Frage an Lothar Binding von Philipp F. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Binding,
leider muss ich ein Thema ansprechen, dass mir und vielen anderen, schwer im Magen liegt.
Die deutschen Waffenexporte!
Das schwedische Friedensforschungsinstitut (SIPRI) errechnete das Deutschland seid dem Jahr 2008, weltweit der dritt größte Waffenexporteur ist.
Hienter den USA und Russland
Es gab eine Steigerung von 1,5 Milliarden(2005) -
3,8 Milliarden(2008).
Die Berliner Zeitung berichtete, am 28. April 2009, über ein dramatisches ansteigen der Waffenexporte( 70% Steigerung zwischen 2004- 2008) im Wert won 8,5 Milliarden €.
Des weiteren berichtete der Spiegel am, 18. Mai 2009 über den Tabu- bruch der deutschen Kanzlerin. Im geheimen wurden letztes Jahr schon beschlossen 36- "Leopard 2" Kampfpanzer an das Emirat Katar
zu verkaufen. Eine staatliche Ausfuhrbürgschaft von über 1 Milliarde€, für 3 Brennstoffzellenboote wurde auf- nach der Wahl verschoben.
Desweiteren wurde 2006 eine Petition" Gegen deutsche Waffenexporte nach Nahost, direkt nach dem Libanon Krieg eingereicht; die im März 2009, nach dem Gaza Krieg vom deutschen Bundestag abgelehnt??? Isral hat nachweißlich Uran Munition benutzt in beiden Kriegen. Warum geben wir einem, mittlerwilen stark nach rechts gerückten Parlament, Waffen?? Wie können wir Deutschen uns erlauben Waffen zu verkaufen nachdem der 2. Weltkrieg mit all seinen Verbrechen un Greultaten, beendet war.
Schockiert und traurig sind die Tatsachen und ich möchte wissen wie es weiter gehen soll. Kinder laufen Amok, Kriege weltweit, Hunger und die verarmung der Menschen. Was wird geschehen in Zukunft?
Man kann doch nicht über Frieden und Gleichheit aller Menschen sprechen und im geheimen Waffen verkaufen.
Was wird die Bundersregierung und Sie tun?
Ich verbleibe mit freundlichen Grüssen Philipp Faller/ Weinheim
Sehr geehrter Herr Faller,
vielen Dank für Ihre Frage. Zunächst bitte ich Sie den aktuellen Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2007 zu beachten, der über die Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter informiert. Ich erwähne an dieser Stelle lediglich, dass das Bundeswirtschaftsministerium auf einer anderen Datenbasis und mit anderen Berechnungsmethoden als das schwedische Forschungsinstitut zu einer abweichenden Reihenfolge bei Rüstungsexporten kommt. Ungeachtet dieser Unterschiede in den Größenordnungen unterstütze ich allerdings alle sinnvollen Bemühungen, die Ausfuhrmengen an Rüstungsgütern und Kriegswaffen zu reduzieren. Da ich den Kriegsdienst - wie wir damals formulierten - verweigert habe, können Sie sich vorstellen, was ich von Rüstungsproduktion und Rüstungsexport halte. Leider lassen sich meine Vorstellungen nicht mit allen Staaten verhandeln, manchmal gibt es auch keine Mehrheiten im Parlament. Also hilft nur eine Politik der kleinen Schritte und der großen Kompromisse.
Mit unserem Ansatz wurden in wichtigen Bereichen schon Fortschritte erreicht; ich denke dabei etwa an die Verbesserung der internationalen Waffenkontrolle und bei Dual-Use-Gütern, an die Eindämmung von Streumunition oder an die Überprüfung von Empfängerländern unter Menschenrechtsgesichtspunkten. Manche Entwicklungen und Verhandlungen verlaufen langsam und zäh; aber jeder Fortschritt - sei er auch noch so klein -, ist besser als Stillstand.
Sie finden unter folgendem Link viele Informationen zum Exportkontrollsystem für Rüstungsgüter, zum internationalen Rahmen der Rüstungsexportpolitik und zu Genehmigungen von Rüstungsgütern sowie Kriegswaffenausfuhren: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/115/1611583.pdf . Der Bundestag hat diesen Bericht am 26. März 2009 beraten. Mit diesem Verweis kann ich mich darauf konzentrieren, Ihnen einen Eindruck von meiner persönlichen Einstellung zu Rüstungsexporten zu vermitteln. Ich hoffe, Sie haben für dieses Vorgehen Verständnis.
Sie haben recht: Waffenlieferungen ins Ausland sind ein Thema, bei dem viele Bürgerinnen und Bürger, aber auch viele meiner Fraktionskolleginnen und -kollegen "moralische Bauchschmerzen" bekommen. Diese Bedenken teile ich, auch weil ich in meinem ganzen Leben ohne Waffe ausgekommen bin und in meinem persönlichen Umfeld viele Menschen mit einer pazifistischen Grundeinstellung kenne. Willy Brandt hat Rüstungsgeschäfte einmal als "Export des Todes" bezeichnet. Die Existenz von Waffen ist immer dann schwierig zu beurteilen, wenn Waffen helfen ihren Einsatz zu vermeiden oder z.B. Aufbauarbeit ermöglichen.
Meine Schwierigkeiten mit Waffenlieferungen liegen darin, dass dabei verschiedene Bewertungskategorien in Widerspruch zueinander stehen. Ich denke dabei an unseren unverzichtbaren moralischen Anspruch in der Politik; an außenpolitische Verpflichtungen und internationale Einflussnahme, an unsere Selbstverpflichtung zu einer zivilgesellschaftlichen Entwicklungspolitik, manche Kolleginnen und Kollegen stellen auch Überlegungen hinsichtlich der Wirtschaftsförderung an etc. etc.. Jede dieser Positionen hat ihre Unterstützer und ihre jeweils eigene Berechtigung.
Einerseits bedarf die deutsche Wirtschaft der staatlichen Absicherung gegen betriebswirtschaftliche Risiken, die ihnen im Ausland bestehen. Es geht hier um die Gewährleistung betrieblicher Existenzen, die Sicherung der internationalen Konkurrenzfähigkeit und nicht zuletzt um die Bewahrung oder Schaffung von inländischen Arbeitsplätzen. Andererseits sind berechtigte wirtschaftliche Interessen natürlich auch immer eingehegt durch rechtliche Schranken und moralische Prinzipien, die den Normen des Völkerrechts und des Grundgesetzes Geltung verschaffen und einen Grundpfeiler der deutschen Außenpolitik darstellen. Eine klare Abwägung, eine saubere Trennung, gar ein zweifelsfreies Urteil ist in der Praxis daher häufig schwer.
Deshalb bin ich froh, dass wir in der Rüstungskontrollpolitik viele gute Regelungen gefunden haben, die die Berücksichtigung wichtiger moralischer Kategorien nicht nur ermöglichen, sondern vorschreiben. Wir haben hohe Hürden für die Exportgenehmigung von Rüstungsgütern errichtet, die von Bundesregierung und Bundestag restriktiv und unter Anlegung strenger Prüfkriterien ausgelegt werden. Rüstungsexporte sind nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen grundsätzlich genehmigungspflichtig. Gleiches gilt für sonstige Rüstungsgüter, die unter das Außenhandelsgesetz fallen.
Gemäß der im Jahr 2000 vom Bundeskabinett beschlossenen "Politischen Grundsätze" ist die Beachtung der Menschenrechte für jede Exportentscheidung von hervorgehobener Bedeutung ist. Dies gilt unabhängig davon, um welches mögliche Empfängerland es sich handelt. Sie können die folgenden Informationen im Achten Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen, Seite 97f nachlesen. So werden Rüstungsexporte, d. h. Ausfuhren von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, grundsätzlich nicht genehmigt, wenn "hinreichender Verdacht" besteht, dass das betreffende Rüstungsgut - etwa Waffen, Munition, Fahrzeuge, aber auch Software - zur internen Repression oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht wird. Für diese Frage spielt die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle. Die Grundsätze gehen hier weiter als der EU-Verhaltenskodex, wonach erst bei insofern bestehendem "eindeutigem Risiko" keine Ausfuhrgenehmigung erteilt werden soll.
Zur Beurteilung der Menschenrechtssituation kommt es vor allem darauf an, ob das Empfängerland eine rechtsstaatliche Struktur besitzt und ob demokratische und menschenrechtliche Grundprinzipien beachtet werden, z. B. das Verbot von Folter und Misshandlungen. Die Verhältnisse in einem Land, egal ob NATO-, NATO-gleichgestelltes oder Drittland, darstellen, werden auf der Grundlage vieler Berichte und Quellen bewertet. Dazu gehören internationale Organisationen wie die VN, die OSZE, Europäische Union und Europarat, aber auch deutsche Auslandsvertretungen und internationale Menschenrechtsorganisationen.
Dieses Kontrollregime lenkt unsere Rüstungsausgaben in vielen Bereichen auf einen vertretbaren Weg: Die effektiven Ausfuhren von Kriegswaffen betrugen im Jahr 2007 1,1 Milliarden Euro, nach 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2006. Der Anteil der Ausfuhren in EU-, NATO- und NATO-gleichgestellten Länder, in denen wir von der demokratischen Kontrolle der Rüstungsgüter ausgehen können, belief sich auf ca. 75 Prozent. Der Anteil der klassischen Entwicklungsländer ist 2007 hingegen auf ca. 1,1 Prozent zurückgegangen.
Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich schon lange für ein umfassendes Verbot von Streumunition ein. Leider hatten sich die Staaten mit den größten Munitionsbeständen - darunter die USA, Russland, China, Indien, Pakistan, Brasilien und Israel - in der Vergangenheit kaum an internationalen Verbotsverhandlungen beteiligt.
Die Bundesregierung hat daher eine Initiative für einen schrittweise universellen Verzicht auf Streumunition ergriffen und verfolgt dabei eine Verhandlungsstrategie, die möglichst viele Staaten in die Verbotsverhandlungen einbezieht. Sie berücksichtigt neben den übergeordneten humanitären auch militärische Belange. Die deutsche Verhandlungsposition orientiert sich an Empfehlungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz wie auch an Vorgaben des Waffenübereinkommens der Vereinten Nationen. Dieser Ansatz hat sich als erfolgreich erwiesen und viel Bewegung in die lange Jahre blockierten Verhandlungen gebracht.
Bei den Verhandlungen wurde mittlerweile ein wichtiger Durchbruch erzielt. Über hundert Staaten haben sich auf ein umfassendes Verbot von Streumunition geeinigt. Der Vertragstext sieht ein umgehendes Moratorium für diese Waffen vor, ohne weitere Übergangsfristen. Diese Vereinbarung ist ein wichtiges Etappenziel bei der Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts und ein starker Impuls zur Wiederbelebung internationaler Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik. Die Einigung erhöht den Druck auf Staaten, die bislang skeptisch waren gegenüber einem weltweiten Verbot von Streumunition. Sie wird von wichtigen NATO-Staaten wie Großbritannien, Frankreich, Kanada, Spanien und Deutschland mitgetragen. Aber auch Japan sowie zahlreiche afrikanische und lateinamerikanische Länder haben sich der Vereinbarung angeschlossen. Dies ist ein wichtiges Signal für die angestrebte Universalisierung dieses Abkommens.
In Deutschland selbst ist das Verbot von Streumunition bereits weitgehend umgesetzt. Die Bundeswehr hat diese Munition noch nie zum Einsatz gebracht und nimmt keinerlei Neubeschaffungen mehr vor. Mehr als 50% der Bestände von 2001 wurden bis heute schon außer Dienst gestellt.
Fortschritte bei der Rüstungskontrolle gab es auch bei sog. Dual-Use-Gütern, deren Ausfuhr seit 1997 genehmigungspflichtig ist. Darunter sind Güter mit doppeltem Verwendungszweck gemeint, die sowohl zivil und defensiv wie auch zu Menschenrechtsverletzungen genutzt werden können. Seit 2006 besteht eine EU-weite Genehmigungspflicht (Verordnung 1236/2005). Aufgrund von EU-Sanktionen ist der Export solcher Güter in bestimmte Länder verboten. Am Beispiel der Dual-Use-Gütern lassen sich allerdings auch die moralischen Konflikte und politischen Schwierigkeiten verdeutlichen, die sich aus dem Spannungsverhältnis von strenger Rüstungskontrolle und effektiver Exportförderung ergeben.
Hermes-Exportkreditgarantien dienen dazu, deutsche Exporteure sowie Kreditinstitute, die Exporte aus Deutschland finanzieren, gegen Fabrikations- und Zahlungsrisiken abzusichern. Diese Absicherung bezieht sich auf die Ausfuhrdeckung, d.h. die Absicherung eines Geschäfts ab Versand bzw. Lieferung, die Fabrikationsrisikoabdeckung, d.h. eine staatliche Garantie für die Deckung der Herstellungskosten der Lieferung, und die Absicherung des Kreditrisikos. Die Bundesregierung hat zwischen 1990 und 2005 Hermes- Bürgschaften für Rüstungsexportgeschäfte im Gesamtauftragswert von etwa 6,27 Mrd. Euro genehmigt.
Gegenstand der Bürgschaften sind auch ausfuhrgenehmigungspflichtige Exportgütergeschäfte mit militärischen Bestellern oder Endabnehmern. Bei diesen Waren muss es sich allerdings nicht unbedingt um Rüstungsgüter handeln; darunter fallen auch zivile oder Güter mit doppeltem Verwendungszweck. Es erfolgt für diese Aufteilung zwischen Gütern mit militärischem und nicht-militärischem Verwendungszweck leider keine getrennte statistische Erfassung durch die Bundesregierung. Wenn man also auf dieser Informationsbasis Exportgütergeschäfte mit militärischen Bestellern oder Endabnehmern von der Anspruchsberechtigung auf Hermes- Bürgschaften ausnimmt, läuft man Gefahr, einheimische Produzenten ziviler Exportgüter von den Förderungsmöglichkeiten auszuschließen und damit dem Sinn der Ausfuhrförderungspolitik zuwiderzuhandeln.
Auch die Alternative, nicht den militärischen oder zivilen Status des Empfängers oder Bestellers zum Prüfkriterium für die Gewährung einer Hermes- Bürgschaft zu machen, sondern den Charakter und die konkrete Verwendung der für den Export produzierten Ware zum Maßstab zu nehmen, ist meines Erachtens nicht gut möglich, gerade hinsichtlich der Dual-Use-Güter. Eine Hermes-Bürgschaft erlöschen zu lassen oder sie zu widerrufen, wenn ein Dual-Use-Gut von einem zivilen Empfänger für militärische Zwecke genutzt wird, ist meines Erachtens nicht praktikabel. Denn damit würde das betriebswirtschaftliche Risiko, das sich dann aus der Verwendung der gelieferten Ware durch den Besteller oder Empfänger ergibt, ja wieder auf den Produzenten zurückverlagert, ohne dass dieser auf die Verwendung seines Produktes Einfluss nehmen kann, was mit dem Grundgedanken der staatlichen Exportgeschäftförderung ebenfalls nicht vereinbar wäre.
Die Genehmigung eines Rüstungsexportgeschäftes als Grundlage der Gewährung einer Hermes- Bürgschaft durch die Bundesregierung steht also am Ende eines langen und sorgfältigen Konsultations- und Entscheidungsprozesses, in dem neben außen- und wirtschaftspolitischen Interessen insbesondere auch humanitäre Prüfkriterien angelegt werden. Das Verfahren wird zudem durch völkerrechtliche und grundgesetzliche Prinzipien überwacht und abgesichert.
In der Gesamtbetrachtung haben wir ein stabiles und recht feinmaschiges Netz der staatlichen Rüstungskontrolle geknüpft. Gleichwohl gibt es Verbesserungsbedarf; ich denke dabei etwa an kürzere Intervalle der parlamentarischen Kontrolle. Und der wirksamste Schutz gegen den Einsatz von Kriegsgerät und Rüstungsgütern aus Deutschland ist sicherlich der Verzicht auf ihren Export. Ich würde mir daher wünschen, dass der zivile Ausfuhranteil und moralische Erwägungen bei den Exportunternehmen weiter wachsen.
Wir haben also noch einen langen Weg vor uns.
Mit freundlichem Gruß
Ihr Lothar Binding.