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Frage von Robert W. •

Frage an Lothar Binding von Robert W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Binding,

mich interessiert, warum Sie am 18.06.2009 dem Gesetzentwurf ueber Web-Sperren im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornographie ueber das Internet (Zugangserschwerungsgesetz) zugestimmt haben.

Sowohl die teils hanebuechenen Argumentation von Fr. von der Leyen und Hrn. Guttenberg im Vorfeld zur o.g. Abstimmung als auch der offene Brief der Kandidatinnen und Kandidaten an die SPD-Bundestagsfraktion (http://spdnet.sozi.info/bawue/ludwigsburg/moenikes/dl/Offener_Brief_der_Kandidatinnen_und_Kandidaten.pdf) sollte - meines Erachtens nach - genuegend Gruende geliefert haben, den Gesetzentwurf noch einmal kritisch zu hinterfragen. Dennoch hat die SPD-Bundestagsfraktion mit Ausnahme der Herren Reiche, Tauss und Wodarg zugestimmt.

Halten Sie die von der SPD eingebrachten Aenderungen gegenueber dem urspruenglichen Gesetzentwurf für ausreichend, die fachlichen Maengel des Gesetzestextes zu kompensieren und die beabsichtigte Wirkung zu entfalten?

Vielen Dank im Voraus für die Beantwortung der Frage.

Mit freundlichen Gruessen
R. Werner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Werner,

für Ihre Frage zum Zugangserschwerungsgesetz gegen die Verbreitung von Kinderpornographie danke ich Ihnen recht herzlich. Bitte entschuldigen Sie meine späte Antwort. In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich viele Zuschriften dazu erhalten – leider war darunter häufig kopierte Massenpost. Auf meiner Homepage habe ich ein Schreiben veröffentlicht, das meine Überlegungen zusammenfasst, die einzelnen Reglungen des Gesetzes beleuchtet und die Gründe für mein Abstimmungsverhalten nennt; Sie finden diesen Brief unter folgendem Link: http://www.lothar-binding.de/fileadmin/downloads/pdf/Briefe/Internetsperren_Kinderpornographie_-_1..pdf . Anliegend sende ich Ihnen außerdem eine Erklärung meiner Fraktionskollegin Monika Griefahn nach § 31 der Geschäftsordnung des Bundestages, der ich mich bei der Abstimmung gemeinsam mit weiteren Kolleginnen und Kollegen angeschlossen habe.

Auf diese Texte möchte ich Sie gerne verweisen; dies ermöglicht es mir, einige andere Aspekte aufzugreifen, auf die Sie in Ihrer Frage hingewiesen haben, ohne Ihnen einen zu langen Brief zumuten zu müssen. Ich hoffe, Sie können für dieses Verfahren Verständnis aufbringen. Zugleich bitte ich Sie um Nachsicht, dass Sie so lange auf meine Antwort warten mussten. Dies hat – neben der hohen Arbeitsbelastung – noch einen anderen Grund.

Ich beobachte seit einiger Zeit eine Entwicklung, die mir Sorgen bereitet, weil sie eine zentrale Form unseres demokratischen Dialogs – die ernsthafte und ehrliche Auseinandersetzung mit den Sachargumenten, Einstellungen und Entscheidungen des Anderen – beschädigt. In manchen Blogs, Diskussionsforen oder Chatrooms wird unsere Diskussionskultur sehr strapaziert, wenn Gedanken aus dem Zusammenhang gerissen und als Fragmente zitiert werden, um sie danach in böser Absicht lächerlich zu machen. Dabei werden Unverschämtheiten, Halbwahrheiten und persönliche Angriffe unter dem Deckmantel jugendlich-lockerer Formulierungen getarnt – in Wahrheit werden andere Menschen und Meinungen mit autoritären Mitteln diskreditiert. Der Verweis auf das häufig jugendliche Alter der Diskutanten und dem „anderen Umgangston“ in Internet-Diskussionsforen kann hier nur in einem ersten Reflex als Entschuldigung oder Rechtfertigung dienen. Ich bezweifle, dass sich die Personen aus der Internet-Community, die sich gerne auf diese Position zurückziehen möchten, sich und ihrem Anliegen damit einen Gefallen tun; denn wer ernst genommen werden möchte, muss sich auch ernsthaft verhalten. Seinen Argumenten Gehör verschaffen zu wollen, indem man den anderen oberflächlich, desinteressiert oder ahnungslos erscheinen lässt, gehört sicherlich nicht dazu. Es werden leider häufig Methoden verwendet, die man vorgibt, im Namen der totalen Informationsfreiheit zu bekämpfen.

Diese Erfahrungen bewusster persönlicher Diskreditierung lassen mich gelegentlich daran zweifeln, ob es den Verfassern hier in erster Linie – oder überhaupt noch – um die Sache geht. Meine Skepsis wächst noch, wenn ich wie kürzlich im Gespräch mit Sympathisanten der Piratenpartei feststelle, dass sie zwar heftig gegen meine Zustimmung zu diesem Gesetz protestierten, die wichtigen Unterschiede zwischen dem ursprünglichen Ministeriumsentwurf und den im parlamentarischen Verfahren vorgenommenen Änderungen allerdings gar nicht kannten.

Vielleicht hat es auch mit dieser Unkenntnis zu tun, dass in der öffentlichen Debatte die Bewertungsmaßstäbe gelegentlich verloren gegangen zu sein scheinen und sich manche Befürchtungen und Sorgen weitgehend vom konkreten Gesetzestext und der Zielsetzung des Gesetzgebers gelöst haben. Ich habe Verständnis für harte, aber sachliche Kritik, für begründete Zweifel und nachvollziehbare Befürchtungen; allerdings betrachte ich es mit Sorge, dass sich durch bewusste Übertreibungen und Verfremdungen Einzelner die Debatte verändert. Diese Vorwürfe erschweren die Wahrnehmung unseres politischen Handlungsauftrags und der parlamentarische Verantwortung, an die uns viele Bürgerinnen und Bürger erinnern. Die pauschalen und unspezifischen Anschuldigungen bringen uns in eine „Verteidigungshaltung“, in der wir begründen müssen, dass wir zwar die Verbreitung von Kinderpornographie verhindern, nicht aber zugleich einen „totalen Überwachungsstaat" errichten wollen – eine absurde Verkehrung unserer gesetzgeberischen Zielstellungen. Nach meiner Einschätzung ist es daher sinnvoll und wichtig, sich gelegentlich der Maßstäbe und Bezugspunkte der eigenen Werturteile zu vergewissern.

An dieser Stelle eine kurze Zwischenbemerkung: Ich erinnere mich an die Auseinandersetzungen bei der Entwicklung und Implementierung der Übertragungsprotokolle in Netzwerken. Die Frage war: TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet Protocol) oder ISO/OSI (Open System Interconnection), das Modells der International Organization for Standardization (ISO). Damals wurden sogar Überlegungen angestellt, Elemente des Headers im TCP für Geheimdienstzwecke zu nutzen; damit wäre ein Eingriff in die Kommunikationsfreiheit der Internetnutzer möglich gewesen, der sehr viel weit reichender und gefährlicher gewesen wäre als alle Befürchtungen und „Schreckensszenarien“, die in der derzeitigen Diskussion um die Errichtung von Zugangshürden zu kinderpornographischen Seiten entwickelt werden. Dies gilt umso mehr, als es sich beim mittlerweile akzeptierten TCP/IP um einen Industriestandard handelt, dessen Entwicklung, Genehmigung, Implementierung und Überwachung keiner demokratischen, staatlichen oder zivilgesellschaftlichen Kontrolle unterliegt. Es ist doch eine interessante Frage, wer eigentlich den gesamten Datenverkehr, jegliche web-basierte Kommunikation steuert und kontrolliert, wer eigentlich eine Infrastruktur betreibt, die als Basis für die große Freiheit verteidigt wird – und warum das eigentlich nicht in Wahrheit eine Infrastruktur zur weltweiten Kontrolle und Zensur des Datenverkehrs ist.

Oder wie steht es mit HTTP- bzw. Browser-Cookies? Wie leicht landet jemand auf einem anderen Rechner der dann „clientseitig“ weitere Server mit Informationen via Hypertext-Transfer-Protocol-Header versorgt, die Auskunft über mein Verhalten geben? Hier handelt es sich um persistent gespeicherte Daten. Auch Referrer URLs oder Referrer Spam (siehe RFC 2616 HTTP/1.1) liefern den Betreibern von Webservern Daten über die es sich nachzudenken lohnt. In welchem Verhältnis stehen hier eigentlich private Kontrolle und die gefeierte Freiheit?

Diese Fragen stelle ich nicht oft – aber angesichts der Befürchtungen und Spekulationen, mit denen viele einer gesetzlich befristeten und eng begrenzten Regelung begegnen, muss ich diese Frage stellen dürfen. Diese Manipulationsmöglichkeiten einzelner Entscheider über ein Imperium von Suchmaschinen sind um ein Vielfaches größer – dabei geht es ja nicht um Suchen, sondern darum, was ich finden kann und soll und darf – als die eines Trios wie von der Leyen, Tauss und Schäuble. Diese haben uns in eine Diskussion getrieben, aus der man ohne Kollateralschaden nicht herauskommt, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, Kinderpornographie sei vielleicht doch nicht ganz so schlimm.

Beim Beschluss über die Vorratsdatenspeicherung wurde in ähnlicher Weise aus einer verkürzten Wahrnehmung der vollkommen überzogene Vorwurf des „Überwachungsstaates“ konstruiert. Man könnte zwar einwenden, dass das Bundesverfassungsgericht in der Einführung der Datenspeicherung einen „schwerwiegenden Eingriff in das Fernmeldegeheimnis“ sieht (BVerfG (100, 313, 392)); diese Einwände sind bedenkenswert, können allerdings angesichts des innenpolitischen und europarechtlichen Kontextes der damaligen Entscheidung des Bundestags entkräftet werden. Zur Erinnerung: viele europäische Staaten hatten für eine Speicherungsfrist von mindestens zwei Jahren plädiert; Justizministerin Zypries konnte erreichen, dass die Entscheidung über die Speicherdauer bei den Mitgliedstaaten liegt und sich in einem Zeitfenster von 6 Monaten bis zwei Jahren bewegen muss. Bei der Umsetzung dieses Vorhabens haben wir uns verbindlich auf die untere Grenze festlegt. Schon zuvor haben Telefonanbieter in Deutschland diese Daten drei Monate lang für Rechnungslegungszwecke vorgehalten. Die dreimonatige Verlängerung dieser Aufbewahrungsfrist ist nach meiner Einschätzung angemessen und verhältnismäßig. Aus diesem Verhandlungserfolg auf europäischer Ebene, der für die möglichst „grundrechtsschonende“ Umsetzung der EU-Richtlinie sorgt, den Einstieg in einen „Unrechtsstaat“ herauszulesen, ist eine unhaltbare Übertreibung, die leider häufig dem grundsätzlich richtigen und wichtigen Anliegen des Datenschutzes schadet. In einer bestimmten Szene wird dann kritisiert, Deutschland habe kein Veto eingelegt und damit die Gesetzgebung nicht verhindert. Aber abgesehen davon, dass Politik und die Kooperation mit 26 Staaten nicht digital funktioniert – nach dem Motto: alle 26 Staaten machen, was Deutschland will, oder es geht gar nichts – wäre auch die Frage zu beantworten, was es bedeutet hätte, keine Regelungen zu treffen. Das wäre ja auch ein möglicher Ausgang der Verhandlungen gewesen. Welche Rechtslage hätte denn dann den Unternehmen verwehrt zu speichern, was sie wollen und so lang wie genehm? Natürlich hätte Deutschland, da wäre sicher ein prima Entwurf aus dem Hause Schäuble möglich gewesen, eine eigene Regelung treffen können – für den deutschen Rechtsraum.

Ich habe längere Zeit über den richtigen Umgang mit diesem Diskussionsstil nachgedacht, der anonym sachfremde Behauptungen und persönliche Anfeindungen hervorbringt und im digitalen Gedächtnis des Internets dauerhaft verankert wird – ohne dass der Betroffene sich wirksam dagegen wehren könnte. Öffentliche Korrespondenz macht nur dann Sinn, wenn man sich wechselweise eines fairen und korrekten Umgangs miteinander sicher sein kann.

Ich möchte allerdings an meinem Grundsatz: „Kein (erster) Brief ohne Antwort“ festhalten und den Dialog mit den vielen ernsthaften Fragen und Anschreiben von Bürgerinnen und Bürgern fortsetzen. Nach dieser – zugegebenermaßen etwas längeren, aber notwendigen Vorbemerkung – nun zum eigentlichen Thema:

Häufig weisen mich Bürgerinnen und Bürger darauf hin, das Zugangserschwerungsgesetz sei wegen der leichten Umgehbarkeit der Stoppschilder oder wegen Lücken und Unklarheiten bei den Aufgaben und Befugnissen des BKA nicht hilfreich. Dieser Einwand ist berechtigt und wird z.B. auch von der Internet Society e.V (ISOC) geteilt. Holger Bleich und Axel Kossel stellen in einem Beitrag die technischen Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten bei der Errichtung von DNS-Sperren und Zugriffssperren auf bestimmte IP-Adressen sehr gut dar. Sie finden diesen Artikel unter folgendem Link: http://www.heise.de/ct/Die-Argumente-fuer-Kinderporno-Sperren-laufen-ins-Leere--/artikel/135867 .

Auch die Probleme mit weltweit verteiltem Hosting werden deutlich. Mit einem Blick nach China, wo die Sperren aus Gründen, die mir nicht gefallen, halbwegs funktionieren und mit einem Blick nach Norwegen oder Schweden, wo sie nicht wirksam funktionieren, sind meine Zweifel selbsterklärend. Aber warum dann die vielen Ängste vor der – wie die FAZ vom 2. Juli 2009 aus einem Internetforum zitiert – „staatlichen Vollüberwachung“, der „Internet-Kontrolle“ im „digitalen Faschismus“? Eine Sperre, die – wie ich vermute – nicht wirkt, ist auch nicht gefährlich und braucht niemanden zu ängstigen, so könnte man doch erwidern. Wenn man diesen Gedanken fortführt, so stellt sich dann auch bald die Frage, warum man solche eine Sperre dann überhaupt beschließen sollte.

Meine folgenden Ausführungen können Ihnen hoffentlich einen Eindruck von der Entscheidungssituation im Vorfeld der Abstimmung im Bundestag vermitteln und Ihr Verständnis dafür wecken, warum ich wie die meisten meiner Fraktionskolleginnen und -kollegen dem Gesetz zugestimmt habe.

Das Zugangserschwerungsgesetz ist auch ein rechtlicher Schutzmechanismus gegen eine unkontrollierte und intransparente Ausweitung von Internetsperren, der angesichts der überstürzten Handlungen der Bundesfamilienministerin notwendig wurde. Denn die größten Internetprovider hatten mit Frau von der Leyen Verträge abgeschlossen, die Erweiterungen der Sperren ohne einen demokratischen Gesetzgebungsprozess zugelassen hätten. Die Unternehmen standen dabei unter dem starken Druck einer öffentlichen Debatte, die durch Frau von der Leyen und Jörg Tauss geprägt worden war. Die Internetsperren erfolgten damit auf einer unkontrollierbaren und höchst fragwürdigen Basis. Wegen der Bindewirkung der abgeschlossenen Verträge hätten diese Vereinbarungen ohne nachträgliche gesetzliche Regelung gleichwohl eine Handlungsgrundlage für beide Vertragspartner dargestellt. Mehrere Provider wie beispielsweise Vodafone hatten bereits angekündigt, Internetsperren aktivieren zu wollen. Dies hätte ohne gesetzliche Regelung völlig unüberprüfbar und unbegrenzt geschehen können. Deshalb ist für mich das Gesetz die deutlich bessere zweier schlechter Alternativen – auch um sich vor Fehlinterpretationen zu schützen. Nach Abschluss der Verträge wurde somit eine geordnete, entschärfte, rechtsstaatliche Lösung erforderlich, wollte man sich nicht dem Verdacht des Zauderns und Zögerns im Kampf gegen Kinderpornographie aussetzen.

Ich hoffe, Sie können nachvollziehen, in welches Dilemma uns die Vertragsabschlüsse von Frau von der Leyen mit den Providern gebracht haben. Nur mit diesem Gesetz konnte die negative Wirkung der Verträge noch eingedämmt werden. Angesichts der lauthals vorgetragenen Proteste gegen die angebliche Errichtung des Überwachungsstaats und der aufgeheizten Diskussionskultur mit ihrer holzschnittartigen Gegenüberstellung von „Zensur“ und „Freiheit“ konnten sich leider gemäßigte Stimmen auch aus der SPD, die für eine sachorientierte Auseinandersetzung und einen Ausgleich der Positionen warben, in der öffentlichen Wahrnehmung nicht durchsetzen. Deshalb bin ich froh, dass wir unsere Positionen im Gesetzgebungsverfahren erläutern und wichtige Änderungen vornehmen konnten.

Das Zugangserschwerungsgesetz ist ein für das konkrete Ziel der Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornographie im Internet entwickeltes, zeitlich begrenztes Spezialgesetz. Der Entwurf des Wirtschaftsministeriums hatte lediglich eine entsprechende Änderung des Telemediengesetzes vorgesehen. Mit der spezialgesetzlichen Regelung, die wir erst im parlamentarischen Verfahren durchgesetzt haben, wird die rechtliche Grundlage unseres Vorhabens in seinen Inhalten deutlich verbessert. Es geht – eng begrenzt – um die Sperrung von Internetseiten mit Kinderpornographie, ausdrücklich nicht um die Sperrung anderer Inhalte. Diese rechtliche Begrenzung des Anwendungsbereiches kann auch nicht durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung per Beschluss geändert werden. Damit können wir verhindern, dass die Sperrinfrastruktur des Gesetzes auch für andere Aufgaben eingesetzt werden kann – an Vorschlägen und Forderungen, etwa für Strafverfolgungszwecke oder zum Schutz des geistigen Eigentums im Netz, fehlt es nicht.

Bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes hatten mehrere CDU-Abgeordnete angekündigt, Internetsperren ausweiten zu wollen. Auch in den letzten Tagen sind diese reflexhaften Forderungen erneut laut geworden, Hinweise darauf finden sich nicht zuletzt prominent im Regierungsprogramm der Union. Im Rahmen des jetzt verabschiedeten Gesetzes ist eine Erweiterung um so genannte „Killerspiele“ (eine Bezeichnung die ich nicht für richtig halte), Glücksspiele oder urheberrechtliche Bereiche nicht möglich. Ganz im Gegenteil: sie wird sogar deutlich ausgeschlossen. Sollte die Union dennoch eine Ausweitung wollen, müsste sie ein formelles Gesetzgebungsverfahren einleiten. Dies stellt allerdings eine hohe Hürde für eine Ausweitung von Internetsperren dar. Allerdings können Gesetze geändert oder beschlossen werden, sobald die parlamentarischen Mehrheiten es erlauben. Insofern lohnt es sich auch, über die anstehenden Wahlen nachzudenken.

Ich finde die Regierungsbeteiligung der SPD-Bundestagsfraktion wichtig, um zu verhindern, dass sich die Union mit ihrer Forderung nach einer Ausweitung der Sperrverfügungen im Internet durchsetzen kann. Dass wir im Gesetzgebungsverfahren so viele Verbesserungen durchsetzen konnten, ist auch der überaus großen, teils sehr fundierten und leidenschaftlichen Kritik und dem damit verbundenen öffentlichen Druck, auch der von über einhunderttausend Bürgerinnen und Bürgern unterzeichneten Petition, zu verdanken. Mich wundert es, dass der Erfolg der Petition nicht gefeiert wird. Der Entwurf kam nicht durch. Das Gesetz unterscheidet sich stark vom Entwurf – in Richtung der Petition. Die Petition hatte also Erfolg. Wer allerdings seine Wahrnehmung auf Alles oder Nichts reduziert, kann den Erfolg nicht sehen.

Ich hoffe, Ihnen einen Einblick in meine Überlegungen vermittelt zu haben,
und verbleibe

mit freundlichem Gruß, Lothar Binding