack gelassen: Die Koalition will die kommunale Entlastung im Rahmen der Gemeindefinanzreform im März beschließen. Im Gegenzug soll die Gewerbesteuer ausgehöhlt, sollen neue Steuerschlupflöcher aufgemacht werden. Das kostet die Kommunen aber mindestens 10 Prozent der Gewerbesteuereinnahmen, also in regulären Jahren rund 4 Milliarden Euro. Die Kommunen verlieren mehr als sie überhaupt durch Übernahme der Grundsicherung im Alter erhalten!

Hinzu kommt: Finanzminister Schäuble hat angekündigt, die Übernahme der Grundsicherung im Alter gegenzufinanzieren durch eine Kürzung von 4 Milliarden bei der Bundesagentur für Arbeit. Eine absurde Idee. Das ginge zu Lasten der Arbeitsvermittlung und würde das Ziel konterkarieren, mehr Menschen aus der Bedürftigkeit herauszuholen. Daraus folgt ganz klar, was Schwarz-Gelb eigentlich vor hat: Die Arbeitslosen, die auf Leistungen der BA angewiesen sind, zahlen die Steuerprivilegien für Unternehmen!

Vor allem aber hat Schwarz-Gelb unsere Forderung blockiert, einen Einstieg in die Stärkung der Bildungsinfrastrukturen über die Finanzierung zusätzlicher Schul- und Jugendsozialarbeiter zu vereinbaren. Bessere Bildungsangebote vor Ort und mehr Sozialarbeiter aber sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Bildungsleistungen bei den bedürftigen Kindern auch ankommen können.

Mindestlöhne und gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Die Bundesregierung war nach zähen Verhandlungen bereit, branchenbezogene Mindestlöhne für das Wachgewerbe und die Weiterbildungsbranche mitzutragen. Die Zusagen blieben aber schwammig. Den Mindestlohn für die Weiterbildung hat von der Leyen schon einmal blockiert. Schwarz-Gelb will keinen allgemeinen Mindestlohn. Bei der Leiharbeit hat von der Leyen versucht, den Mindestlohn mit Tricks wie dem so genannten "Referenzlohn" zu verhindern, der nicht auf einem allgemeinverbindlichen Mindestlohntarifvertrag beruht und von dem wiederum nach unten abgewichen werden kann.

Vor allem will Schwarz-Gelb eine Totalblockade von "Equal Pay", also gleichem Lohn für gleiche Arbeit in der Zeit- und Leiharbeit. Das Angebot, gleichen Lohn erst nach 9 Monaten zu gewähren, ist zynisch und verhöhnt die Betroffenen: Denn praktisch nutzt es niemandem. Die Hälfte der Leiharbeiter bleibt nur bis zu 3 Monaten im Betrieb. Schwarz-Gelb hat sich vom verstärkten Lobbyismus der Leiharbeitgeber in den vergangenen Wochen einkaufen lassen.

Verfassungsfeste Regelsätze

Bei der Bemessung von verfassungskonformen Regelsätzen, die der eigentliche Anlass des Gesetzgebungsverfahrens sind, hat Schwarz-Gelb die Anforderungen der Karlsruher Richter nicht berücksichtigt:

Die ausdrücklich vorgeschriebene Korrektur der Referenzhaushalte um die so genannten ´verdeckten Armen´, also diejenigen, deren Einkommen niedriger als das Leistungsniveau des SGB II bzw. SGB XII ist, wird nicht vorgenommen, sondern als Auftrag in die Zukunft verschoben. Aus der Referenzgruppe, deren Ausgabeverhalten zur Bemessung der Regelsätze heran gezogen wird, werden diejenigen nicht heraus gerechnet, deren Einkommen auch nur um einen Euro oberhalb des Niveaus der Grundsicherung für Arbeitssuchende bzw. der Sozialhilfe liegt. Die Ungleichbehandlung bei der Größe der Referenzhaushalte (für die Bemessung der Erwachsenenregelsätze die untersten 15 Prozent der Einpersonenhaushalte, für die Kinderregelsätze die untersten 20 Prozent der Paarhaushalte mit Kind) sollte fortbestehen. Bei den Verbrauchspositionen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die als regelsatzrelevant anerkannt werden, gab es willkürliche Setzungen und keine Bereitschaft, Vorschläge von SPD und Grünen z.B. bei Mobilitätsaufwendungen, zu berücksichtigen.

Selbst die Minimalanforderung, die zur Erfüllung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes unbedingt notwendig gewesen wäre, nämlich die Herausnahme der "Aufstocker", die bis zu 100 Euro hinzuverdienen, und eine klare Vorgabe für die zukünftige Regelsatzberechnung, ist kategorisch abgelehnt worden.

Stattdessen hat Schwarz-Gelb ein nicht ernst gemeintes Angebot unterbreitet, wonach Leistungsempfänger, die begründet nachweisen können, warum sie im Bereich Verkehr einen höheren Bedarf haben, einen Zuschuss zum Kauf einer Monatskarte in Höhe von max. 15 Euro erhalten sollten. Dieser Vorschlag ist rechtlich zweifelhaft, da Willkür bei der Gewährung der Leistung bestünde. Zudem wäre für diejenigen, bei denen die Kosten einer Monatskarte sehr hoch sind, die Begleichung des Differenzbetrages aus dem Regelsatz kaum tragbar.

Eines ist klar: Es ging nicht ums Geld. Unser Vorschlag, die Aufstocker bis 100 Euro aus der Referenzgruppe heraus zu rechnen und den regulären Regelsatz entsprechend zu erhöhen, hätte nicht mehr gekostet als der von Schwarz-Gelb ins Gespräch gebrachte Zuschuss.

Das weitere Verfahren und die Entscheidung des Bundesrates

Das Vermittlungsverfahren ist gescheitert. Der Vermittlungsausschuss ist in seiner heutigen Sitzung zu keinem gemeinsamen Ergebnis gekommen. Damit wird es kontroverse Entscheidungen von Bundestag und Bundesrat am 11. Februar geben. Klar ist: Schwarz-Gelb wird am 11. Februar 2010 keine Mehrheit im Bundesrat haben. Bundeskanzlerin Merkel hat die Verhandlungen abgebrochen. Sie wird sie nach der Sitzung des Bundesrates auch wieder aufnehmen müssen. Wer hinausgeht, muss auch wieder hineinkommen.

Wir stellen uns darauf ein, dass es zu neuen Verhandlungen kommt und sind bereit zum Kompromiss in der Sache. In den Verhandlungen treten wir weiter für unsere Ziele ein:

Bildungspaket
- Der Bund trägt die notwendigen Aufwendungen der Leistungen für Bildung und Teilhabe einschließlich der Verwaltungskosten. Der Bund erstattet den Trägern der Leistung ihre Kosten.
- Das Bildungspaket soll sofort umgesetzt werden. Es ist nicht hinzunehmen, dass die Kinder darauf warten müssen, dass Schwarz-Gelb sich endlich einigt.
- Wir wollen in den JobCentern sozialpädagogische Hilfen verankern, indem Fachkräfte in Zusammenarbeit mit Schulen und Kindertageseinrichtungen, den Trägern der öf­fentlichen Jugendhilfe, den Gemeinden und Gemeindeverbänden, freien Trägern, Vereinen und Verbänden zu den Leistungen zur Bildung und Teilhabe Beratung leisten.

Unterstützung der Kommunen
- Wir fordern die Bundesregierung auf, zur Verbesserung der kommunalen Finanzsituation die Finanzierung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zunächst schrittweise und ab 2014 vollständig zu übernehmen.

Mindestlohn und Equal Pay

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
- Der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" in der Zeit- und Leiharbeitsbranche ist ohne Abweichung über Tarifvertrag nach einer Einarbeitungszeit uneingeschränkt im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sicherzustellen.
- Um eine Vermeidung von Kettenverträgen zu gewährleisten, sollen Zeiten der Überlassung des Leiharbeitnehmers beim selben Entleiher zusammengezählt und auf die Einarbeitungszeit angerechnet werden.
- Das Synchronisationsverbot wird wieder eingeführt. Arbeitsverträge mit Leiharbeitskräften, die auf die Dauer eines Einsatzes im Entleihbetrieb befristet sind, dürfen nicht mehr erlaubt sein.

Mindestlohn für die Leiharbeit
- Der Mindestlohn-Tarifvertrag der Zeitarbeitsbranche wird als verbindliche Lohnuntergrenze für die Verleihzeit und die verleihfreie Zeit im Arbeitnehmer-Entsendegesetz erstreckt. Dafür ist die Zeit- und Leiharbeitsbranche ins Arbeitnehmerentsendegesetz aufzunehmen.

Mindestlohn für Wachgewerbe und Weiterbildungsbranche
- Für folgende Branchen sind die Anträge auf Allgemeinverbindlicherklärung der Mindestlohn-Tarifverträge über das Arbeitnehmerentsendegesetz unverzüglich umzusetzen: Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II und III und Sicherheitsdienstleistungen.

Allgemeinverbindlichkeit von Mindestlöhnen erleichtern
- Um die Allgemeinverbindlicherklärung branchenspezifischer tarifvertraglicher Mindestlöhne zu erleichtern, sind alle Wirtschaftszweige in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufzunehmen.
- Der Tarifausschuss wird um Vertreter der jeweils antragstellenden Branche erweitert. Zu den jeweils drei Vertretern der Spitzenorganisation der Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommt jeweils ein Vertreter der Tarifparteien aus der antragstellenden Branche.

Regelsätze und Warmwasserkosten

Sofortige Gewährung höherer Leistungen
- Die Erhöhung der Regelbedarfe um 5 Euro auf 364 Euro ab dem 1. Januar 2011 ist sofort auszuzahlen. Die Bundesagentur für Arbeit und die Optionskommunen sind entsprechend anzuweisen.

Finanzierung Warmwasserkosten
- Wir fordern, den Fehler von der Leyens zu korrigieren, die in der Bemessung der Regelsätze die Kosten für Warmwasser nicht korrekt berücksichtigt hat:
- Zur Finanzierung der Warmwasserkosten bei zentraler Warmwasserversorgung, die die Kommunen belasten, ist der Anteil der Bundes an den Kosten der Unterkunft zu Gunsten der Kommunen zu erhöhen.
- Für die Haushalte, die die Warmwasserzubereitung mit Strom vornehmen, soll es einen Mehrbedarf geben.

Transparente Regelsätze
- Als absolute Minimalanforderung wollen wir die Referenzgruppe für die Bemessung der Regelsätze um die Haushalte bereinigen, die nur ein Einkommen bis zu 100 Euro haben (dies ist der entsprechende Einkommensfreibetrag im SGB II). Damit wird die Vorgabe des Bundesverassungsgerichtes erfüllt, Zirkelschlüsse zu vermeiden, also die Haushalte für die Bemessung der Regelsätze nicht heran zu ziehen, deren Lebenswirklichkeit selber durch den Bezug von Leistungen der Existenzsicherung bestimmt wird.
- Im Ergebnis würde sich der Regelbedarf für alleinstehende Personen so um weitere 6 Euro erhöhen, für andere Erwachsene um 5 Euro, und für Kinder besteht so die Chance, dass deren Regelsätze bei den zukünftigen Anpassungen bis zur Auswertung der EVS 2013 erhöht werden können - bei den gegenwärtigen Regelsätzen von Schwarz-Gelb ist dies nahezu ausgeschlosen, da Anpassungen verrechnet werden.
- Wir fordern, dass Bundestag und Bundesrat eine paritätisch besetzte Kommission einsetzen, die in Zukunft die Bundesregierung bei der Fortentwicklung der Regelbedarfsbemessung unterstützt. Hier geht es sowohl um die Bestimmung der Referenzhaushalte und den Ausschluss ´verdeckter Armut´, aber auch um die korrekte Ermittlung der Kinderbedarfe und der Bedarfe von weiteren Erwachsenen im Haushalt, die gegenwärtig pauschal vom Regelsatz von Einpersonenhaushalten abgeleitet werden.
- Wir wollen die Gleichbehandlung von Leistungsempfängern in der Sozialhilfe, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, mit den Gleichaltrigen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende: Es ist nicht akzeptabel, dass letztere in der Regelbedarfstufe 100 Prozent erhalten und erstere in der Regelbedarfsstufe 3 lediglich 80 Prozent.

Verzicht auf die so genannte ´Satzungslösung´
- Wir lehnen es ab, dass die Kommunen die Möglichkeit erhalten sollen, Satzungen zu entwickeln, in der sie eine pauschale Höchstmiete für Leistungsempfänger verankern können."