Frage an Lothar Binding von Hansjürgen T. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Besten Dank für die ausführlichen Informationen zum Thema Rente mit 67.
Leider haben Sie noch nicht darauf geantwortet, wie Sie mit den Menschen bei Rente mit 67 umgehen wollen, die aus gesundheitlichen Gründen eine Erwerbsminderungsrente beziehen. Sollen sie gezwungen werden, mit höheren Abschlägen als bisher vorgezogen in Rente zu gehen?
Die Rürup-Kommission hat in ihrem Gutachten 2003 prognostiziert, dass mit der Rente mit 67 der Beitragssatz 2030 von 24,2 % auf 22 % reduziert werden kann. Davon entstehen aber nur 0,6 % durch die Verschiebung des Rentenalters, 1,4% durch einen Nachhaltigkeitsfaktor mit Gewichtung 0,25 und 0,2 % durch die Verschiebung des Anpassungszeitpunktes. Ist es nicht dem Arbeitnehmer schwer zu vermitteln, dass er für 0,3 % geringeren Rentenbeitrag ( die Hälfte zahlt der Arbeitgeber ) 2 Jahre länger arbeiten muss?
Für die Finanzierung der Rentenversicherung und der Krankenversicherung wäre es von Vorteil, wenn alle versicherungsfremde Leistungen über das Steuersystem finanziert und damit auf mehr Schultern verteilt würden. Eine DIW Studie im Auftrag der Hans Böckler-Stiftung von 2005 zeigt einen Anteil versicherungsfremder Leistungen in der Rentenversicherung von 43 % und in der Krankenversicherung von 17 %. Hat sich in der Zwischenzeit die Kostensituation so verändert, dass alle versicherungsfremden Leistungen durch das Steuersystem abgedeckt werden?
Sehr geehrter Herr Tragbar ,
für Ihre Frage vom 18. Oktober 2010 danke ich Ihnen.
Gegenwärtig werden die Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente auf die Berechnungsgröße bzw. das Renteneintrittsalter 63 Jahre bezogen. Dabei beträgt der maximale Abschlag bis zu10,8 Prozent. Sollte es zur Anhebung des Renteneintrittsalters kommen, also der sukzessiven Anhebung mit Übergangsfristen bis in das Jahr 2029, wird auch das Renteneintrittsalter im Fall der Erwerbsminderungsrente von 63 auf 65 bis zum Jahr 2029 angehoben. Allerdings bleibt es bei dem bisherigen maximalen Abschlag von 10,8 Prozent. Insofern wird das System der Erwerbsminderungsrente logisch gleich dem „normalen“ Rentensystem nachgebildet; so wie es logisch zu erwarten ist.
Aber: Die SPD Fraktion tritt ja für eine Verschiebung dieses Anpassungsprozesses ein: mit der allmählichen Anhebung des Renteneintrittsalters von zunächst einem, dann zwei etc. Monaten, soll erst dann begonnen werden, wenn mehr als 50 % der 60 bis 64 jährigen Arbeitnehmer auch eine Arbeit erhalten (können). So soll eine höhere Beschäftigungsquote für Ältere erreicht, aber gleichzeitig der Anreiz vermindert werden, dass Unternehmen ältere Arbeitnehmer entlassen – auf Kosten der persönlich zu tragenden Abschläge bzw. auf Kosten der Allgemeinheit.
Sie zitieren Ausarbeitungen der Rürup-Kommission und eine DIW Studie. In diese Betrachtungen gehen sehr viele Annahmen über die Zukunft ein, und ich würde meine Arbeitsmöglichkeiten als Parlamentarier überdehnen, wollte ich gutachterlich hier in Konkurrenz treten. Noch bis in das 1999 gab es einen großen Konsens darüber, dass es viele versicherungsfremde Leistungen in der GRV gab. Mit den erfolgreichen Anstrengungen von Finanzminister Eichel – ein Drittel der gesamten GRV ist heute steuerfinanziert – gehe ich davon aus – modulo bestimmter Streitfälle – , dass es keine versicherungsfremden Leistungen mehr in der GRV gibt. Politisch tritt diese Frage für mich in den Hintergrund, weil ich dafür arbeite, dass die Steuerfinanzierung verstärkt wird und dass über die Höhe der Pflichtversicherungs- und Beitragsbemessungsgrenze nachgedacht wird.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding